Gelbe Gefahr – Conti warnt vor Risiken durch Billigreifenimporte

Seine fast schon traditionelle „WinterRoadShow“ hat der Reifenhersteller Continental in diesem Jahr weniger dazu genutzt, die eigenen Produkte in besonderem Maße in den Vordergrund zu rücken, als vielmehr vor den Gefahren zu warnen, die von importierten Billigwinterreifen aus Fernost ausgehen können. Zwar hätte das Unternehmen angesichts des guten Abschneidens von Conti-Reifen bei den jüngsten Winterreifenvergleichstests der Automobilklubs, AutoBild, Auto Motor und Sport sowie dergleichen genügend Anlass zur Freude, doch treibt den Reifenhersteller offenbar die Angst um, dass der zunehmende Marktanteil sogenannter Billigwinterreifen aus dem asiatischen Raum die eigenen Bemühungen um mehr Sicherheit im Straßenverkehr konterkariert. Da ist es wohl mehr als nur purer Zufall, dass man gerade am europäischen „Tag der Straßensicherheit“ zur „WinterRoadShow“ zum Contidrom nach Jeversen eingeladen hatte.

So hebt denn auch Nicolai Setzer, Leiter Pkw-Reifenersatzgeschäft Europa und Afrika bei der Continental AG, die „Technologieexpertise“ des Konzerns und dessen Fokussierung auf das Thema Sicherheit im Allgemeinen sowie die sicherheitsrelevanten Eigenschaften von Reifen im Besonderen hervor. Dass man dabei im Hause auch auf Know-how rund um Bremsen oder Sensoren zurückgreifen kann, sieht er als Vorteil. „Wir sind das einzige Unternehmen, das alles unter einem Dach bieten kann“, meint Setzer. Dass man im europäischen Erstausrüstungsgeschäft einen Marktanteil von nach eigenen Aussagen mehr als 30 Prozent vorweisen kann, wertet Setzer dabei als Indiz dafür, dass der Zulieferer bezogen auf das Thema Reifen die Anforderungen der Automobilhersteller „besser als alle anderen Premiumreifenhersteller“ erfüllen könne. Und im Ersatzgeschäft nutze man das Mehrmarkenportfolio sehr erfolgreich, um den Handelspartnern je nach Anforderungen sehr flexibel regional unterschiedliche Marken- und Produktkombinationen anzubieten.

„Unser Markenportfolio zeichnet sich durch eine klare Positionierung der einzelnen Marken sowie der sehr flexiblen Kombination einzelner Marken und damit auch einzelnen Produktlinien aus“, erklärt Setzer. „Unsere Hauptmarke Continental steht dabei für Ausgewogenheit auf höchstem Niveau mit besonders guten Sicherheitsreserven, die Budgetmarke Barum ist auf hohe Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Je nach Marktanforderung und Händlerwunsch setzen wir in Westeuropa die Regenreifenmarke Uniroyal sowie die Marke Semperit für die alpinen Regionen ein, in Nordeuropa und Russland nutzen wir die starken nordischen Regionalmarken Gislaved und Viking sowie in Osteuropa die slowakische Marke Matador“, fügt er hinzu. Dabei will er die eigenen Budgetmarken nicht in einen Topf mit den kritisierten Billigimporten aus Fernost geworfen wissen, die seinen Worten zufolge in zunehmender Zahl in den Markt gedrückt werden und eklatante Sicherheitsmängel – insbesondere auf nasser Fahrbahnen – aufweisen.

Wie Setzer sagt, ist der Anteil an Budgetreifen im europäischen Pkw-Winterreifenersatzmarkt von 26,4 Prozent im Jahr 2000 auf 30,0 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen, während umgekehrt Reifen aus dem Premium- bzw. dem sogenannten Quality-Segment gleichzeitig an Marktanteilen eingebüßt haben. „Wir wollen der Öffentlichkeit mitteilen, dass es nicht der richtige Trend ist, wenn der Anteil von Reifen mit weniger Technologie im Markt zunimmt. Das kann doch nicht das Ziel sein“, meint Setzer auch mit Blick auf die seitens der EU geplante Einführung eines Labels, das Reifen zukünftig hinsichtlich ihres Rollwiderstandes und ihres Nassgriffes kennzeichnen soll. Conti unterstütze dies zwar prinzipiell, kritisiert jedoch den bisher vorliegenden Vorschlag für das Reifenlabel. „Wenn dieses Label eine relevante Entscheidungshilfe für die Kaufentscheidung von Reifen sein soll, muss es auch eine gleichwertige Gewichtung dieser zwei Eigenschaften vornehmen. Eine einseitige Höhergewichtung oder differenziertere Abstufung von Rollwiderstandsklassen würde dagegen nur die Billigimportreifen begünstigen. Die eklatanten Sicherheitsmängel dieser Produkte zum Beispiel beim Nassgriff sind hinlänglich bekannt und werden bei jedem Reifentest der führenden Testmagazine bestätigt“, gibt Setzer zu bedenken.

