Hankook: Die Großen sollten hinter sich blicken
Hankook Tire gehört nicht nur zu den ambitioniertesten Unternehmen der Reifenbranche, wie hochrangige Hankook-Vertreter immer wieder betonen. Der aus Korea stammende Reifenhersteller kann sich bei der Verfolgung seiner globalen Ziele offenbar auch nicht über fehlenden Erfolg beklagen. Die Umsätze steigen deutlich schneller als die Märkte wachsen, die neue Fabrik in Ungarn kommt langsam auf Touren und scheint die Auseinandersetzung mit den Arbeitnehmern hinter sich zu lassen, in Reifentests erhalten die Hankook-Produkte stets gute Kritiken und Empfehlungen und die Marke etabliert sich mehr und mehr auf den wichtigen Märkten in Europa – Hankook entwickelt sich zu einem wahrlich internationalen Unternehmen mit einer international etablierten Marke. Bei aller globaler Ambitioniertheit fußt der Erfolg des Herstellers dabei nicht unwesentlich auf die feste Verankerung auf dem heimischen südkoreanischen Reifenmarkt. Im Rahmen eines Ortstermins in Korea führte Hankook Tire vor, warum die Großen der Branche einen Blick hinter sich werfen sollten.
Wer heute Menschen aus dem Management von Hankook Tire begegnet, wird selten im Zweifel über die Ambitionen des Reifenherstellers gelassen. Während das koreanische Unternehmen derzeit noch achtgrößter Reifenhersteller weltweit ist (nach Berechnungen der NEUE REIFENZEITUNG in Euro; vgl. Ausgabe 6/2007), will man schon bald zum Verfolgerfeld der Top-3 der Branche gehören und die japanische Konkurrenz um Sumitomo, Yokohama und Toyo hinter sich lassen. Derzeit – so wird in Veröffentlichungen immer wieder betont – ist Hankook Tire einer der nach Umsatz und Absatz am stärksten wachsenden Reifenhersteller der Welt. Auch für 2008 prognostizierte Hankook jüngst wieder ein zweistelliges Wachstum. Und es ist die Welt insgesamt, auf die es der Hersteller abgesehen hat. „Wir wollen unser Geschäft globalisieren und weltweit operierender Reifenhersteller werden“, sagt etwa Cho Hyun-Bum, der als CSO und CFO im Hankook-Hauptquartier in Seoul für die Strategieplanung und die Finanzen zuständig ist und gleichzeitig zur Inhaberfamilie des Unternehmens gehört. Auch der im März dieses Jahres vom Europapräsidenten des Herstellers zu dessen Präsidenten und CEO aufgestiegene Suh Seung-Hwa lässt keinen Zweifel an den Zielen, die er und sein Managementteam im Hauptquartier und den fünf regionalen Hauptquartieren Korea, China, Europa, Nordamerika und Lateinamerika (inklusive Afrika, etc.) verfolgen: „Wir wollen ein führendes Unternehmen im Markt werden, dabei planen wir nicht kurzfristig.“
Korea – ein zweigeteilter Markt
Bei diesen Ambitionen müssen die Verantwortlichen in Korea sich immer wieder daran erinnern, dass sie global nicht so auftreten können, wie sie dies von ihrem Heimatmarkt gewohnt sind. Es kann dabei nicht darum gehen, sich in Europa und andernorts allzu bescheiden zu geben, während man zu Hause mit einem Marktanteil von 44,7 Prozent protzen kann, ein Marktanteil übrigens, der innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre sogar auf 50 Prozent ausgebaut werden soll. Aber ein Marktanteil von geschätzten fünf Prozent in Europa erlaubt es Hankook Tire eben nicht, Vorteile aus einer marktbestimmenden Position zu ziehen. Und diese Position hält Hankook Tire in Südkorea mehr als deutlich.
