GDHS-Tagung in Berlin: We play to win
Die GDHS, Goodyear Dunlop Handelssysteme, hielt im September 2006 bereits zum zweiten Mal im Estrel-Hotel in Berlin, einem der größten, wenn nicht gar dem größten Hotel Deutschlands, ihre Jahrestagung ab. Und allzu viele Hotel-Alternativen hat man nicht, wenn mehr als 1.200 Gäste in einem Haus unterzubringen sind. Motivationsveranstaltungen dieser Art, und genau um eine solche handelte es sich, leiden, wenn die Gäste mit Bussen hin- und hergekarrt werden müssen. Und letztlich ging es nicht allein darum, ein Hotel für alle Gäste zu finden, sondern als Stargast war Udo Jürgens angesagt, während in den Jahren zuvor lediglich „Überraschungsgäste“ angesagt waren und offen bleiben musste, ob die Überraschung eher angenehmerer als unangenehmerer Natur sein würde.
Das Wichtigste zuerst: Die gesamte Veranstaltung kann als Erfolg bezeichnet werden. Moderatorin Anne Reck spulte ihr Programm fehlerfrei und nahezu professionell ab. Für den wirklich großen Regiepatzer zum Schluss war sie kaum verantwortlich zu machen. Da hatte sich der Chef der GDHS, Goran Zubanovic, mit den HMI-, Premio-, Quick und 4Fleet-Verantwortlichen im Verlauf der gesamten Freitag-Veranstaltung nach Kräften darum bemüht, den Partnern den Eindruck zu vermitteln, mit der GDHS aufs richtige Pferd gesetzt zu haben, mit der GDHS einen Partner zu haben, der die Grundlagen für erfolgreiches Handeln legt (merke: we play to win), sodass man zum krönenden Abschluss wirklich noch ein paar leidenschaftliche Statements genau dieser Verantwortlichen hätte hören wollen und sollen. Doch statt den informativen Nachmittag mit dem Startschuss auf das heiß ersehnte Wintergeschäft enden zu lassen, dank dessen das Motto „we play to win“ auch umzusetzen ist, mussten sich die Handelspartner mit eher selbstverständlichen und damit auch langweiligen Statements des Goodyear-intern so genannten „Ex-Com“ unter Führung des Deutschland-Chefs Gerd Grünenwald konfrontieren lassen. Man lernte: Die Preiserhöhungen werden kommen und wie angekündigt umgesetzt. Ferner machten die Vertriebsgeschäftsführer Most (Goodyear), Wiroth (Dunlop), Kuhn (Fulda) und Titz (Zweitmarken) nur schwer einzuhaltende Versprechungen hinsichtlich Preisstellungen im Vergleich zu sonstigen Handelskunden und Belieferungspräferenzen der GDHS-Partner. Dass die Statements in Form von ein, zwei Sätzen dazu vorgefertigt und vom Blatt abzulesen waren, verbesserte den Eindruck nicht. Bei allem Respekt dafür, dass sich Vertriebsgeschäftsführer nicht zu fein waren, ihnen unterlaufene Fehler im Verlauf des Jahres einzugestehen und Korrekturen zu versprechen: So etwas gehört an den Anfang! Das große Finale muss die Überzeugung geben: „Wir sind GDHS. We play to win.“ Mit Entschuldigungen, Erklärungen und Bedauern ist eine solche Überzeugung nicht zu schaffen.
Wer bereitwillig die Realitäten sieht, kann nicht umhin festzustellen, dass die GDHS eine größere Vertrauenskrise in den letzten beiden Jahren durchgemacht hat. In Gesprächen mit Handelspartnern am Rande und während der Veranstaltung wurde das immer wieder deutlich. Allerdings wurde auch deutlich, welch hohes Maß an Loyalität die Partner ihrem Lieferanten und Systemgeber Goodyear bzw. GDHS nach wie vor entgegenbringen. Diese Loyalität und Bindung ist entwickelt und geprägt von den für die Handelspartner wirklich wichtigen Ansprech- und Verhandlungspartnern der Angebotssysteme HMI, Premio und Quick. Man lebt und stirbt, d.h. man gewinnt mit den Herren Lutz, Pott und Wegener. Und genau die standen zum Schluss tatsächlich, aber auch im übertragenen Sinne, nicht mehr auf der Bühne, sondern waren in den Hintergrund gedrängt worden.
Das Motto „wir sind GDHS, we play to win“ war gut gewählt, wenngleich damit nur Selbstverständlichkeiten zum Ausdruck kommen. Ein Händler will immer Gewinn machen, jegliches kaufmännisches Handeln ist auf Gewinn ausgerichtet. Mit GDHS könnte die Erreichung des Ziels besser und nachhaltiger gelingen als mit anderen Partnern.
