“Zehn stöhnfreie Jahre” – Delticom feiert in diesem Jahr Jubiläum
Vor zehn Jahren, genauer gesagt am 2. Juli 1999 ist in Hannover der Onlinereifenhändler Delticom gegründet worden, der heute als Aktiengesellschaft firmiert. Seither berichtet das Unternehmen Jahr für Jahr in Sachen Umsatz von Steigerungsraten im zweistelligen Prozentbereich – trotz der seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres ansonsten mehr oder weniger überall in der Automobilbranche spürbaren Auswirkungen der Finanzkrise bilden dabei weder die 2008er-Bilanz noch die bis dato vorgelegten Zahlen für das laufende Geschäftsjahr bzw. das erste Quartal 2009 (vgl. bereits NEUE REIFENZEITUNG 5/2009) dabei eine Ausnahme. Was also ist das Geheimnis hinter dem Erfolg des Geschäftsmodells der beiden ehemaligen Conti-Manager Dr. Andreas Prüfer und Rainer Binder, die in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum des von ihnen gegründeten Unternehmens Delticom feiern können?
Dabei ist das Ganze wahrscheinlich weit weniger geheimnisvoll als man vermutet. Ohne die Kreativität hinter der Idee an sich, einen Endverbraucheronlineshop für Reifen auf die Beine zu stellen, oder die Leistungen im Zusammenhang mit deren konsequenter Umsetzung bzw. rund um die mittlerweile wohl nur als erfolgreich zu bezeichnende Etablierung eines solchen Start-ups schmälern zu wollen, hat der Sache doch vor allem wohl auch die rasante Entwicklung des Internets im Allgemeinen in die Hände gespielt. „Wir haben einen Markt kreiert, den es bis dahin nicht gab“, sagt Delticom-CEO Rainer Binder – Mitgründer Prüfer ist seit Mai 2008 Vorsitzender des Aufsichtsrats des Unternehmens – im Gespräch mit dieser Zeitschrift rückblickend auf die Eröffnung des ersten Webshops unter www.reifendirekt.de im Januar 2000. Während das Segment E-Commerce heute für einen gemessen an den Zahlen des ersten Quartals 2009 über 90-prozentigen Anteil am Gesamtumsatz steht, habe man sich „die ersten beiden Jahre mit Großhandelsgeschäften über Wasser gehalten“, wie Binder es formuliert.
In den ersten drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres erzielte Delticom mit dem Großhandelsbereich einen Umsatz von 4,3 Millionen Euro, was zwar einem Plus gegenüber den 4,1 Millionen des ersten Quartals 2008 entspricht. Doch die sich aus diesen Werten errechnende Zuwachsrate von „nur“ 4,6 Prozent im Vergleich zu der zeitgleich realisierten 21,4-prozentigen Steigerung des Umsatzes im Onlinegeschäft von 38,5 Millionen Euro auf 46,7 Millionen Euro verdeutlich den Effekt, der von der zunehmenden Etablierung des Internets in den Haushalten nicht nur hierzulande ausgeht. Von der steigenden Bereitschaft der Verbraucher, Waren und Dienstleistungen online zu erwerben, profitiert natürlich ein Unternehmen, das sich innerhalb mittlerweile einer vollen Dekade einen Namen hat erarbeiten können – Follower, die es inzwischen freilich durchaus gibt, haben es prinzipiell immer schwerer einen Fuß in die Tür zu bekommen. „Wir haben uns von Anfang an bemüht, das Onlinegeschäft konsequent zu betreiben“, sagt Binder, wobei er in diesem Zusammenhang beispielsweise das schon 2003 erteilte TÜV-Zertifikat „S@fer Shopping“ erwähnt. Damit habe man im deutschen Onlinereifenhandel einen Standard gesetzt.
Und in Hannover geht man davon aus, die Erfolgsgeschichte auch in der Zukunft fortschreiben zu können. Denn der Onlinereifenhandel bietet offenbar durchaus noch weiteres Potenzial. Eine Antwort auf die konkrete Frage der NEUE REIFENZEITUNG, welchen Marktanteil dieser Vertriebskanal am gesamten Pkw-Reifenersatzgeschäft letztendlich wohl für sich wird erobern könne, bleibt Binder mit dem Hinweis, dass man keine eigenen Prognosen anstelle, zwar schuldig. Er verweist in diesem Zusammenhang allerdings auf Schätzungen von Marktforschern, wonach ein Marktanteil des B2C-Onlinereifenhandels „im zweistelligen Prozentbereich“ als durchaus realistisch angesehen wird. Insofern böte sich Delticom wie auch anderen Anbietern schon noch einiger Raum für Wachstum, geht doch beispielsweise der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) für 2008 von einem Marktanteil in Höhe von 5,5 Prozent in Sachen Internetreifenabsatz Handel an Verbraucher im deutschen Ersatzgeschäft aus. Und auch andere kommen zu mehr oder weniger derselben Einschätzung.
