Goodyear und Bridgestone – Westliche Hersteller in Indien
Der indische Reifenmarkt ist trotz seines offenkundigen Wachstums während der vergangenen Jahre immer noch ein weitgehend autarker Markt. Reifenimporte finden zwar statt und deren Volumen nimmt auch zu. Dennoch liegt die Bedeutung der Importware gegenwärtig bei unter drei Prozent. Eine Abnehmende Zollbelastung wird in den kommenden Jahren sicherlich für weiter steigende Importe sorgen. Gleichzeitig bleibt allerdings die Frage unbeantwortet, warum – trotz aller Bekundungen zum indischen Reifenmarkt – weiterhin Goodyear und Bridgestone die einzigen Unternehmen sind, die vor Ort eigene Produktionsstätten betreiben.
Für den amerikanischen Konzern, der in Indien zwei eigene Fabriken in Aurangabad (Bundesstaat Maharashtra; in der Nähe von Mumbai) und in Ballabgarh (Bundesstaat Haryana; in der Nähe von Neu-Delhi) betreibt, ist Indien bereits seit 1961 Teil der Welt. Damals wurde in Ballabgarh 32 Kilometer von der indischen Hauptstadt Neu-Delhi entfernt das erste Werk im Land eröffnet. Als Goodyear dann 1993 ein 50:50-Jointventure mit South-Asian Tyres Ltd. in Aurangabad gründete, das fünf Jahre später vom amerikanischen Konzern komplett übernommen wurde, stieg Goodyear auch uneingeschränkt zu den Technologieführern unter den 43 in Indien produzierenden Reifenherstellern auf. Nicht ohne Stolz kann Goodyear India Ltd. heute darauf verweisen, 2002 als erstes Unternehmen in Indien einen schlauchlosen Radialreifen gefertigt zu haben. Diese Pionierarbeit wird in Branchenkreisen zwar durchaus hoch geschätzt, nur haben diese modernen Radialreifen eben immer noch nur einen Marktanteil von zehn bis 15 Prozent aus, schreibt der Herstellerverband ATMA, dessen Mitglied Goodyear India ist. Die überwiegende Mehrheit der Radialreifen sind in Indien immer noch Schlauchreifen. Gegenwärtig liegt der Grad der Radialisierung im Pkw-Reifensegment bei 90 Prozent, im Llkw-Reifensegment bei wenigstens noch elf Prozent, im dominierenden Lkw-Reifensegment allerdings nur bei zwei Prozent.
Goodyear produziert in Indien seit über 40 Jahren und bietet folglich einen genauen Querschnitt der Produkte, die in Indien nachgefragt werden. Nutzfahrzeugreifen in radialer Bauweise werden folglich so gut wie gar nicht angeboten und in Indien auch nicht gefertigt. Dafür spielt der amerikanische Konzern aber bei Pkw-Reifen seine Kompetenz in Sachen Schlauchlosreifen aus und gilt weiterhin als Vorreiter in diesem wachsenden Marktsegment. Man bietet zwar auch den traditionellen Schlauchreifen an, konzentriert sich in der Entwicklung und Vermarktung aber voll und ganz auf Schlauchlosreifen. Während der radiale Pkw-Reifenmarkt in Indien mit rund 15 Prozent jährlich wächst, so nimmt das Schlauchlossegment jährlich um 30 Prozent zu, heißt es dazu in indischen Medien. „Einige Automobilhersteller in Indien haben bereits auf radiale Schlauchlosreifen für die Erstausrüstung umgestellt“, sagt Antonio Capellini. Der Chairman und Geschäftsführer von Goodyear India Ltd. betont weiter, dass im Nachlauf dazu die Nachfrage nach entsprechenden Reifen auch auf dem indischen Ersatzmarkt stark zunehmen wird. Folglich sieht sich Goodyear produktseitig gut aufgestellt, um die wachsende Nachfrage nach Schlauchlosreifen zu bedienen, die derzeit hauptsächlich aus den urbanen Zentren des Landes stammt, künftig aber auch in ländlicheren Regionen des Landes zunehmen wird.