Neben Hankook mit einem Marktanteil von 44,7 Prozent fällt Wettbewerber Kumho die Rolle des ersten Verfolgers zu. Kumho kann immerhin noch über einen Marktanteil von 36,9 Prozent verfügen (nach Angaben Hankooks). Eine solche Marktsituation ist uns Europäern völlig fremd, kommt hierzulande doch kaum eine Marke über einen Marktanteil von zehn Prozent hinaus, wobei dies konzernweit natürlich etwas anders aussieht. Neben den beiden Marktführern in Korea, die unter sich also 81,6 Prozent des früher weitestgehend geschlossenen Marktes aufteilen können, kann die Nummer drei des Landes Nexen Tire noch über 8,5 Prozent des Reifenmarktes verfügen; Importreifen machen dann noch 9,9 Prozent aus. Auf dem heimischen koreanischen Markt hat Hankook also nur einen einzigen richtigen Wettbewerber: Kumho. Der Nummer zwei des heimischen Marktes werde allerdings international – und das heißt zu allererst Europe und auch China – der Status eine Wettbewerbers nicht zugebilligt, so Cho Hyun-Shick. Der Chief Marketing Officer (CMO) – älterer Bruder von Cho Hyun-Bum – des Unternehmens sagt, Kumho sei auf diesen für Hankook ebenfalls überaus wichtigen Reifenmärkten „auf einer anderen Ebene“ tätig. Das Selbstverständnis, nicht nur daheim Marktführer im Vergleich zu Kumho zu sein, wird auch aus den Umsatzkennzahlen genährt. Demnach erwirtschaftet Hankook, das im vergangenen Geschäftsjahr (2006) einen Umsatz in Höhe von 2,3 Milliarden Euro melden konnte, allein 31,7 Prozent davon auf seinem Heimatmarkt, was rund 730 Millionen Euro entspricht, während Kumho daheim gut eine halbe Milliarde Euro umsetzt.
In einer solchen „bipolaren Welt“ lässt es sich natürlich anders agieren, als dies etwa unter europäischen Wettbewerbsbedingungen möglich wäre. So kann Hankook Tire etwa nicht einfach sein in Korea (und neuerdings auch in China) überaus erfolgreiches Retail-/Distribution-Netzwerk „T-Stations“ auf Europa übertragen. In den derzeit gut 140 T-Stations in Korea (30 davon allein in Seoul, der koreanischen Hauptstadt) werden etwa keinerlei Fremdfabrikate vermarktet. Wie bei einem Besuch in einem T-Station-Outlet in Seoul deutlich wird, ist dort alles auf die Vermarktung der Hauptmarke Hankook sowie auf die Vermarktung von Leichtmetallrädern der 100-prozentigen Hankook-Tochter ASA ausgelegt. Wie Yu Keun-Man, Manager der in Hankook-Eigentum befindlichen „Platinum T-Station“ erläutert, kämen Anfragen nach Fremdfabrikaten zwar vor, seien allerdings absolut die Ausnahme.
Man darf auch erwarten, dass Hankook als Investor in eine solche T-Station möglichst viele Reifen aus dem eigenen Hause verkaufen möchte, schließlich liegen die Investitionskosten – ohne Grundstück – bei manchmal über eine Million Dollar. Für das Grundstück der besichtigten T-Station, die im teuersten Bezirk Seouls liegt, könne man leicht weitere fünf Millionen Dollar rechnen. Dabei fehlt es in der Platin-Version der T-Station an nichts: Montagemaschinen von Corghi, Auswuchtmaschinen von Hunter oder eine Laser-Achsvermessung, die ebenfalls von Hunter stammt. Während die Kunden in einer großzügig eingerichteten Lounge auf Ledersesseln warten, sind Kaffee sowie die Internetnutzung kostenlos. Dass während der mit „kurz“ umschriebenen Wartezeit der Blick auf das angebotene Zubehörsortiment freibleibt und – so die Hoffnung – die Kauflust weckt, dafür sorgt eine offene Raumaufteilung. Auch die Öffnungszeiten kommen dabei dem urbanen Reifenkäufer in Korea sehr entgegen: an sieben Tagen die Woche bis 20 Uhr.
Neben den T-Stations betreibt Hankook in Korea noch ein weiteres Netzwerk: Unter der Bezeichnung „Tyre Town“ bieten Franchise-Nehmer an rund 200 Standorten ebenfalls Hankook-Produkte an; abgerundet wird das Ganze durch einen weiteren Absatzkanal: Auch die so genannten TBX-Outlets (steht für: Truck and Bus Express) vermarkten nur Hankook-Produkte.
