Kommentar: Schafft sich der freie Reifenfachhandel selbst ab?
Wenn der Reifenhandel nicht einmal mehr klagen kann, dann müsse es schon wirklich schlecht um ihn bestellt sein. Das meinte unlängst zumindest einer meiner Kollegen im Rahmen einer Redaktionskonferenz der NEUE REIFENZEITUNG als spontane Reaktion auf einen Leserkommentar zu einem auf unseren Webseiten veröffentlichten Beitrag. In dem geht es um die Lage auf dem deutschen Reifenersatzmarkt kurz vor dem Jahreswechsel 2014/2015 bzw. ein vorläufiges Fazit zum Reifenjahr 2014.
Ein Blick auf die nackten Zahlen des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie e.V. (WdK) zur Absatzentwicklung hierzulande bis einschließlich November oder die Einschätzung des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) lassen wirklich nicht viel Gutes für das Gesamtjahr 2014 im Reifenhandel erwarten. Jedenfalls sieht es danach aus, als sei das gerade zu Ende gegangene Jahr anders als erwartet und erhofft einmal mehr hinter den zwölf Monaten zuvor zurückgeblieben. Damit wäre es mit Blick aufs Reifengeschäft Handel in Richtung Verbraucher das mittlerweile schon dritte schwache in Folge.
Nicht nur deshalb sind nach Meinung des BRV die „glorreichen Zeiten“ im Reifenfachhandel definitiv vorbei. Der rührige Verband mahnt daher nicht zum ersten Mal mit deutlichen Worten an, die Branche möge doch endlich aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen, sich den Herausforderungen stellen bzw. jedenfalls irgendetwas unternehmen, anstatt sich weiter in Lethargie zu üben. Kommt die Bezeichnung Unternehmer nicht tatsächlich davon, dass man etwas unternimmt? Und selbstständig davon, dass man selbst etwas macht (nicht zwangsläufig ständig) und nicht immer allein auf andere baut?
„Ich weiß nicht, wen der BRV mit seinen Mahnungen noch erreichen will. Flexibilität und Ideenreichtum hat der Handel nicht bewiesen, als die BRV-Studie Reifenmarkt 2020 erschien und die klare Abwärtstendenz darstellte. Seither hat sich in den Führungsetagen des Handels nichts getan. Also woher sollen die erforderlichen Eigenschaften jetzt kommen?“, gibt sich der eingangs erwähnte, unter dem Pseudonym „Hammer“ postende Kommentator augenscheinlich recht desillusioniert, was die Zukunft(-sfähigkeit) des deutschen Reifenfachhandels angeht.
Darüber hinaus bescheinigt er dem Fachhandel eine gewisse „Schwäche/Trantütigkeit“, welche die Industrie dazu bewogen habe, forciert in eigene Ketten und ins Autohaus zu investieren. Selbst wenn man unterstellt, dass er mit seinen provokanten Äußerungen vielleicht nur eine Diskussion unter den Vertretern des Handels anschieben wollte mit dem Ziel, am derzeitigen vielfach unbefriedigenden Status quo so manchen Betriebes etwas zum Besseren zu verändern, so scheint an alldem wohl doch etwas dran zu sein.
Denn die Reaktion auf diese Provokation war: nichts. „Auch dieses Thema scheint sonst keinen Reifenhändler zu interessieren. Die sind sicher alle schwer mit dem Verkauf von Winterreifen beschäftigt – oder ihrer Unternehmen“, mutmaßt „Hammer“ augenscheinlich noch ein wenig desillusionierter, was die Zukunft des freien Reifenfachhandels angeht. Offenbar nicht ganz zu Unrecht, vertreten von den Teilnehmern an einer der jüngsten Onlineumfragen der NEUE REIFENZEITUNG gleichzeitig doch immerhin beinahe 60 Prozent die Meinung, der ungebundene Reifenfachhandel komme heute ohne Unterstützung der Industrie nicht mehr aus.
Will sich der freie Reifenhandel also tatsächlich selbst abschaffen? Ich persönlich mag daran nicht glauben. Klar, der Markt ist herausfordernd und wird womöglich noch herausfordernder werden. Aber deshalb die Flinte gleich ins Korn werfen? Das kann es doch nicht sein. Zumal das schwierigste bei der Lösung von Problemen bekanntlich zunächst einmal die Erkenntnis ist, dass man überhaupt welche hat. Diese Phase sollte der Reifenfachhandel angesichts der Entwicklungen während der zurückliegenden zwei bis drei Jahre und nicht zuletzt dank der umfangreichen Branchenunterstützung durch den BRV unter anderem beispielsweise durch solche Studien wie die „Reifenfachandel 2020“ genannte eigentlich längst hinter sich gelassen haben.
Schon bei deren erstmaliger Vorstellung Mitte 2013 attestierte konstatierte der geschäftsführende BRV-Vorsitzende Peter Hülzer schließlich weniger ein Erkenntnisproblem innerhalb der Branche als vielmehr ein Umsetzungsproblem. So kann der Vorsatz für das neue Jahr heute – fast zwei Jahre später – eigentlich nur heißen: die Herausforderungen annehmen, die Ärmel hochkrempeln, das Beste geben. Jedenfalls dann, wenn man sich auch in Zukunft als Reifenfachhändler gegen konkurrierende Vertriebskanäle wie Autohäuser/Kfz-Werkstätten oder Onlineshops behaupten und sich nicht selbst abschaffen will. Aber eigentlich war das doch immer schon so, oder? christian.marx@reifenpresse.de
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[…] und allein die vermeintlich „Schuldigen“ an den jeweiligen Entwicklungen anzuprangern und vergangenen „glorreichen Zeiten“ nachzutrauern, wäre nichts anderer als ein weiteres „Feigenblatt“, um fehlende Eigeninitiative […]
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