„Kombiniertes Modell“: Falken Tyre Europe passt Vertriebsmodell an

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Insbesondere Hersteller, die in Deutschland oder Europa ohne eigene oder ihnen nahestehende Vertriebsnetzwerke auskommen, stehen vor der Wahl, um welchen Absatzkanal sie sich wie intensiv kümmern wollen und müssen die Frage beantworten, wie die verschiedenen Kanäle miteinander in Einklang gebracht werden können. Gerade die vorwiegende Ausrichtung auf Großhändler als Vertriebspartner steht dabei mitunter im Konflikt mit einer direkten Ausrichtung auf den Reifeneinzelhandel. Aber insbesondere  bei fortgesetztem Wachstum rücken Retailer irgendwann automatisch (auch) in den Fokus des Herstellers. Eine entsprechende Veränderung vollzieht sich dieser Tage bei Falken Tyre Europe. Die Europazentrale in Offenbach am Main baut daher ihren Außendienst deutlich aus und diversifiziert ansonsten auch produktseitig – weitere größere Veränderungen kündigen sich an.

button_nrz-schriftzug_12px-jpg Dieser Beitrag ist in der Mai-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Abonnenten hier auch als E-Paper lesen können. Sie sind noch kein NRZ-Abonnent? Das können Sie hier ändern.

Seit dem 1. Januar 2010 ist die Falken Tyre Europe GmbH als Vertriebsgesellschaft für Falken-Reifen in Europa und damit zentral auch in Deutschland verantwortlich, nachdem sich die Goodyear-Dunlop-Gruppe darum zuvor ein Jahrzehnt lang gekümmert hatte. Die positiven Entwicklungen dabei sind mittlerweile im Markt nicht mehr zu übersehen. Nach den ersten Schritten damals vertrieb die hiesige Vertriebsgesellschaft des japanischen Herstellers Sumitomo Rubber Industries (SRI) 2015 bereits 4,6 Millionen Reifen und prognostizierte für 2016 eine Absatzsteigerung von immerhin sieben Prozent. Wie Markus Bögner jetzt gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG bestätigte, habe man den Plan für das vergangene Geschäftsjahr sogar leicht übererfüllt und den Absatz demnach auf über fünf Millionen Reifen steigern können. Wie der neue Chief Operating Officer (COO) der Europadependance des japanischen Herstellers und damit seit dem 1. April Nachfolger von Isamu Ishida (ist heute Director bei Micheldever Tyre Services in Großbritannien) betont, habe man sich auch für das neue Geschäftsjahr weiteres durchaus deutliches Wachstum vorgenommen. Ein Wachstum im zweistelligen Bereich sei im Plan.

Entsprechendes Wachstum ruhe dabei auf mehreren Pfeilern. Wie Markus Bögner weiter betont, habe Falken Tyre Europe gerade in der jüngsten Vergangenheit weitere deutliche Akzente in Bezug auf seine Logistik gesetzt. So habe man zuletzt in ein Lager in Ungarn investiert, das bei der weiteren Erschließung der Märkte in Osteuropa unter der Leitung von Günther Riepl, Senior Sales Director Austria, Switzerland and Eastern Europe, helfen soll und auch Kunden in Österreich bedient. Das Lager in Ungarn wird dabei – wie auch die anderen Lager in Europa – von Kontraktlogistiker Fiege betrieben. Außerdem habe man erst jüngst zwei weitere Lager in Frankreich wie auch in Spanien eröffnet und plane derzeit außerdem die Eröffnung eines Lagers in Schweden. Solche Investitionen in die logistischen Fähigkeiten würden „beim Wachstum sehr helfen“, so Markus Bögner weiter. Darüber hinaus betreibt Falken Tyre Europe noch ein Lager in Polen, das aber ausschließlich dem dortigen Markt dient, und natürlich das große Fiege-Lager in Dortmund für Deutschland und benachbarte Märkte.