Dass Hankook in Europa eine entsprechende Stellung in einem Absatzkanal erreichen kann, ist natürlich unmöglich. Folglich legt man hierzulande auch einen größeren Wert auf eine diversifizierte Absatzstrategie, in der aber nicht zuletzt das so genannte „Hankook Masters Program“, zu dem derzeit knapp 2.000 Outlets in ganz Europa zählen. Einer der ersten Schritte, mit dem die Masters-Outlets noch weiter in den Mittelpunkt der Absatzstrategie des koreanischen Herstellers gerückt werden soll, ist die Schaffung einer „eigenständigen Identität der verschiedenen Shops in Europa“, so Suh Seung-Hwa, Präsident und CEO des Konzerns, im Interview mit der NEUE REIFENZEITUNG. Man wolle die „Sichtbarkeit der Marke steigern“, so Suh weiter. Insgesamt, so zeigt sich der oberste Topmanager des Unternehmens überzeugt, müsse Hankook „auf der Vertriebsebene unsere Geschäfte verbessern“, will man ein bedeutender internationaler Reifenhersteller werden. Das Masters-Programm soll unterdessen in Europa weiter an Teilnehmern gewinnen. Auch sei ein „Ausbildungsplan für Distributeure von High-Performance-Reifen“ in Arbeit. Vertriebspartner in Europa sollen dahingehend unterrichtet werden, dass sie künftig als „Markenbotschafter der Marke Hankook“ (Cho Hyun-Shick) die technologischen Innovationen und deren Nutzen für die Endverbraucher noch stärker transportieren mögen.
Es ist gerade die Vertriebsebene, die von Hankook-Verantwortlichen immer wieder in den Vordergrund der aktuellen Bemühungen gerückt wird. Die Produktqualität stimmt; Reifen von Hankook können sich ohne Weiteres mit den Produkten der Großen der Branche messen lassen, darin sind sich alle Beobachter einig, was schließlich auch von unabhängiger Seite immer wieder in den Sommer- und Winterreifentests bestätigt wird. „Vor zehn Jahren waren wir noch eine Budgetmarke mit mittlerer Qualität und billigen Preisen“, so Chief Marketing Officer Cho Hyun-Shick gegenüber dieser Zeitschrift. Dieses Marktsegment der Billigreifen habe man seither verlassen und befinde sich derzeit im Segment, das der Marketingmann mit „value for quality“ umschreibt; Hankook biete derzeit also Qualitätsreifen zu einem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis, so die inhaltliche Übersetzung. Dass sich dies auch auf die weltweit durchsetzbaren Preise niederschlägt, zeige sich deutlich. Vor drei bis vier Jahren lagen Hankooks Reifen noch bei rund 70 Prozent im Vergleich zu Michelin, der globalen Referenzmarke. Heute, erläutert Präsident und CEO Suh weiter, liege man bereits bei 80 Prozent. Solche Angaben ließen sich allerdings immer nur allgemein formulieren und könnten von Markt zu Markt (stark) abweichen. Hankook will aber nicht nur seine Vertriebsstrukturen weltweit ausbauen und gleichzeitig das Image der Budgetmarke weit hinter sich lassen. Hankook muss dies auch tun, schließlich investiert der koreanische Hersteller große Summe in den Ausbau seiner Produktionsstätten – und somit die Erweiterung des Outputs – und die Qualität seiner F&E-Abteilungen weltweit.
Allein die neue Fabrik in Ungarn verschlingt dem Unternehmen zufolge rund 520 Millionen Euro, wobei die Regierung des Landes dem Großinvestor eine stattliche Unterstützung in Höhe von 20 Prozent zugesagt hat. Wenn die neue Fabrik ab Anfang 2011 unter Volllast fertigt, muss bzw. kann das Unternehmen weitere zehn Millionen Pkw-Reifen weltweit vermarkten.
