H.-J. Nikolin zur Mehrheitsbeteiligung an Continental Matador
Dr. Hans-Joachim Nikolin ist im Continental-Vorstand eigentlich für den Bereich Nutzfahrzeugreifen verantwortlich. Dennoch hat er im Rahmen der Aufgabenverteilungen des Vorstands maßgeblich die Verhandlungen über die Bildung des auch das Pkw-Reifen-Geschäft beinhaltenden Jointventures mit der slowakischen Matador-Gruppe, die zur Gründung der Continental Matador Rubber s.r.o. geführt haben und an der Continental mit 51 Prozent die Mehrheit hält sowie die operative Führung inne hat, bis zum Abschluss geführt. Schließlich ist Nikolin auch für das seit 1998 bestehende Jointventure im Bereich Lkw-Reifen verantwortlich, an dem die Hannoveraner einen Anteil von 76 Prozent und die Slowaken von 24 Prozent halten und das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Pkw-Reifenfertigung in Puchov beheimatet ist. Dr. Nikolin hat sich im Rahmen einer Pressekonferenz, die wenige Tage nach Inkrafttreten des neuen Jointventures in Puchov erfolgte, für einige Fragen der NEUE REIFENZEITUNG exklusiv zur Verfügung gestellt.
NRZ: Herr Dr. Nikolin, mit der Mehrheitsbeteiligung am Pkw-Reifengeschäft Matadors sind Continental auch zwei Jointventures, die ihr Partner Matador schon vor längerer Zeit eingegangen ist, gewissermaßen in den Schoß gefallen: die Matador Omskshina in der russischen Stadt Omsk und Addis Tyre in Äthiopien. Was wird aus diesen Beteiligungen?
H.-J. NIKOLIN: Beide Jointventures sind völlig unterschiedlich gelagert. Relativ einfach sind die Verhältnisse bei der Matador Addis Tyre in Addis Abeba, dort hält Matador die klare Majorität, der äthiopische Staat ist Minderheitsgesellschafter. An der 1996 gegründeten Matador Omskshina haben sich unser Partner Matador mit 50 Prozent beteiligt, die anderen 50 Prozent hält die russische Sibur-Gruppe. Jetzt muss geklärt werden, wer die industrielle Führerschaft an diesem Pkw-Reifenwerk in Omsk innehaben soll. Continental strebt diese Führerschaft an, aber wir wissen noch zu wenig von den Absichten, die der Sibur-Konzern verfolgt. (Sibur hat neben dieser Jointventure-Fabrik vier weitere Reifenproduktionsstätten in Russland, d. Red.)
NRZ: Ein Engagement bei Sibur könnte doch für Continental im Bereich Pkw-Reifen eine prima Ergänzung sein: Bei Lkw-Reifen hat Continental mit dem Aufbau einer Fabrik für Nizhnekamskshina im großen und so vielversprechenden russischen Markt ja bereits einen Fuß in der Tür.
H.-J. NIKOLIN: Das ist ein vollständig andersartiges Projekt. Für Nizhnekamskshina bzw. den Mutterkonzern Tatneft ist Continental Engineering-Partner, wir helfen dem Unternehmen beim Aufbau einer Lkw-Reifenfabrik und stellen in einem vertraglich fixierten Umfang Technologie bzw. Know-how zur Verfügung. Eine Beteiligung Continentals an der im Aufbau befindlichen Fabrik bzw. an der J.S.C. Nizhnekamskshina existiert nicht und das Projekt ist insofern mit dem Jointventure Omskshina auch nicht vergleichbar. Aber wir wissen, dass wir Lkw-Reifen vor Ort produzieren müssen, wollen wir in diesem Segment in Russland eine ernsthafte Rolle spielen. Bei Pkw-Reifen wäre übrigens eine Fertigung im Lande bis zu einer bestimmten Größenordnung nicht zwingend erforderlich, wie unsere aktuellen Erfolge mit importierten Reifen zeigen.
NRZ: Continental hat die Übernahme der Mehrheit an der Pkw-Reifenfertigung Matadors am Standort Puchov auch damit begründet, größere Fertigungskapazitäten an kostengünstigen Standorten anzustreben. Nun haben zur Auslastung dieser Matador-Fabrik in der Vergangenheit auch immer Off-take-Vereinbarungen beigetragen, so für Vredestein, Nokian oder Marangoni. Was wird damit?
H.-J. NIKOLIN: Noch von Matador eingegangene vertragliche Verpflichtungen werden wir selbstverständlich erfüllen. Aus heutiger Sicht erscheinen mir neue ähnliche Off-take-Vereinbarungen für diese Fabrik wenig wahrscheinlich. (Bei einer späteren Werksbesichtigung waren auch bereits die ersten Reifen aus dem Continental-MehrMarken-Portfolio in der Fertigung zu sehen, d. Red.)