Mit ihrem Motto befindet sich die GDHS übrigens voll auf einer Linie mit Goodyear-Chef Bob Keegan, der in den Stunden größter Not und vor dem Hintergrund eines harten Überlebenskampfes vor wenigen Jahren schon dieses Motto ausgegeben hatte: „Heute ist Goodyear eine völlig neu ausgerichtete Firma. Wir haben kein Interesse nur am reinen Überleben, wir wollen siegen und wir werden siegen („we are playing to win and we are winning“).“
Mit weit mehr als 800 Partnern sieht sich GDHS heute als größte Kooperation im deutschen Reifenhandelsmarkt, die zudem weiterhin wachsen und letztlich mehr als 1.000 Partner für sich gewinnen will. Mit Qualität, Innovation und vorbildlich gelebter Partnerschaft will Goran Zubanovic die Wachstumsziele der GDHS erreichen. Und er zeigte sich so sehr überzeugt: „Uns kann nichts aufhalten, nur wir selbst können uns stoppen. Rückblickend ist er durchaus kritisch und stellt fest, dass es nicht an Ideen mangele und auch nie gemangelt habe, aber oftmals sei einfach zu wenig umgesetzt worden und vieles dann auch noch zu langsam. Zubanovic wünscht sich eine „Veränderungsdynamik“. Der Notwendigkeit, weiterhin Kosten senken zu müssen, könne sich auch GDHS nicht entziehen und gemeinsam müssten Mittel und Wege gefunden werden, wie sich die Partner den Kunden als Anbieter einer einzigartigen Leistung noch besser empfehlen könnten und, ebenso wichtig, wie sie weiterhin erstklassige Mitarbeiter bekommen und auch halten könnten. Wird mit Premio eine Systemführerschaft beansprucht, und interessanterweise wächst Premio in Osteuropa weitaus stärker, so dürfte Quick die Kostenführerschaft im Discountbereich beanspruchen. Die Chancen, nicht allein schneller, sondern doppelt so schnell wie der Markt wachsen zu können, stehen also gar nicht so schlecht. Und mehr denn je zuvor will Zubanovic sein Augenmerk auf lokale Marktführer richten, die die GDHS auch dringend benötige.
Ambitioniert auch die Ziele von Premio-Chef Ulrich Pott, dem nachgesagt wurde, alles was er anfasse mit Herzblut und Leidenschaft zu tun. Pott sieht Premio als „gut aufgestellt“ an, will aber trotzdem schneller als in den zurückliegenden Jahren und doch nicht weniger attraktiv wachsen. Auch Pott ärgerte sich über die mangelnde Umsetzungsgeschwindigkeit und hofft auf Besserung. Sein Ziel ist es, über kurz oder lang 400 bis 450 Premio-Partner für sein System gewonnen zu haben. Der Weg ist noch sehr lang bis dahin. Doch Pott ist voller Hoffnung: „Dieses Jahr werden noch einmal Neukunden verteilt.“ Eine mit der Bild-Gruppe abgesprochene Aktion, die über den gesamten Oktober hinweg laufe, werde für Nachfrage bei Premio sorgen.
Nach wie vor bildet die von Michael Lutz geführte HMI-Gruppe mit 600 Standorten in Deutschland das Rückgrat der GDHS. Auch Lutz zeigte sich schwer entschlossen, auf dem Gaspedal zu bleiben. Man könne bei einer solch großen Organisation nicht immer „auch noch auf die letzten zwei Rücksicht nehmen“. Das Problem von Lutz besteht unter anderem darin, dass immer wieder HMI-Partner den zweiten Schritt vollziehen und sich bei Premio einreihen, sodass Wachstumsziele sehr schwer zu realisieren sind.
Peter Wegener beschreibt Quick als klassisches Franchise-Modell. Quick ist momentan an 43 Standorten tätig und im Verlauf des Jahres 2007 sollen es mehr als 50 werden. So sei man in Hamburg bereits mit vier Betrieben vertreten, doch dort sei immer noch Platz für weitere. Das gesamte Denken bei Quick drehe sich um die Beantwortung der Frage, wie man den Endverbraucher erreiche. Offenbar führt Wegener mit Quick ein – noch relativ kleines – System, das jetzt bereits aus kaufmännischer Sicht viel mehr als nur Spaß macht.