Darüber hinaus investiert Hankook derzeit kräftig in die Erweiterung einer seiner beiden in Korea ansässigen Reifenfabriken. Die Fabrik in Geumsan hat derzeit einen jährlichen Output von 16 Millionen Reifen, wozu 7,8 Millionen herkömmliche Pkw-Reifen sowie 6,4 Millionen UHP-Reifen wie auch Llkw- und Lkw-Reifen zählen. Was angesichts der umfangreichen Berichterstattung über die neue Ungarn-Fabrik kaum öffentlich gemacht wurde, ist, dass Hankook in Geumsan seit diesem Jahr rund 250 Millionen US-Dollar in die Erweiterung der bestehenden UHP-Kapazitäten investiert. Wie Vertreter der 1996 in Betrieb genommenen Fabrik bei einer Werksführung mitteilen, soll die Produktion von UHP-Reifen in Geumsan von derzeit 18.000 Einheiten auf dann 30.000 Einheiten täglich ausgebaut werden (+60 Prozent). Dies entspricht einer zusätzlichen jährlichen Produktion von vier bis fünf Millionen Reifen, die ab Ende 2009 zur Verfügung steht; in Geumsan wird an 351 Tagen im Jahr im Dreischichtbetrieb gefertigt. Bereits jetzt zum Ende dieses Jahres verfügt Hankook Tire in seinen fünf Werken (zwei in Korea, zwei in China, Ungarn) über eine Produktionskapazität von 67 Millionen Reifen. Auch in den drei bisher nicht erwähnten Fabriken werden die Kapazitäten dem Hersteller zufolge kontinuierlich ausgebaut.
Hankook und die Erstausrüstung
Diese zusätzlichen 15 Millionen Reifen – Ungarn und Geumsan – müssen eben erst einmal verkauft werden. Dass in diesem Zusammenhang Aufträge aus der Erstausrüstung gut zupass kommen, versteht sich. Zu Hankooks Kunden in der Erstausrüstung zählen heute schon Volkswagen, Opel, Ford, Renault, Volvo, Smart, Hyundai, Kia und Daewoo. Erst vor einem Jahr sorgte der koreanische Hersteller mit der Meldung für Aufsehen, man werde Reifen für den Audi A6L, den A6 und den A4 liefern, wenn auch für die Produktion in China. Dies könne „ein Sprungbrett für Europa“ sein, so Strategie- und Finanzchef Cho Hyun-Bum im Interview mit der NEUE REIFENZEITUNG.
In Europa vermarktet Hankook derzeit rund 15 Millionen Reifen, knapp drei Millionen davon landen bei den Kunden in der Automobilindustrie. Für Hankook ist Deutschland im Übrigen der wichtigste europäische Markt, verkauft man dort doch allein rund fünf Millionen Reifen, so die Schätzung der Redaktion; 20 Prozent der in Europa abgesetzten Reifen sind übrigens Winterreifen. „Die Erstausrüstung ist ein sehr gutes Marketingwerkzeug, um unsere Markenbekanntheit zu erhöhen“, sagt Chief Marketing Officer Cho Hyun-Shick. Man wolle folglich die Absätze gerade in der europäischen Erstausrüstung deutlich steigern. Und wie oben bereits erwähnt: Hankook will alle seine Absatzkanäle ausbauen, um auch den gesteigerten Output zu vermarkten.
Wie Dr. Gim Gwanghun im Rahmen einer Pressekonferenz im F&E-Zentrum in Korea mitteilt, plane Hankook Reifen für BMW, Mercedes Benz und Porsche zu liefern. Der Executive Vice President der F&E-Division im Hauptquartier betont dabei, dass man kurzfristig mit der Lieferung beginnen könnte: „Wir sind bereit.“ Mit BMW etwa sei man „in Kontakt“, so Dr. Gim weiter, was auch die Lieferung von Notlaufreifen einschließe. Wie Dr. Kim Hwi-Joong, als Chief Technical Officer (CTO) oberster Reifenentwickler des Unternehmens, betont, werde man auch für den ab dem kommenden Sommer erwarteten neuen Golf VI Reifen liefern. Reifen, die in die europäische Erstausrüstung geliefert werden, sollen dann künftig vorwiegend auch aus der neuen europäischen Fertigungsstätte in Ungarn kommen. Wie ein Rundgang durchs Forschungs- und Entwicklungszentrum von Hankook Tire in Korea zeigt, scheinen die rund 600 Ingenieure und anderen Mitarbeiter dort auf kaum eine bedeutende oder unbedeutende Einrichtung verzichten zu müssen, wozu auch ein neues, in diesem Jahr eingeweihtes Testgelände (genannt G-Trac) für Nasstests zählt, sehen die Verantwortlichen bei Hankook doch in dieser Disziplin zu allererst Verbesserungspotenzial.
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