NRZ: Der Continental-Vorstandsvorsitzende Manfred Wennemer hat gesagt, man prüfe noch, ob weiterhin Motorsportreifen in Puchov entwickelt und gefertigt werden sollen. Deutet sich da nach vielen Jahren eine Rückkehr Continentals in den Motorsport an?
H.-J. NIKOLIN: Diese Prüfung der Matador-Rennsportaktivitäten ist tatsächlich noch nicht abgeschlossen. Aber heute lässt sich bereits sagen, dass eine Rückkehr unter dem Markennamen Continental kaum vorstellbar ist. Falls das Motorsportengagement fortgesetzt wird, wird sicherlich Matador auf der Seitenwand der Reifen stehen.
NRZ: Einige aktuelle und durchaus bedeutende Matador-Kunden im Fachhandel sind besorgt und fragen sich, wie es für sie in der neuen Konstellation weitergeht.
H.-J. NIKOLIN: Das Matador-Geschäftsmodell ist äußerst erfolgreich und wir sind gut beraten, an diesen gewachsenen Strukturen festzuhalten. Wir haben im Zusammenhang mit dem jetzt geschmiedeten Jointventure immer wieder betont, die Eigenständigkeit der Marke Matador nicht antasten zu wollen. Und das gilt im Prinzip für alle Märkte, auf denen Matador vertreten ist. Die Marke hat durchaus weiteres Entwicklungspotenzial. Freilich schauen wir, ob es im administrativen Bereich Einsparpotenzial gibt, das allerdings für den Kunden nicht sicht- und wahrnehmbar ist. Auch würde uns keiner abnehmen, wenn wir behaupten, es fände keine strategische Preisabstimmung mit den anderen Konzernmarken statt.
NRZ: Und wie steht es mit Matador als Erstausrüstungsmarke?
H.-J. NIKOLIN: Wie fast alle Wettbewerber auch, versuchen wir aus guten Gründen die Erstausrüstung auf eine Marke zu fokussieren, und die heißt bei uns Continental. Wir sehen sehr wohl, dass Matador gerade in einigen osteuropäischen Ländern eine hohe Reputation bei Fahrzeugherstellern hat. Mittel- und langfristig werden wir dennoch versuchen, Erstausrüstungsaufträge auf unsere Hauptmarke umzuswitchen. Aber wir wissen, dass es immer wieder durchaus nachvollziehbare regionale und/oder historische Gründe geben kann, Ausnahmen von dieser Grundausrichtung zuzulassen. Wie lange Matador Erstausrüstungsmarke sein wird, ist auch eine Entscheidung unserer Kunden.
NRZ: Continental hat 51 Prozent an dem Jointventure, das am 2. November in Kraft getreten ist. Wann wird die Familie Rosina, die der Hauptgesellschafter Matadors ist, weitere Anteile an Continental verkaufen?
H.-J. NIKOLIN: „Continental hat das Recht, schrittweise weitere 49 Prozent der Anteile zu kaufen, während Matador die Möglichkeit hat, jederzeit weitere 49 Prozent der Anteile an Continental zu verkaufen.“ So steht es bei uns nachzulesen im Zwischenbericht des Unternehmens zum 30.6.2007. Weitere Beschlüsse zu diesem Thema gibt es zur Zeit nicht.
NRZ: Bei diesem Jointventure geht es ja nicht nur um Pkw-Reifen, sondern auch um Transportbänder und schließlich um Maschinen und Anlagen, die bislang beide Unternehmen für die Kautschuk- und vor allem für die Reifenindustrie fertigen. Continentals Formen- und Machinenfabrik (FMF) ist dabei bezogen auf den Umsatz mit mehr als hundert Millionen Euro in etwa doppelt so groß wie Matadors Machinery-Aktivitäten. Welche Auswirkungen hat die Akquisition für diesen Geschäftsbereich?
H.-J. NIKOLIN: Die Formen für den Reifenbau hat FMF fast ausschließlich für konzerneigene Fabriken hergestellt, aber sehr weitgehend sind auch die sonstigen bei FMF entwickelten und gebauten Maschinen im eigenen Hause geblieben. Matador hatte da eine andere Strategie und auch stärker Maschinen für die Reifenfertigung an externe Kunden verkauft. Selbstverständlich ohne Produktionsgeheimnisse aus der Hand zu geben, soll sich mit der Integration des Maschinen- und Anlagenbaugeschäfts von Matador die Conti Machinery stärker öffnen und sich auch vermehrt um Aufträge von Fremdunternehmen bewerben. Auch in diesem Bereich wollen wir erreichen, dass beide Seiten von dem Gemeinschaftsunternehmen einen konkreten Nutzen haben.
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