Der Anfang vom Ende der Runflats?

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Als gegen Ende vergangenen Jahres bekannt wurde, dass Hans-Rudolf Hein – zu diesem Zeitpunkt noch verantwortlich für den Bereich Reifen und Räder bei BMW – zum Jahreswechsel bei seinem bisherigen Arbeitgeber ausscheiden würde, um fortan für Bridgestone Europe tätig zu sein, hatte die NEUE REIFENZEITUNG die Frage aufgeworfen, ob damit möglicherweise auch ein Umschwenken des Fahrzeugherstellers von seiner bisherigen Linie der konsequenten Ausrüstung seiner Autos mit Notlaufreifen bzw. Runflats verbunden sein könnte. Damals wurde dies verneint, obwohl Hein doch mit Fug und Recht als einer der maßgeblichen Treiber hinter dieser Ausrichtung bei BMW bezeichnet werden kann. Doch seit Kurzem ist nun bekannt, dass der Fahrzeughersteller, der lange Zeit als einziger konsequent alle seine neu vorgestellten Automodelle serienmäßig auf Reifen mit Notlaufeigenschaften ausgeliefert hat, doch zurückrudert.

Schon vor rund einem Monat hatte der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) über seinen VIP-Newsletter darüber informiert, dass BMW bei einzelnen Fahrzeugtypen bzw. Modellen ab dem Herstellungsdatum März 2009 in der Erstausrüstung die Grundausstattung der Bereifung gewechselt hat und Runflat-Reifen seither nur noch optional anbietet. Betroffen davon sind dem BRV zufolge der Einser der Baureihe E 87 (Reifendimensionen: 195/55 R16 87H/V, 195/55 R16 87H M+S, 205/55 R16 91H/V/W, 205/55 R16 91H M+S), der Dreier der Baureihe E 90 (Reifendimensionen: 205/55 R16 91H/V/W, 205/55 R16 91H M+S, 225/50 R16 92V/W, 225/50 R16 92H M+S) sowie der Mini der Baureihe R 56 (Reifendimensionen: 195/55 R16 87H/V, 195/55 R16 87H M+S, 205/45 R17 84V/W, 205/45 R17 84V M+S).

Zwar hat BMW all dies (noch?) nicht offiziell bestätigt. Doch da den bayerischen Autohersteller mit Erstausrüstungsreifen beliefernde Reifenhersteller gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG jedoch mehr oder weniger gleichlautende Angaben gemacht haben, gibt es keinen vernünftigen Grund, an dem Paradigmenwechsel bei dem Fahrzeugproduzenten zu zweifeln. Vielmehr drängt sich eher die Frage auf, was zu dieser Entscheidung geführt hat. Zumal die sich andeutende Abkehr vom Notlaufreifenkonzept bei BMW tatsächlich wohl kaum wirklich mit dem Wechsel eines einzelnen Mitarbeiters erklärt werden kann – wie wichtig auch immer er für das „Projekt Runflat“ bei dem bayrischen Unternehmen gewesen sein mag.

Viel wahrscheinlicher dürften drei ganz andere Gründe dafür verantwortlich sein, dass die drei genannten Fahrzeugmodelle, die seit den Baujahren 2004 (E 87), 2005 (E 90) und 2006 (R 56) ausschließlich auf Runflats ausgeliefert wurden, nunmehr seit März eben teilweise sowohl auf Notlaufreifen als auch auf Standardreifen stehen können, wenn sie vom Band des Herstellers rollen. In Zeiten der Krise fällt einem zunächst sicherlich erst einmal das Kostenargument ein. Für Notlaufreifen muss der Autoproduzent mehr zahlen als für Standardreifen. Doch sollte allein dies den Ausschlag gegeben haben? Kaum, denn dafür wird ja das fünfte (Ersatz-)Rad gespart, und ein Pannenset, das nun im Kofferraum der betroffenen BMW-Modelle auf Standardreifen zu finden sein wird, gibt es ebenfalls nicht umsonst.

Schwerer dürfte da schon der nach wie vor geringere Komfort von Notlaufreifen mit verstärkter Seitenwand wiegen. Denn selbst wenn BMW versucht hat, diesem prinzipiellen Nachteil mit einer entsprechenden Auslegung des Fahrwerkes entgegenzuwirken, so hat dieser Fachzeitschrift gegenüber doch so mancher Händler durchblicken lassen, dass seine Kundschaft mitunter statt der vermeintlich „härteren“ Reifen doch eher der „weicheren“ (Standard-)Bereifung den Vorzug gibt. Wobei freilich hier wieder das Kostenargument mit eine Rolle spielen könnte, denn für seinen Ersatzbedarf muss der Endverbraucher ja schließlich genauso wie der Autohersteller bei der Erstausrüstung einen im Vergleich zum konventionellen Pneu höheren Einkaufspreis einplanen.

Als dritter Grund ist das Thema Rollwiderstandsoptimierung zu nennen bzw. der Umstand, dass Notlaufreifen einen höheren Rollwiderstand aufweisen als Standardreifen. Heutige Runflats seien diesbezüglich zwar „besser als man denkt“, in Bezug auf konventionelle Reifen bezifferte Dr. Bernd Löwenhaupt, Direktor der Pkw-Reifenentwicklung bei der Goodyear Dunlop Tires GmbH, ihr Plus in Sachen Rollwiderstand dennoch mit einem Wert „zwischen drei und fünf Prozent“. Zu viel angesichts der derzeit die Automobilbranche beherrschenden Jagd nach niedrigen Kohlendioxidemissionen und damit verbunden einem möglichst niedrigen Rollwiderstand?

Abgesehen davon, welcher Grund nun letztlich der tatsächlich ausschlaggebende war, drängt sich vor allem aber eine ganz andere Frage auf: Hat das Runflat-Konzept nun überhaupt noch eine Zukunft, nachdem sich mit BMW der einzige Autohersteller – jedenfalls teilweise – von der serienmäßigen Ausrüstung seiner Fahrzeuge mit Notlaufreifen verabschiedet hat? Oder ist das schon der Anfang vom Ende? Sagen Sie uns doch einfach, wie Sie die Sache sehen. Denn darum geht es diesmal bei der Frage des Monats auf unseren Internetseiten unter www.reifenpresse.de.

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