Weniger hoffnungsfroh und weniger erfreulich war das, was Jürgen Titz, verantwortlich für die 4Fleet Group, zu sagen hatte. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass man voll im Windkanal stehe und man gegen von vorne kommende Stürme anzukämpfen habe. Wenngleich das nationale Flottengeschäft gar nicht so leicht zu verteidigen sei, weil der Wettbewerb immer aggressiver werde, bleibe 4Fleet dennoch stark bemüht, nicht nur die bestehenden Verträge zu halten, sondern neue hinzu zu gewinnen.
Professor Dr. Joachim Zentes, seit vielen Jahren Redner auf Goodyear-Veranstaltungen, hatte Trost zu vermelden. Deutschland bewege sich doch und ferner sieht Zentes die GDHS im „drivers seat“. In einem in der Kürze der Zeit kaum voll zu verstehenden, geschweige denn zu beschreibenden Vortrag wies Zentes nach, dass nicht länger Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen, sondern Wertschöpfungsketten und folgerichtig lud er ein zu Wertschöpfungspartnerschaften, um letztlich festzustellen, man selbst sei der entscheidende Unterschied zur Konkurrenz. Es gehe nun auch um Umsetzung, die jetzt beginnen müsse. Die professorale Erkenntnis lautet: „Man kann nur heute handeln, nicht gestern und auch nicht morgen.“
Und so kann sich die GDHS heute durchaus sehen lassen und sich mit Recht als wichtigste Kraft des Goodyear Dunlop-Konzerns in Deutschland bezeichnen. 840 Handelsbetriebe (Stand September 2006) vermarkten 3,5 Millionen Reifen vorzugsweise der Marken Goodyear und Dunlop und das Ziel ist fest im Visier: Bis 2010 vermarkten mehr als 1.000 Läden fünf Millionen, vorzugsweise Premium-Reifen.
Peter Hülzer, erster Mann des BRV, referierte über „die Lage des Reifenhandels 2006“ und das tat er zudem ziemlich ungeschminkt. Der Handel habe schwere acht Monate hinter sich, teils mit deutlichen Minus-Werten, aber „den Autoservice kann ich als eine Art Rettungsanker beschreiben“. Für den Winter verspricht sich Hülzer, wie nahezu alle Fachleute, sehr viel, aber er fordert auch dazu auf, nicht zu früh euphorisch zu werden. Kurz gestreift wurde auch das Thema Meisterpflicht, das in der Tagespresse sehr häufig schief dargestellt worden sei. Und im Blick auf geschwätzige Politiker wie den Württemberger Freidemokraten Brüderle stöhnte Hülzer über Politiker, die einfach ohne Sinn und Verstand in jedes ihnen vorgehaltene Mikrofon plärren; hierfür bekam er gar lang anhaltenden Beifall. Es war wohl mehr als eine nur freundliche Geste, dass er die GDHS als Spieler der Champions League bezeichnete und daneben „die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen GDHS und Verband“ betonte.
Zum Abschluss weckte dann der Unternehmensberater und Buchautor Dr. Sprenger („Die Entscheidung liegt bei Dir!“) noch einmal das allmählich nachlassende Interesse all derer, die bis dahin ja immerhin schon seit fast fünf Stunden mit Informationen überschüttet worden waren. Sprenger sprach einfach nur aus, was viele seit vielen, vielen Jahren wissen und dennoch ist es gut, mal wieder mit ein paar einfachen Wahrheiten konfrontiert zu werden. Wie kommt man zu Führungskompetenz? Man hat sie nicht, sie wird einem von den Mitarbeitern zuerkannt, also einfach kostenlos gegeben. Und Kunden-Orientierung ist ohne Mitarbeiter-Orientierung schlechterdings völlig unmöglich und ohne positiven Umgang mit sich selbst sieht er keinen Weg zur Mitarbeiter-Orientierung. In fein geschliffenen Worten demaskierte Sprenger Personen, die sich selbst als Führer, als Autoritäten sehen, während die Umwelt sie nur als autoritär „anerkennt“. Die Aufgabe eines Führers besteht darin, Leistungen seiner Mitarbeiter abzurufen; und den Führer erkennt man daran, dass er ihm Folgende habe. Vorträge der vorliegenden Art zeichnen sich dadurch aus, dass Menschen unterschiedliche Bilder in den Kopf bekommen und sie das Bild vom Selbstbild kaum noch unterscheiden können. Zu oft wird vergessen, dass ohne Freundlichkeit und Rücksichtnahme keine wirkliche Führung gelingen kann. Und feinsinnig nutzte Sprenger das Beispiel derer, die in den Wald laufen, um Beeren oder Pilze suchen statt finden zu wollen, denn, das ist klar: Sucher suchen, Finder finden. Und wir wollen letztlich alle Finder sein.
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