Gerade auf dem wichtigen deutschen Reifenmarkt setzt Falken Tyre Europe hingegen klare Wachstumsimpulse durch die Erweiterung des Verkaufspersonals mit Verantwortung für die verschiedenen Kanäle. So hat das Unternehmen etwa erst jüngst zwei weitere Mitarbeiter für das Vertriebsteam von Jürgen Koch eingestellt. Der Sales Director Germany Replacement leitet damit mittlerweile bereits eine Mannschaft von acht Vertriebsmitarbeitern. Eine ihrer zentralen Aufgaben ist dabei – neben der Betreuung bestehender Großhandelskunden in Deutschland – der Aufbau bzw. die Erweiterung des Retailvertriebskanals. Wie Markus Bögner betont, wolle man zwar nicht notwendigerweise die Absätze über die etablierten Großhändler verringern. „Wir benötigen den Großhandel, er ist wichtig für uns“, so der COO. Aber gerade in Bezug auf den Großhandel sei der Markt gesättigt, was Druck auf die Preise aufbaue. Daran habe freilich keiner der Beteiligten ein Interesse. Man wolle zwar nicht die absoluten Zahlen, wohl aber die Absatzanteile an Reifen, die über diesen Kanal in den deutschen Ersatzmarkt kommen, schrittweise verringern, indem das Retailgeschäft im Vergleich dazu auf- und ausgebaut wird. Entsprechende Veränderungen durch ein sogenanntes „kombiniertes Modell“ (Bögner) aus Großhandels- und gleichzeitig Einzelhandelsgeschäft sind bekanntlich personalintensiv. Wie der COO weiter betont, operiere man unterdessen in den verschiedenen europäischen Märkten mitunter mit verschiedenen Strategien.

Der japanische Hersteller Sumitomo Rubber Industries setzt bei der Vermarktung seiner Marke Falken in Europa seit 2000 ganz zentral auch auf Motorsport; in der laufenden Langstreckensaison setzt Falken erstmals und als erster Hersteller überhaupt gleichzeitig GT-Fahrzeuge von Porsche und von BMW (links) auf der Langstrecke ein

Der japanische Hersteller Sumitomo Rubber Industries setzt bei der Vermarktung seiner Marke Falken in Europa seit 2000 ganz zentral auch auf Motorsport; in der laufenden Langstreckensaison setzt Falken erstmals und als erster Hersteller überhaupt gleichzeitig GT-Fahrzeuge von Porsche und von BMW (links) auf der Langstrecke ein

Aber solche Veränderungen bergen stets auch die Gefahr von Konflikten, kümmert sich das Vertriebsteam vielleicht intensiv um Retailer, die zuvor von einem Großhändler bedient wurden; eine solche Wettbewerbssituation gelte es, so Bögner weiter, weitestgehend konfliktfrei zu lösen, ziele man schließlich „auf ein gesundes Wachstum“ ab und nicht darauf, in Kanal A das zu gewinnen, was man in Kanal B verliert. Jürgen Koch zufolge müsse man in Bezug auf das Retailkonzept „sehr sauber“ vorgehen und meint damit insbesondere das dazugehörende Preismodell. Absatzsprünge dürfe man dabei so oder so nicht erwarten, ist Markus Bögner überzeugt, schließlich benötige man für die Veränderungen der Vertriebsstrategie immer einiges an Zeit.

Weitere Veränderungen im Vertrieb von Falken Tyre Europe kündigen sich dabei an oder wurden kürzlich vollzogen. So kümmert sich der Hersteller hierzulande mittlerweile überaus intensiv auch um das Autohausgeschäft, liefert Sumitomo Rubber Industries doch seit 2012 auch in die europäische Erstausrüstung, namentlich an den Volkswagen-Konzern; außerdem werden japanische Automobilhersteller beliefert. Der Vertrieb über den Kanal Autohaus sei „mittlerweile ein Kernthema“, speziell in Deutschland, so der COO weiter. Wie Markus Bögner betont, umfasst die Vertriebsmannschaft Autohaus derzeit schon drei Mitarbeiter. Kfz-Werkstätten, die „Verwandten“ des Autohauses hingegen, werden bereits intensiv von Falken-Tyre-Europe-Kunden im Groß- und Teilehandel bedient; daran wolle man auch kurzfristig nichts ändern.

Neu im Plan ist der Aufbau eines Vertriebsteams, das sich ausschließlich um das Thema Lkw-Reifen kümmern soll. Entsprechende neue Produkte vorwiegend für den regionalen Einsatz hatte der Hersteller im vergangenen Jahr in Europa eingeführt und könne damit bereits Lkw rundum bereifen. Nun werde der für die großflächige Vermarktung notwendige Vertrieb aufgebaut, erläutert COO Bögner, ohne darüber hinaus bereits konkret werden zu wollen.