Continental schlägt daher ein Label mit jeweils vier Klassen vor. Darüber hinaus bestehen nach seinen Worten zahlreiche Fragen zur konkreten Umsetzung des Labels, die von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht übertragen werden müssen. „Ein solches Label auf jedem Reifen anzubringen, ist aus unserer Sicht nur ein zusätzlicher Aufwand, der keinen Nutzen hat, denn die Reifenkäufer bekommen die Reifen ja nur in den seltensten Fällen vor der Montage im Fachhandel zu sehen. Entsprechende Informationen in den Verkaufsräumen wären hier deutlich zielführender“, verdeutlicht er den Conti-Standpunkt. Ziel müsse sein, im Sinne der European Road Safety Charter, in der die EU-27-Staaten festgeschrieben haben, bis 2010 die Zahl der Verkehrstoten auf europäischen Straßen auf 25.000 reduzieren zu wollen, das Premiumsegment wieder zu stärken und zu entwickeln. „In der Schweiz beispielsweise korrespondiert der mit 48 Prozent sehr hohe Anteil des Premiumsegmentes mit der sehr geringen Zahl an Verkehrstoten pro Jahr (49), was auf ein besonders hohes Sicherheitsbewusstsein zurückzuführen sein muss“, erläutert Setzer den dahinter stehenden Denkansatz.

Darüber hinaus zählen für Conti auch solche Dinge wie Reifendruckkontrollsysteme, Fahrerassistenzsysteme à la ESC bzw. ESP (Electronic Stability Control = Elektronische Stabilitätskontrolle) oder LDW (Lane Departure Warning, Spurhalteassistent) zu den Bemühungen um mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Und die sollten natürlich möglichst nicht durch Billigreifenimporte gleich wieder zunichtegemacht werden. Dass diese meist aus Fernostproduktion stammenden Reifen tatsächlich der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer nicht gerade förderlich sind, dafür liefern vor Kurzem durchgeführte Versuche der DEKRA den Beleg. Die Prüforganisation hat dabei untersucht, wie sich durch qualitativ bessere oder schlechtere Reifen bedingte unterschiedliche Aufprallgeschwindigkeiten bei einem Unfall auswirken können. „Die Montage von Billigreifen kann bei einer Kollision schwerste Verletzungen für die Fahrzeuginsassen – besonders für den Fahrer – zur Folge haben“, fasst Walter Niewöhner, Fachgebietsverantwortlicher Unfallforschung bei der DEKRA das Ergebnis zusammen.

Im Vorfeld der Versuche hat die Prüforganisation zunächst eruiert, dass rund 50 Prozent aller Unfälle Kollisionen zwischen Pkw und/oder Lkw auf nasser Straße sind und die mittlere Kollisionsgeschwindigkeit dabei 58 km/h beträgt. Für den Crashtest unter diesen Bedingungen hat die DEKRA daher die Kollision von zwei identischen Fahrzeugen (Audi A4, Modell B6, Baujahr 2000) mit unterschiedlicher Bereifung unter den üblichen Standardbedingungen gewählt. Deren Alter wurde so gewählt, dass es dem durchschnittlichen Alter des deutschen Fahrzeugbestandes entspricht. Eines der Fahrzeuge wurde mit 58 km/h gegen das stehende Hindernis gelenkt, das andere mit 68,8 km/h. „Das entspricht den Folgen einer um 24 Prozent reduzierten Bremskraft durch qualitativ schlechte Importbereifung als Mittelwert, den wir aus internen Tests und den Testergebnissen führender Fachmagazine ermittelt haben“, begründet Dr. Andreas Topp, Leiter Technical Benchmark bei der Continental AG, diesen Ansatz „Die Geschwindigkeitsdifferenz macht dabei 10,8 km/h aus – ein für die Unfallfolgen bereits deutlicher Unterschied“, ergänzt Niewöhner. Der Crashtest wurde demnach exakt nach der ECE-P 94-Norm mit einer Überdeckung von 40 Prozent sowie mit einem Fahrer- und Beifahrer-Dummy durchgeführt.