Natürlich ist es illusorisch zu glauben, etwaiges zukünftiges Wachstum dieses Vertriebskanals käme nur Delticom zugute – schließlich gibt es noch zunehmend noch andere Marktspieler, die sich in diesem Segment tummeln. „Ich finde es sehr positiv, dass andere sich auch in diesem Bereich engagieren“, meint Binder. Denn dies sorge dafür, dass der Onlinekauf von Reifen – im Gegensatz etwa als zu Zeiten der Delticom-Gründung – noch ein Stück weiter zur Normalität werde. Davon profitieren dann alle Onlinehändler und eben auch die Hannoveraner, die sich in den zurückliegenden zehn Jahren mit ihrer Pionierarbeit eine gehörige Portion Know-how sowie einen weidlich bekannten Namen in Bezug auf den Internethandel mit Reifen erarbeitet haben. „Wir sind in den vergangenen zehn Jahren gereift. Und mit uns ist auch das Geschäft gereift“, meint Binder mit Blick auch auf die im Verlauf der Jahre stetig gestiegene Zahl von registrierten Reifendirekt-Montagepartnern, die hierzulande in diesem Jahr bei über 6.000 liegen soll. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren sind es demnach noch 5.000, 2006 rund 4.000 und 2005 so um die 2.500 gewesen. Wobei darunter ein – wie der Delticom-CEO sagt – nur „sehr geringer“ Teil dem Lager der reinen Reifenhändler zuzurechnen ist.
Wie dem auch sei: Wachstum scheinbar überall, wo man bei Delticom hinschaut. Eine solch positive Entwicklung ruft allerdings nicht nur Nachahmer auf den Plan, sondern vor allem auch Neid, Kritik oder Wut bei denjenigen hervor, die durch die wachsende Beliebtheit des Onlinevertriebskanals verlieren. So sind spätestens seit dem Erfolg des Geschäftsmodells der Hannoveraner das Internet im Allgemeinen sowie die Firma Delticom und ähnliche Anbieter im Besonderen für weite Teile des klassischen Reifenfachhandels bekanntermaßen wie das sprichwörtliche rote Tuch. „Wir haben uns nie darum gekümmert, ob es dem Handel wehtut, wenn der Onlinekanal auf einen Markanteil von fünf oder sechs Prozent kommt. Der Reifenhandel stöhnt auch über das Autohaus und überhaupt über vieles. Wir haben zehn stöhnfreie Jahre hinter uns“, sieht Binder sein Unternehmen allerdings nicht in der Verantwortung für das Wohl oder Wehe des klassischen Reifenfachhandels. Verpflichtet sei Delticom demgegenüber vielmehr seinen Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern, Montagepartnern und Aktionären.
Gleichwohl muss er zugestehen, dass es parallel zur zunehmenden Onlinevermarktung von Reifen zu einer höheren Preistransparenz im Markt gekommen ist. Aber es wäre wohl mehr als unfair, Delticom allein die Schuld dafür zuweisen zu wollen. Zumal es ja gerade einer der Gründe für die gestiegene Beliebtheit und Verbreitung des Mediums Internet ist, dass auf Webseiten an einem Ende der Republik veröffentlichte (Preis-)Informationen eben für jedermann auch am anderen Ende des Landes oder von einem beliebigen Punkt der Welt aus abrufbar sind – sofern dies nicht aus politischen, religiösen oder sonstigen Gründen mittels Zensur unterbunden wird. „Die Schuldfrage hat uns seit mindestens acht Jahren schon nicht mehr beschäftigt“, erklärt Binder in diesem Zusammenhang, auch wenn es so mancher Reifenhändler nicht gern wird hören wollen. Man verfolge einen ganz einfachen bodenständigen Ansatz, der da lautet, dass man „gute Geschäfte vermitteln, weiter Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen“ wolle. Immerhin ist aus dem Zweimannunternehmen inzwischen eine Firma geworden, die sich in Sachen Mitarbeiterzahl „auf die 100“ – 86 davon sollen am Stammsitz in Hannover beschäftigt sein – zubewegt.
Auch daran lässt sich erkennen, dass man sich auch für das elfte und alle folgenden Jahre der Unternehmensgeschichte weiteres Wachstum auf die Fahnen geschrieben hat. Und das sowohl im B2B-Bereich, für den man von einer steigenden Zahl an Onlineshops für Werkstätten und Händler berichten kann, als vor allem natürlich auch im Geschäft mit den Endverbrauchern (B2C). Deshalb wird Binder nicht müde, die aus seiner Sicht bestehenden Vorteile des Onlineshoppings von Reifen für den Verbraucher hervorzuheben. „Der Kunde kann selbst wählen: Es wird ihm nicht irgendein Produkt aufgedrückt, dass gerade am Lager ist“, fällt ihm in diesem Zusammenhang spontan als eines der ersten Beispiele ein. Auch dränge im Onlineshop niemand den Kunden, gleich vier Reifen zu kaufen, wenn vielleicht nur einer aus irgendeinem Grund ersetzt werden muss. Insofern habe Delticom gewissermaßen auch eine „grüne Ader“, wie er es formuliert. Jedenfalls macht sich Binder augenscheinlich keine Sorgen, dass die „stöhnfreien Jahre“ für den Onlinereifenhändler in näherer Zukunft ein Ende haben könnten.
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