„Problemdelta“ – Schrader-Informationsveranstaltung zu RDKS
Für Anfang September hatte Schrader zu einer Informationsveranstaltung rund um Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) nach Belfast eingeladen. Dem Ruf, in Nordirlands Hauptstadt zu kommen, nahe der das Unternehmen an den Standorten Antrim und Carrickfergus RDKS-Sensoren fertigt sowie auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung ihren Sitz hat, waren gut 20 Vertreter von Teilelieferanten/Großhändlern wie Rema Tip Top, PV Autoteile, Tecma oder Würth ebenso gefolgt wie von Firmen wie Delticom und Pit-Stop. Trotz diverser Einladungen auch an diese Adresse konnte sich Maic Dreßen, Schrader-Vertriebsleiter Aftermarket für die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz), keiner einzigen Zusage vonseiten des klassischen Reifenhandels erfreuen.
Das mag möglicherweise mit der Vorbereitung auf die Wintersaison gerade in diesem Zeitfenster im Zusammenhang stehen, ist vielleicht aber auch dem geschuldet, was Dressen als das „Problemdelta“ bezeichnet: Denn nachdem der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk (BRV) dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Aussage abgerungen hat, es sei eigentlich gar nicht feststellbar, welche Fahrzeuge als neu homologiert nach dem 1. November 2012 gelten und somit schon jetzt mit einem RDKS ausgerüstet sein müssen, wähnt sich so mancher Marktteilnehmer in „Sicherheit“ bis zum 1. November 2014, ab dem dann alle neu zugelassenen Fahrzeuge der Klasse M1 mit einem RDKS ausgerüstet sein müssen. Folglich wird wohl noch nicht überall die Notwendigkeit gesehen, sich jetzt schon auf die erwarteten Umwälzungen im Reifenservice einzustellen.
Mit solchen Ansichten aufzuräumen, war eines der Ziele der Veranstaltung – und natürlich, die Zulieferpartner des Reifenhandels und von Werkstätten fit zu machen für die Welle, die da in Bezug auf die künftige Versorgung ihrer Partner mit Sensoren sowie Diagnosetechnik auf sie zukommen dürfte. Teil des Ganzen war unter anderem eine Besichtigung der „Linie 1“ in Antrim – der ersten und damit ältesten Schrader-Produktionsstraße für RDKS-Sensoren, die noch nicht so hoch automatisiert ist wie die anderen Fertigungslinien des Unternehmens. Allein in Antrim gibt es davon drei weitere, wobei „Linie 1“ einen Ausstoß von rund 24.000 Einheiten am Tag aufweisen soll. „Sie steht also für insgesamt etwa fünf Millionen RDKS-Sensoren pro Jahr“, sagt Dreßen unter Verweis darauf, dass an dem Standort fünf Tage die Woche in Zwölfstundenschichten produziert wird. Alles in allem werden an dem Standort inklusive Management 500 Menschen beschäftigt, 375 davon in der Fertigung.
Der Rundgang durch die Produktion zeigt vor allem auch eines: wie viel Hightech und Spezial-Know-how in einem solch kleinen Teil wie einem RDKS-Sensor stecken kann. Und so verwundert nicht, dass Peter Mackel, Schraders European Development Support Manager, bei weltweit insgesamt rund 1.250 Mitarbeitern von 190 Entwicklungsingenieuren spricht, die der Konzern beschäftigt. Diese entwickeln aber nicht nur Schrader-Sensoren für die Erstausrüstung und das Ersatzgeschäft oder die zugehörigen Steuergeräte, sondern auch die Prozesse und Maschinen/Anlagen zur Fertigung der eigenen Produkte. „Wir können nicht einfach losgehen und Maschinen kaufen, sondern entwickeln das größtenteils selbst“, erklärt Paul Gardner, Production Director bei Schrader. Wie er hinzufügt, will man in den kommenden drei Jahren 15 Millionen Euro in den Ausbau der Kapazitäten für RDKS-Sensoren investierten.
Und das nicht ohne Grund, erwartet man vor dem Hintergrund der Gesetzeslage in der Europäischen Union, die ja spätestens ab dem 1. November 2014 eine obligatorische Ausrüstung neuer Fahrzeuge der Klasse M1 mit RDKS vorsieht, und ähnlichen Bestrebungen in anderen Regionen/Ländern dieser Welt – in den USA ist das ohnehin schon Pflicht – eine weiter steigende Nachfrage nach entsprechenden Sensoren. Zumal Dreßen keinen Hehl daraus macht, dass wohl ein Großteil aller betroffenen Fahrzeuge zukünftig mit direkt messenden, also sensorbasierten Luftdruckwarnsystemen vom Band laufen wird. Nach von ihm präsentiertem Zahlenmaterial setzt bislang lediglich der Volkswagen-Konzern vorwiegend auf indirekte, also ABS-basierte RDKS, die ohne Sensor im Reifen auskommen.
