Ergebnisse der „Global-Engineering-Excellence“-Studie vorgelegt
Laut der „Global-Engineering-Excellence“-Studie, die acht Universitäten aus Brasilien, China, Deutschland, Japan, der Schweiz und den USA auf Initiative der Continental AG erarbeitet haben, hält die Ausbildung von Ingenieuren mit weltweit ausgerichteter Kompetenz mit den komplexen und hochdynamischen Entwicklungsprozessen der Globalisierung nicht Schritt. Es fehle an internationaler und crossdisziplinärer Ausrichtung der Studiengänge, die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen oder Studienbausteinen stecke in den Kinderschuhen und ein weltweites Akkreditierungssystem sei nicht in Sicht, heißt es da unter anderem in der Studie. Hinzu kämen vielfach staatliche Barrieren, die einem internationalen und gleichzeitig forschungsorientierten Studium im Wege stehen. Zudem gebe es noch kaum Kooperationsprojekte von Unternehmen mit Universitäten, die über einen nationalen Rahmen hinausgehen.
„Technologie ist unsere Leidenschaft. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr die ‚Global-Engineering-Excellence’-Initiative ins Leben gerufen, um Perspektiven für Ingenieure in der Ära der Globalisierung, ihre soziale Stellung und Ausbildung sowie die Auswirkung auf die Produktivität nationaler Ökonomien zu untersuchen und Schlussfolgerungen zu entwickeln“, erklärt der Continental-Vorstandsvorsitzende Manfred Wennemer, warum der Automobilzulieferer das Projekt initiiert hat, für das er die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (Schweiz), das Georgia Institute of Technology und das Massachusetts Institute of Technology (beide USA), die Shanghai Jiao Tong University und die Tsinghua University (beide China), die Escola Politécnica da Universidade de São Paulo (Brasilien) sowie die University of Tokyo (Japan) als Partner gewinnen konnte. Die Federführung des Projektes übernahm dabei die Technische Universität Darmstadt.
Die Wissenschaftler der sechs beteiligten Nationen haben aus den Erkenntnissen der Studie vier Kernaussagen und Empfehlungen für die künftige Ausbildung von Ingenieuren entwickelt:
- Globale Kompetenz muss eine Schlüsselqualifikation von Absolventen werden.
- Die grenzüberschreitende Mobilität von Ingenieurstudierenden, Forschenden und Fachleuten muss Priorität haben.
- Exzellenz im „Global Engineering“ hängt entscheidend von gegenseitigen Verpflichtungen zu Partnerschaften ab, insbesondere zu solchen, die die Ingenieurausbildung eng mit der beruflichen Praxis verbinden.
- Forschung zur Entwicklung der Ingenieurwissenschaften im globalen Kontext ist dringend erforderlich.
„Die Ergebnisse der Studie geben uns als global agierendem Unternehmen wichtige Hinweise, wie wir mit dem Auf- bzw. Ausbau von Netzwerken zwischen unserem Unternehmen und Hochschulen auf nationaler wie internationaler Ebene unsere eigene Innovationskraft stärken und gleichzeitig die Ausbildungskompetenzen der Universitäten fördern können“, so Wennemer. „Wir regen an, dass unsere acht Partneruniversitäten im Rahmen des Projekts eigene und gemeinsame Studiengänge für den Abschluss ‚Master of Global Engineering’ konzipieren und einrichten. Dieser Titel könnte künftig ein Edelprädikat für exzellent und vor allem international ausgebildete Topingenieure beziehungsweise Technologiemanager werden“, ergänzt Continental-Personalvorstand Thomas Sattelberger.