„Wie zu erwarten, verformten sich beide Fahrzeuge deutlich – allerdings waren die Folgen für die Insassen höchst unterschiedlich. Während beim Fahrzeug mit der Premiumbereifung die A-Säule, die Dachkante, Türkante und Schweller sowie die B-Säule des Fahrzeuges intakt blieben und der Fahrzeuginnenraum kaum verringert wurde, traten bei dem Vergleichs-Pkw mit Billigbereifung folgenschwerere Unfallschäden auf“, so der DEKRA-Unfallforscher. Durch die stärkere Verformung der A-Säule, der Dachkante und auch im Bereich des Türschwellers wäre die Tür des Autos mit den Billigreifen von den Fahrzeuginsassen kaum zu öffnen gewesen – es hätte eine dem Gewicht von über 60 Kilogramm entsprechende Zugkraft aufgebracht werden müssen. „Noch gravierender für die Insassen wären die Folgen durch die höhere Aufprallgeschwindigkeit gewesen“, verdeutlicht Niewöhner, der zugleich darauf hinweist, dass die jüngsten DEKRA-Versuche die ersten ihrer Art gewesen seien, die den Einfluss der Bereifung auf die Folgen eines Unfalles beleuchten.

Die Folgen für die Insassen wurden dabei durch die bekannten Dummies bestimmt, wobei den damit gemessenen Belastungen zufolge für Personen in dem besser abgebremsten Wagen ein nur geringes Verletzungsrisiko bestand. Gurte und Airbag haben die Beschleunigung sicher abgefangen, heißt es. Weniger Glück hätten demgegenüber wahrscheinlich die Insassen des zweiten Wagens mit den Billigreifen gehabt. Für sie bestand laut den DEKRA-Tests ein hohes Verletzungsrisiko durch die Belastung im Becken- und Oberschenkelbereich – besonders für den Fahrer wären irreparable Folgeschäden nicht unwahrscheinlich gewesen. Niewöhner zählt als Beispiele eine möglicherweise nötige Hüftprothese sowie eine Milzruptur auf. „Da im Versuch zwei qualitativ hochwertige Pkw mit für das Baujahr 2000 überdurchschnittlich guten Crashtest-Werten verwendet wurden, wären die Folgen für Besitzer von preiswerteren Wagen mit niedrigeren Sicherheitsstandards mit Sicherheit deutlich schlimmer ausgefallen“, befürchtet er.

Sogar noch schwerer seien die Folgen, wenn ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer in solche Unfälle verwickelt werden. „Wenn ein Wagen mit sehr preiswerten Importreifen aus Ostasien im Gefahrenfall bremst, benötigt er schon bei Geschwindigkeiten von rund 55 km/h rund acht Meter mehr Bremsweg als ein Pkw mit modernen europäischen Reifen“, erläutert Dr. Topp. Wenn ein Fahrzeug bei einer Bremsung aus dieser Geschwindigkeit mit Premiumreifen bereits stehe, sei ein Auto mit Billigpneus noch mit einer Restgeschwindigkeit von 30 km/h unterwegs. Wie solch eine Kollision dann ausgehen kann, hat Conti im Rahmen der „WinterRoadShow“ auf dem Contidrom mittels eines Live-Crashtestes demonstriert. Die Folgen für einen realen Fahrradfahrer statt eines Dummies wären in einem solchen Fall tragisch gewesen, wie Niewöhner erläutert. „In rund 70 Prozent aller Fälle kommt es in einer solchen Situation zu schweren Verletzungen. Noch dramatischer: Für über zehn Prozent der Fahrradfahrer verlief die Kollision mit einem Pkw, der eine Geschwindigkeit von 30 km/h hatte, sogar tödlich“, weiß er zu berichten.

Vor diesem Hintergrund warnen Conti und DEKRA eindringlich vor der Montage sogenannter Billigreifen aus Fernost, deren Entwicklungsstand Topp auf den von vor 20 Jahren schätzt. Die Risiken stünden jedenfalls in keinem Verhältnis zu der finanziellen Einsparung, die ihre Anschaffung auf den ersten Blick mit sich bringen mag, verdeutlicht er. Um den zum Conti-Testgelände eingeladenen Gästen die Unterschiede zwischen Premium- und Billigwinterreifenimporten praxisnah vor Augen zur führen, wurde ihnen die Gelegenheit geboten, sie mit – abgesehen von der Bereifung – identischen Fahrzeugen auf einem Nasshandlingkurs und durch Nassbremsversuche im wahrsten Sinne des Wortes selbst zu erfahren. Dazu standen jeweils mit dem „ContiWinterContact TS830“ bzw. dem exemplarisch ausgewählten Federal „Himalaya“ ausgerüstete Autos zu Verfügung. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, kann wohl behauptet werden, dass danach für jeden Teilnehmer an der diesjährigen „WinterRoadShow“ die Conti-Warnung vor der „gelben Gefahr“ nachvollziehbar gewesen sein dürfte.

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