Wie Goodyear erst kürzlich angekündigt hat, soll konsequenterweise das eigene Vertriebsnetz ausgebaut werden. Bis 2008 will der Konzern in Indien über 300 neue so genannte Shop-in-Shop-Niederlassungen etablieren und investiert dafür etwa 8,5 Millionen Euro. Bereits im vergangenen Jahr sind die ersten 50 Outlets dieses neuen Retail-Netzwerkes in Indien installiert worden; weitere 250 Outlets kommen während der nächsten zwei Jahre hinzu. In Indien, so schätzt man am Stammsitz von Goodyear India in Ballabgarh, gibt es derzeit rund 9.300 Reifenhändler plus tausende Hinterhofbetriebe.
Hand in Hand mit dem Ausbau des Vertriebs- und somit Servicenetzwerkes geht bei Goodyear India auch der Ausbau der Produktionskapazitäten, um der erwarteten zunehmenden Marktbedeutung der eigenen Produkte Rechnung zu tragen. Wie Sales und Marketing Director Mahesh Krishnan ankündigt, werde die moderne Produktionsstätte in Aurangabad in der Nähe von Mumbai – ebenfalls – bis 2008 deutlich ausgebaut. Im Moment werden dort rund 4.500 Reifen täglich gefertigt; dies sind vorwiegend Pkw-Reifen, die im übrigen bei allen in Indien produzierenden Automobilherstellern in der Erstausrüstung wieder zu finden sind. Bis 2008 soll diese Kapazität dann bis auf 10.000 Pkw-Reifen täglich ausgebaut werden, wofür der amerikanische Konzern rund 800 Millionen Rupien investiert (14 Millionen Euro). Während in Aurangabad also vornehmlich moderne Pkw-Reifen – darunter auch der neue Excellence-Reifen, der erste in Indien gefertigte Niederquerschnittsreifen – gefertigt wird, produziert das Unternehmen am Stammsitz in Ballabgarh vorwiegend Nutzfahrzeugreifen. Goodyear India ist etwa Marktführer bei Landwirtschaftsreifen, so Mahesh Krishnan, und gehört zu den größten Herstellern von EM-Reifen in Indien.
Im Vergleich zu anderen Reifenherstellern in Indien gehört Goodyear zu den kleineren Unternehmen. Während Apollo und MRF knapp eine bzw. über eine halbe Milliarde Euro jährlich umsetzen, konnte Goodyear in Indien mit seinen Aktivitäten im Jahre 2005 (aktuellere Jahreszahlen sind noch nicht veröffentlicht) 6,71 Milliarden Rupien umsetzen, was rund 116,1 Millionen Euro entsprechen. Knapp zwei Drittel dieses Umsatzes ist dem Stammwerk in Ballabgarh zuzurechnen (63,2 %), in dem – wie gesagt – vornehmlich Nutzfahrzeugreifen aber auch Pkw-Reifen gefertigt werden. Das verbleibende Drittel ist dem moderneren Werk in Aurangabad zuzurechnen, das formell von der Gesellschaft Goodyear South Asia Tyres Pvt. Ltd. (GSATPL) betrieben wird, deren Produkte aber von Goodyear India Ltd. vertrieben werden. GSATPL liefert diese Reifen im Rahmen eines Offtake-Agreements. Im vorhergehenden Geschäftsjahr lag der Umsatz noch bei 6,23 Milliarden Rupien (107,8 Mio. Euro). Es ergibt sich für 2005 im Vergleich zum Vorjahr also eine Umsatzsteigerung von 7,7 Prozent.