„Für den praktischen Teil der Ausbildung eröffnen wir nicht nur das weltweite Netzwerk der Continental, sondern wir wollen dazu weitere Wirtschaftspartner gewinnen“, fügt er hinzu, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Continental AG derzeit ihr bestehendes Netzwerk mit Universitäten ausbaue. „Ein wichtiger Schritt ist die Gründung von Continental-Universitäten in Kooperation mit Hochschulen an unseren Standorten weltweit, wie zum Beispiel vor kurzem in Mexiko und auf den Philippinen. Weitere werden in Deutschland, den USA, Rumänien und China folgen. Diese vor allem der Aus- und Weiterbildung unserer Beschäftigten dienenden Continental-Universitäten wollen wir zu einem starken Verbund für Hightech-Experten verknüpfen. In unserem vielschichtigen Konzept spielen die Partneruniversitäten der ‚Global-Engineering-Excellence’-Initiative als Leuchttürme eine bedeutende Rolle“, meint Sattelberger.
Für die „Global-Engineering-Excellence“-Universitäten bewertet Prof. Dr. Reiner Anderl von der federführenden TU Darmstadt die Studie als „einen herausragenden Meilenstein auf dem Weg zu einer Weiterentwicklung der universitären Ingenieurausbildung für ein erfolgreiches Arbeiten in internationalen und interkulturellen Teams“ und weist zugleich darauf hin, dass die Universitäten aus den Studienergebnissen wichtige und zukunftsweisende Empfehlungen erarbeitet haben. „Hochschulen sollten Lehrpläne erstellen, um Auslandsaufenthalte integrieren zu können“, empfiehlt er darüber hinaus. „Credits geeigneter Partneruniversitäten müssen anerkannt, das Erlernen von Fremdsprache verbindlich werden. Nötig sind auch der verstärkte Einsatz neuer Technologien wie zum Beispiel E-Learning und Videokonferenzsysteme sowie die Förderung von Teilzeitstudien für Studenten aus anderen Ländern“, so Anderl weiter.
Entsprechend müsse in Infrastrukturen investiert werden, die eine internationale Kommunikation und Zusammenarbeit ermöglichen. Die Universitäten sollten außerdem Zahl und Qualität von Mobilitätsaufenthalten von Lehrenden an Hochschulen im Ausland ausbauen. Dazu müssten mehr Sponsoren für eine Unterstützung gewonnen werden. „Die Kooperationen mit der Wirtschaft könnten – zum Beispiel durch Forschungszusammenarbeit, Ausbildungsprojekte und Fachpraktika – stark erweitert werden. Die Universitäten sollten zudem ihre Strukturen weiterentwickeln, um qualifizierte Forscher oder Innovationsmanager aus der Wirtschaft auf den Campus zu holen“, sagt Anderl.
Laut Empfehlung der Studie soll die Wirtschaft als Grundlage für internationale Programme engagierte und nachhaltige Partnerschaften mit Universitäten eingehen, mehr Plätze für hochwertige internationale Fachpraktika oder Projektarbeit anbieten sowie internationale Programme finanziell unterstützen. Wichtig sei außerdem, gemeinsam mit den Universitäten innovative Programme für die kontinuierliche Weiterbildung zum Thema „Global Engineering Practice“ zu entwickeln. Unternehmensvertreter sollten zudem Studienzeiten oder Arbeiten im Ausland fördern. „Die internationale Ausbildung der Mitarbeiter ist in einem weltweit agierenden Unternehmen darüber hinaus unverzichtbar“, sagt Prof. Anderl. Die Universitäten sprechen sich demzufolge außerdem dafür aus, dass die Regierungen die globale Ingenieurausbildung und -forschung durch Mittel für Universitätsprogramme und Stipendien für Auslandsstudien oder -fachpraktika fördern.