Selbst wenn die VW-Marken (VW, Audi, Skoda, Seat) in Summe weiter marktführend bleiben werden und sich das von ihnen (noch?) favorisierte ABS-basierte RDKS als gesetzeskonform erweisen sollte, so würden nach Schätzungen von Schrader 2015 nichtsdestoweniger knapp 80 Prozent der erwarteten 13 Millionen neu zugelassenen Pkw in den EU27-Ländern mit einem direkten RDKS ausgerüstet sein und „nur“ gut 20 Prozent mit einem indirekten. Und weil die Automobilhersteller sicher nicht bis zum 1. November kommenden Jahres warten werden, um ihre Fahrzeuge mit Druckwarnsystemen vom Band rollen zu lassen, präsentiert Dreßen eine Unternehmensprognose, wonach schon 2014 gut 1,1 Millionen der erwarteten etwa 3,8 Millionen neu zugelassenen Fahrzeuge in der DACH-Region mit einem direkt messenden, UNECE-R64-konformen RDKS auf den Markt kommen werden.
Nur ein Jahr später soll das dann schon für 2,6 Millionen der insgesamt fast 4,1 Millionen Neuzulassungen gelten. „Um das Gesetz zu erfüllen, benötigen die Fahrzeughersteller mindestens sechs Monate Vorlaufzeit“, erklärt Dreßen, warum der Handel aber bereits ab etwa Frühjahr kommenden Jahres in zunehmendem Maße damit rechnen sollte, immer mehr Fahrzeuge mit RDKS auf den Hof zu bekommen. Seinen Worten zufolge kommen selbst dieses Jahr schon rund 80.000 Neufahrzuge auf den Markt, die über ein RDKS gemäß den Anforderungen der UNECE R64 verfügen und bei denen sich folglich nicht in einen sogenannten „Wintermodus“ wechseln lässt, auf den Werkstätten bei fehlenden Sensoren im zweiten Reifensatz eines Kfz mit optionalem RDKS bislang mitunter zurückgegriffen haben. „Bei Fahrzeugen mit R64-konformen TPMS gibt es keinen ‚Wintermodus’. Fahrzeuge ohne Reifenluftdrucksensoren zeigen bei jeder Zündung eine Fehlermeldung an“, rät der Schrader-Vertriebsleiter für die DACH-Region Reifenservicebetrieben daher, sich schon heute mit der Thematik vertraut zu machen.
Denn es wird bekanntlich allgemein davon ausgegangen, dass sich der Serviceprozess an einem Fahrzeug, das mit einem direkt messenden RDKS ausgestattet ist, grundlegend von dem an einem Fahrzeug ohne oder mit indirektem RDKS unterscheidet und vor allem einen höheren Zeitaufwand erfordert. „Die Werkstätten müssen sich fit machen: Trainings buchen und Prozesse einstudieren“, so Dreßen. Schließlich rechnet er vor, dass das Volumen an Austauschsensoren im Ersatzgeschäft – sei es aufgrund eines nötigen Austausches nach einem Defekt oder durch die saisonale Umrüstung auf einen zweiten Reifensatz – in der DACH-Region von erwarteten 15.600 dieses Jahr über 530.000 schon 2014 bis hin zu gut 1,7 Millionen Einheiten 2015 anwachsen könnte.
„In Zukunft benötigen Werkstätten immer den passenden RDKS-Sensor für jedes Fahrzeug, zu jeder Zeit und in richtiger Menge“, umreißt Sascha Nossen, Schulungsleiter in Sachen RDKS bei Schrader, die Problemstellung für Reifenservicebetriebe, die es in sich hat. Denn wie er hinzufügt, gebe es aktuell etwa 150 verschiedene Sensorenkombinationen. Klar, dass das Unternehmen diesbezüglich seinem programmierbaren „EZ-Sensor“ das Wort redet, der einen Großteil der im Markt befindlichen Erstausrüstungssensoren ersetzen können soll. Die derzeitige „EZ-Sensor“-Abdeckung des Fahrzeugparks mit RDKS beziffert Dreßen jedenfalls mit 83 Prozent. In diesem Zusammenhang kündigt er für das vierte Quartal dieses Jahres übrigens den Start einer „InfoMate“ genannten und für Kunden des Unternehmens zugänglichen Datenbank an, die eine Teileidentifikation von Erstausrüstungssensoren bieten und detaillierte technische Daten sowie Informationen über Fahrzeugdiagnose- bzw. Anlernverfahren enthalten soll. „Ich wüsste nicht, dass es heute im Automobilbereich eine solche Datenbank gibt, die derartige Informationen liefert“, sagt er.
Doch trotz aller Hilfestellungen und selbst wenn Schraders „EZ-Sensoren“ die Lagerhaltung vereinfachen können: Dennoch sind der Serviceaufwand in der Werkstatt und damit die an den Kunden weiterzugebenden Kosten trotzdem höher als bei einem Wagen ohne oder mit indirektem RDKS. „Die Werkstätten müssen sich auf das RDKS-Kundengespräch vorbereiten“, meint Dreßen. Zumal dies – wie er hinzufügt – kein einfaches werde, angesichts der Preise für neue RDKS-Sensoren. Auf jeden Fall sollte seiner Meinung das „Problemdelta“ aber nicht ungenutzt bleiben, um sich für die kommenden Herausforderungen fit zu machen und beispielsweise auch für entsprechende Diagnosetools/Programmiergeräte zu entscheiden. Denn der Schrader-Vertriebsleiter sieht RKDS eindeutig als Chance für Reifenservicebetriebe, sich als kompetenter Fachbetrieb zu profilieren und höhere Umsätze zu generieren, und nicht als Bedrohung. „Das Marktpotenzial ist wahnsinnig“, ist er überzeugt. christian.marx@reifenpresse.de
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