Neben den offenkundigen Veränderungen, die derzeit im Vertrieb von Falken Tyre Europe stattfinden, werden die vorgenannten Wachstumspläne aber auch durch die Etablierung einer Reifenfabrik in der Türkei gestützt. Die im Sommer 2015 eingeweihte Fabrik wird als Sumitomo-AKO Çankiri betrieben. Sumitomo Rubber Industries ist an dem Joint Venture immerhin mit 80 Prozent beteiligt, die türkische Unternehmensgruppe Abdulkadir Ozcan Otomotiv AS – besitzt den türkischen Reifenhersteller Petlas – hält die verbleibenden 20 Prozent. Wie Markus Bögner erläutert, werde das Werk derzeit „Schritt für Schritt hochgefahren“, diene dabei aber nicht ausschließlich der Versorgung der europäischen Märkte, auch wenn der über Falken Tyre Europe vertriebene Anteil der Produktion aus der Türkei kontinuierlich steige. Künftig würde auch die europäische Erstausrüstung aus dem Werk im anatolischen Çankiri versorgt, heißt es dazu weiter in Offenbach; entsprechende Zertifizierungen liefen bereits. Wie der neue Chief Operating Officer betont, wolle Falken Tyre Europe in Zukunft mit der türkischen Reifenfabrik „weitestgehend autark sein“. Parallel zur neuen Fabrik richtet der japanische Hersteller seit dem vergangenen Jahr auch ein Entwicklungs- und Testcenter in Hanau-Steinheim bei Frankfurt ein. Als Sumitomo Rubber Europe firmierend und unter der Leitung von Dr. Bernd Löwenhaupt soll die Einrichtung kurzfristig zu einem  vollwertigen Technical Center mit weitreichenden und eigenständigen Aufgaben in Bezug auf die Produktentwicklung für den regionalen Markt ausgebaut werden. Bereits heute sind in Hanau-Steinheim rund 25 Mitarbeiter beschäftigt, während Falken Tyre Europe darüber hinaus weitere 130 Mitarbeiter hat.

Aber bereits heute ermögliche die neue Produktionsstätte einige Veränderungen für das Geschäft. Während Kunden früher üblicherweise drei bis vier Monate auf ihre Containerware aus Japan warten mussten, kann ein Lkw aus der Türkei innerhalb weniger Tage Ware auch in Deutschland ausliefern. Ein erfolgreiches „kombiniertes Modell“ wird eben ganz zentral gestützt durch eine entsprechende Logistik vor Ort sowie Produktionskapazitäten in der Nähe der Absatzmärkte. Denn gerade Einzelhändler neigen bekanntlich immer weniger dazu, sich Ware ins Lager zu legen, folglich steht und fällt das Geschäft mit der Reaktionszeit des Lieferanten – ob nun Hersteller oder Großhändler.

Unterdessen setzt der Hersteller bzw. dessen hiesige Vertriebsorganisation Falken Tyre Europe ganz gezielt darauf, das eigene Fabrikat fest am Markt zu etablieren. Wie Markus Bögner es ausdrückt, gehe es dabei „ausschließlich um die Marke, Marke, Marke“. Will heißen: Der Hersteller baut ganz gezielt sein Fabrikat in Deutschland und in Europa auf und wandelt es damit zunehmend in ein Nachfragefabrikat. Wie der COO sagt, bewege man sich dabei „in drei Markenwelten: Motorsport, Fußball sowie Action und Lifestyle“. Gerade mit seinem bereits seit 2000 verfolgten Engagement im Motorsport hat sich Falken Tyre Europe einen Namen im Markt gemacht. Auch wenn Falken bisher das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring noch nie gewinnen konnte (2015 gelang ein dritter Platz in der Gesamtwertung), sind die in den Farben Weißgrün und Blau gebrandeten Autos auf der Langstrecke immer ein Hingucker gewesen. Während Falken früher mit einem Nissan Skyline für Aufmerksamkeit sorgte, wechselte der Hersteller 2011 auf Porsche. In der laufenden Langstreckensaison setzt Falken nun erstmals und als erster Hersteller überhaupt gleichzeitig GT-Fahrzeuge von Porsche und von BMW auf der Langstrecke ein. Falken Tyre Europe ist außerdem einer der Hauptsponsoren des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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