Während der Umsatz bei 6,71 Milliarden Rupien liegt, beläuft sich der Nettogewinn des Unternehmens lediglich auf 88 Millionen Rupien, was umgerechnet etwa 1,5 Millionen Euro entspricht. Goodyear muss in Indien also mit einer Nettomarge von 1,3 Prozent auskommen. Im Geschäftsjahr 2004 waren dies sogar nur 0,8 Prozent. Dafür haben sich die Unternehmenskennzahlen im vergangenen Geschäftsjahr 2006 offensichtlich zum Positiven entwickelt. Allein während der ersten drei Quartale hat Goodyear India einen Umsatz in Höhe von 5,91 Milliarden Rupien gemacht – hochgerechnet auf das gesamte Jahr könnte sich folglich ein Umsatz von 7,88 Milliarden Rupien ergeben, was 136,4 Millionen Euro entsprechen würde, einer Steigerung von rund 18 Prozent. Ein ähnlich positives Bild ergibt sich aufseiten des Nettogewinns. In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres hat Goodyear India einen Nettogewinn von 349 Millionen Rupien erzielt, was bereits jetzt das Vierfache dessen darstellt, was der Reifenhersteller im gesamten Vorjahr verdient hat. Somit hat sich natürlich auch die Nettomarge deutlich verbessert und lag etwa im dritten Quartal 2006 bei 7,5 Prozent. Während früher in Indien oftmals gespöttelt wurde, der amerikanische Goodyear-Konzern habe „tiefe Taschen“ und gleiche folglich die geringe Profitabilität in Indien aus Gründen der Marktpräsenz aus, sieht es derzeit so aus, also könne auch Goodyear India etwas zum Konzerngewinn beitragen. Allerdings gilt seit dem 1. Oktober 2006 ein neues Lizensgebührensystem. Danach muss Goodyear India erstmals Gebühren an den Mutterkonzern in Akron für die Nutzung des Markennamens abführen. Für Goodyear-Reifen, die in Indien produziert und vermarktet werden, sind dies ein Prozent netto, für Reifen, die in den Export gehen, sind dies zwei Prozent. Die Kennzahlen des vierten Quartals 2006 werden dadurch also zusätzlich belastet, so dass man bis zur Veröffentlichung des Jahresberichtes warten muss, bevor das gesamte Geschäftsjahr abschließend beurteilt werden kann. Da in Indien aber 60 bis 70 Prozent der Produktionskosten durch die notwendigen Rohstoffe entstehen, sind auch hier positive Signale vor dem Hintergrund endlich wieder fallender Kautschukpreise zu erkennen.
Von den 6,71 Milliarden Rupien, die Goodyear India in 2005 umgesetzt hat, stammen 76,2 Millionen aus dem Export, was einer Exportquote von nur 1,1 Prozent entspricht; im Geschäftsjahr davor lag diese Quote auf gleichem Niveau. Exportiert wird dabei hauptsächlich in benachbarte Länder sowie nach Australien, Hongkonk, Dubai und auf die Philippinen. Goodyear stellt in Indien derzeit knapp 2,8 Millionen Reifen jährlich her.
Bridgestone – seit zehn Jahren vor Ort
Der japanische Bridgestone-Konzern hat noch keine lange Geschichte auf dem indischen Subkontinent. Während Goodyear bereits seit über 45 Jahren in Indien fertigt, stiegen die Japaner erst kürzlich ein: Im vergangenen Jahr wurde das zehnjährige Jubiläum der Unternehmensgründung gefeiert. 1996 stieg Bridgestone in ein Jointventure-Unternehmen mit der Associated Cement Companies of India Ltd. ein (ACC), die seit einiger Zeit als ACC Limited firmiert. Bis sich der Zementhersteller im Jahre 2003 aus dem Gemeinschaftsunternehmen zurückzog, firmierte der indische Reifenhersteller noch unter der Bezeichnung „Bridgestone ACC India Limited“ mit Sitz in Kheda (Bundesstaat Madhya Pradesh), wurde dann aber in Bridgestone India Pvt. Ltd. umbenannt; ACC hielt 2003 noch knapp 20 Prozent am Reifenhersteller.
Bridgestone fertigt heute in Indien jedes Jahr rund 2,7 Millionen Reifen und beschäftigt in der 265.500 m² großen und ab 1996 eingerichteten Fabrik in Kheda dazu rund 900 Menschen. Wie Geschäftsführer Hisao Ikawa kürzlich angekündigt hat, werde die Kapazität im Laufe dieses Jahres aber noch auf etwa drei Millionen Einheiten angehoben. Das Unternehmen produziert ausnahmslos radiale Pkw- und Llkw-Reifen sowie die dazugehörigen Schläuche, die auf dem indischen Ersatzmarkt vertrieben und an zahlreiche Erstausrüstungskunden vor Ort vermarktet werden.
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