Desillusionierende Zahlen: Dickes Minus im Pkw-Winterreifengeschäft
Unter dem Hinweis, dass gesicherte Marktzahlen für das vergangene Jahr frühestens wohl erst im Februar zu erwarten seien, hatte der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) nichtsdestotrotz kurz vor den Weihnachtsfeiertagen bzw. dem Jahreswechsel eine erste Einschätzung zum Geschäftsverlauf 2011 im deutschen Reifenfachhandel publik gemacht. In Bezug auf das Pkw-Winterreifengeschäft war da von einem Stückzahlminus in Höhe von fünf Prozent gegenüber 2010 die Rede. Dabei hatten weite Teile der Branche eher ein Absatzvolumen in etwa auf demselben Niveau wie ein Jahr zuvor wenn schon nicht erwartet, so doch wenigstens erhofft. Noch desillusionierender sind die Zahlen, die dem sogenannten Sell-out-Panel des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie e.V. (WdK) zu entnehmen sind: Hatte es schon Ende Oktober bzw. mit Ablauf des November kumuliert einen Rückgang der M+S-Reifenverkäufe (Handel an Verbraucher) um 6,7 Prozent respektive 13,6 Prozent ausgewiesen, so wurde nicht nur letzterer Wert mit der jüngsten Veröffentlichung noch einmal auf ein 14,3-prozentiges Minus nach unten korrigiert, sondern mit Blick auf einen im Dezember 2011 um sage und schreibe 36,5 Prozent hinter dem entsprechenden Vorjahresmonat zurückgebliebenen Winterreifenverkauf beziffert der WdK den Absatzrückgang bezogen auf das Gesamtjahr nunmehr inzwischen sogar mit 17,6 Prozent. Wer hätte damit vor ein paar Monaten noch gerechnet?
Immerhin hatte das Wintergeschäft im zurückliegenden Jahr ungewöhnlich früh und teils merklich heftiger als sonst eingesetzt, um dann beginnend mit den „klassischen Umrüstmonaten“ Oktober/November allerdings mehr und weniger deutlich in der Intensität abzuflachen. Die Schuld daran trägt im Wesentlichen wohl der in vielen Teilen Deutschlands zumindest bis vor Kurzem noch weitgehend „grüne“ Winter ohne nennenswerte Schneefälle und mit nur wenigen Frosttagen. Und da 2011 außerdem aus einer weiteren Präzisierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) bzw. der in diesem Zusammenhang diskutierten Erhöhung der Mindestprofiltiefe für Winterreifen nichts mehr geworden ist, ging von dieser Seite natürlich auch kein zusätzlicher Impuls für die Geschäftsentwicklung aus. Aus alldem dürfte in Sachen Winterreifen ein nicht unbeträchtlicher Lagerbestandsaufbau aufseiten des Handels resultieren: Legt man das vom WdK berichtete Minus beim Absatz in Richtung Endverbraucher in Höhe von 17,6 Prozent zugrunde und stellt dem die Absatzsteigerung entsprechender Bereifungen der Industrie in Richtung Handel gegenüber, die laut den Daten der European Rubber Manufacturers’ Conference (ERMC) bei 7,8 Prozent liegen soll, so ergibt sich rechnerisch, dass zum Ende des vergangenen Jahres rund ein Viertel mehr Winterreifen im Handel auf Lager lagen als zum selben Zeitpunk 2010.
Dass etwaig im zurückliegenden Jahr nicht an den Mann bzw. die Frau gebrachten Winterreifen in diesem Jahr auf die Preise drücken könnte, wird seitens der Industrie trotzdem scheinbar nicht befürchtet. Diesen Eindruck haben jedenfalls Morgan-Stanley-Analysten nach einer Conti-Präsentation im Rahmen der Detroit Motor Show gewonnen, wie einem entsprechenden Bericht zu entnehmen ist. Auch Pirelli habe sich in diesem Sinne geäußert. Gleichzeitig rechnen die Finanzexperten am Beispiel des italienischen Reifenherstellers vor, warum der Industrie wegen eines „enttäuschend warmen Winters“ nicht zu viele graue Haare wachsen werden: Selbst bei einem zehnprozentigen Umsatzminus mit Winterreifen im laufenden Jahr entspräche dies auf Basis der 2011 laut Morgan Stanley in diesem einen Produktsegment erwirtschafteten rund 700 Millionen Euro „nur“ 70 Millionen Euro weniger Gesamtumsatz. Angesichts eines für 2011 erwarteten Konzernumsatzes in der Region von 5,8 Milliarden Euro ließe sich so etwas wohl verschmerzen. Nicht viel anders dürfte die Situation mit Blick auf Hersteller wie Michelin oder Conti sein, selbst wenn für diese der mit Winterreifen erzielte Anteil am Konzernumsatz den Analysten zufolge mit 15 Prozent respektive 25 Prozent die zwölfprozentige Quote bei Pirelli übersteigt.
Anders sieht es da schon im Reifenhandel aus, setzt dieser grob gesagt im Mittel doch in etwa beinahe genauso viele Sommer- wie Winterreifen ab, selbst wenn sich mit den Gummis für die kalte Jahreszeit in der Regel ein im Vergleich etwas höherer Umsatz erzielen lässt. Und wenn der Winterreifenabsatz im Ersatzgeschäft um fast 17,6 Prozent zurückgeht und der von Sommerreifen laut Wdk-Sell-out-Panel 2011 zusätzlich um 4,8 Prozent, dann kann der normale Reifenhändler dies eben nicht wie ein Großkonzern durch ein Absatzplus in anderen Regionen der Welt oder ein Mehr an Lieferung in die Erstausrüstung (über-)kompensieren. Keine Frage also, dass ein ausgebliebener Winter den Handel ungleich härter trifft als die Industrie. Bei alldem berichtet Morgan Stanley in Sachen Pirelli übrigens davon, dass die Italiener auf keinen Fall unverkauft im Lager des Handels liegende Winterreifen zurücknehmen wollen. Aber selbst wenn doch, so ist mit Blick auf M+S-Bereifungen dennoch für 2012 eher wieder ein Trend in Richtung einer Umkehr von dem Verkäufermarkt 2010 hin zu einem Käufermarkt zu erwarten. Freilich ist es nach nur wenigen Wochen im neuen Jahr vielleicht tatsächlich noch ein wenig früh für solche Spekulationen, aber die seit Mitte November stetig weiter gefallenen Endverbraucherpreise bei ausgewählten Winterreifen lassen nichts Gutes erwarten. christian.marx@reifenpresse.de
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