„Die grenzüberschreitende Mobilität müsste zum Beispiel dadurch verbessert werden, dass Hemmnisse wie Beschränkungen in der Visumspolitik und bei der Arbeitserlaubnis für ausländische Studenten während des Studiums und nach dem Abschluss beseitigt werden“, schlägt Anderl vor. Denkbar sei zum Beispiel die Einführung einer besonderen Visumskategorie für Studenten für Fachpraktika und Teilzeitjobs. Wichtig sei darüber hinaus die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen als Grundvoraussetzung für eine grenzüberschreitende Mobilität von Ingenieuren. Ingenieurverbände sollten grenzüberschreitend zusammenarbeiten, den Dialog zwischen Praxis und Ausbildung ausbauen und an der Verbesserung der weltweiten Ingenieurstudiengänge und -abschlüsse sowie der Überwachung der Verbesserungsprozesse mitarbeiten. „Wir sehen es als essenziell an, dass Aktionsdreiecke aus Universitäten, Wirtschaft und Politik bzw. Regierungen entstehen, um diese Themen voranzutreiben“, betont Prof. Anderl.
Der für die Hochschulausbildung zuständige EU-Kommissar Ján Figel sieht die Studie als „Analyse von allerbester Qualität“. Seiner Meinung nach sollte sie zur Pflichtlektüre für die Dekane ingenieurwissenschaftlicher Fakultäten werden. „Der Continental AG gebührt meine aufrichtige Anerkennung für diese bedeutende Initiative, denn Ingenieure sind der Schlüssel zur Zukunft Europas in einer globalisierten Welt. Aber wie die Studie zeigt, müssen Ingenieure in einer globalisierten Welt über Fähigkeiten verfügen, die weit über das hinausgehen, was man traditionell als notwendig erachtet: Nicht nur technische und methodologische Kompetenzen gehören dazu, sondern auch persönliche Fähigkeiten wie zum Beispiel die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und sich zum lebenslangen Lernen zu verpflichten. Daneben müssen Ingenieure auch über Führungsqualitäten und soziale Kompetenzen wie zum Beispiel interkulturelle Fähigkeiten verfügen“, ist er überzeugt.
„In diesem Jahrhundert werden die meisten Ingenieure in integrierten weltweiten Unternehmungen arbeiten. Sie werden Probleme ebenso auf globaler Ebene lösen wie sie Wirtschaftssysteme in globalem Kontext voranbringen werden“, erklärt der langjährige MIT-Präsident Prof. Charles Vest, der vor kurzem für die Wahl zum neuen Präsidenten der „National Academy of Engineering“ in den USA nominiert worden ist. Die „Global-Engineering-Excellence“-Studie biete einen ambitionierten, den Herausforderungen der Internationalisierung gerecht werdenden Fahrplan, um die zukünftigen Ingenieure des 21. Jahrhunderts so ausbilden zu können, dass sie hoch effektiv in diesem neuen Umfeld arbeiten können. „Diese wertvollen Empfehlungen werden verschiedene Institutionen dabei unterstützen, ihre Curricula so weiter zu entwickeln, dass die Studenten mehr international ausgerichtete Fähigkeiten erwerben und Erfahrungen sammeln können. Damit werden diese Studenten wertvoller für ihre künftigen Arbeitgeber, weil sie effektiver sind in weltweit angelegter Zusammenarbeit ebenso wie im globalen Wettbewerb, der ihre Karrierewege charakterisieren wird”, ist er sich sicher.
Wie der Continental-Vorstandsvorsitzende Wennemer erklärt, sollen im Rahmen der „Global-Engineering-Excellence“-Initiative Studenten der acht teilnehmenden Universitäten nun nach ihrer Meinung zu den Ergebnissen und Empfehlungen der ersten Studie befragt werden. „Continental ist ein Unternehmen mit bildungspolitischer Kompetenz und Leidenschaft. Deshalb interessieren uns die Einschätzungen der Studenten auch zur Internationalität der eigenen Ausbildung, zu Karrieremöglichkeiten rund um den Globus sowie Zukunftserwartungen an grenzüberschreitende Arbeitsmärkte und soziales Umfeld“, erläutert Personalvorstand Sattelberger. „Die wissenschaftlichen Studienergebnisse gekoppelt mit Erwartungen der Talentmärkte betrachten wir als Richtschnur für eine anspruchsvolle neue globale Bildungspolitik“, sagt er.
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