Heiße Gerüchte um Goodyear und Gibara (Updated)
Nun kommen die gut und weniger gut meinenden Analysten und Consultants aus ihren Löchern heraus. Was bis vor wenigen Wochen aus ihrer Sicht noch gut erschien -so sollte die Goodyear-Aktie ein Potenzial bzw. einen fairen Wert von 26 bis 28 US-$ haben- gilt mit einem Schlag nicht mehr. Es werde sehr lange dauern, bevor dieser Konzern wieder nachhaltige Gewinne erwirtschaften könne. Zwar wird nicht übersehen, dass die wirtschaftlichen Begleitumstände sehr schwierig sind, aber es wird ebenso erst recht nicht übersehen, dass sich die Goodyear-Wettbewerber Michelin, Bridgestone und auch Cooper weitaus besser schlagen. Das aber war im letzten Jahr schon so und warum Analysten so lange brauchen, um das für sich selbst auch einschätzen zu können, bleibt deren Geheimnis. Es drängt sich die Vermutung auf, dass deren betuchte Klientel den Ausstieg aus Goodyear-Aktien inzwischen vollziehen konnte und kein Grund mehr besteht, leise auftreten zu müssen. Zur Erinnerung an 2001: Michelin erwirtschaftete einen Ebit von rund einer Milliarde Euro und auch der wegen eines Reifenrückrufs seiner Marke Firestone so brutal verprügelte Bridgestone-Konzern, der dafür letztlich anderthalb Milliarden US-$ aufzuwenden hatte, blieb dennoch in der Gewinnzone. Goodyear befindet sich aber in einem tiefen Tal und eine wirklich durchgreifende Wende scheint nicht bevorzustehen. Nicht einmal vom grandiosen Bridgestone/Firestone-Pech konnte der US-Konzern profitieren. Gerüchte besagen heute vielmehr, das dritte Quartal 2002 werde weit unterhalb der Erwartungen liegen und es wird immer offener dahingehend spekuliert, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am Dienstag dieser Woche CEO Sam Gibara zum Rücktritt veranlassen werde, unter dessen Führerschaft 1997 und 1998 Rekordgewinne und Aktienhöchstkurse vermeldet wurden; seit der Dunlop-Akquisition allerdings hat sich das Blatt schlagartig gewendet. Andererseits aber wird Gibara das Unternehmen vermutlich ohnehin aus Altersgründen zum Ende diesen Jahres oder im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2003 verlassen. Wird der Aufsichtsrat da “Bob” Keegan jetzt bereits ernennen. Und ob überhaupt etwas zu gewinnen wäre mit einem Personenaustausch an der Spitze des Konzerns bleibt sowieso fraglich. In Akron, so dokumentiert auf diversen Message Boards, überschlagen sich jedenfalls die Gerüchte. So will man wissen, dass Ford mit der Qualität von Goodyear-Reifen unzufrieden sei, dass die Führung ihre “Associates” in Kürze zum Zeichen der Verbundenheit mit ihrem Unternehmen zu einer Woche Arbeit ohne Bezahlung auffordern werde und anderes mehr. Der Wahrheitsgehalt mancher Meldung dürfte dabei allerdings gegen Null tendieren. Es drängt sich Analysten aber nach wie vor die Vermutung auf, dass viele Probleme des Konzerns hausgemachter Natur sind. So mussten jetzt Marktanteilsverluste in Nordamerika eingestanden werden. Goodyear-Sprecher behaupten zwar, die Fill Rates (sofortige Verfügbarkeit der Reifen) hätten sich spürbar verbessert, doch wird gerade dies von befragten Händlern nachdrücklich bestritten. Das Problem mit den Fill Rates in Nordamerika sei nach wie vor ungelöst und ferner seien die Verkaufspreise, die dem Unternehmen auf dem Heimatmarkt für Goodyear-Reifen vorschwebten, im Markt einfach nicht zu erzielen. Das Management hatte bisher immer darauf verwiesen, größere US-Reifenhändler hätten zunächst mit Bestellungen gezögert , doch man werde im weiteren Verlauf der ersten Monate des Jahres stark aufholen. Diese Hoffnung hat sich zwischenzeitlich fast völlig erledigt. Selbst ernannte “Problemlöser” -es melden sich Leute mit angeblich besten Lösungsvorschlägen zu Wort, die bereits seit 19 Jahren pensioniert sind- werfen der Führung vor, zu stark auf High Performancereifen zu setzen, die der Markt nicht brauche. Statt dessen solle man zur Produktion weniger anspruchsvoller Reifen zurückkehren. Wiederum andere Beobachter werfen der Führung vor, zu viel Geld in Runflat-Systems zu investieren. Scharf attackiert wird der Werbeauftritt “On the Wings of Goodyear.” Und man weist vor allem darauf hin, dass Goodyear starke Werbekampagnen versprochen habe, man diese aber nicht sehe. Kein Wunder, sollte man meinen, denn es ist kein Geld vorhanden und wer es als Marketingmann dann doch schon mal bessere Beträge “eingesammelt” hatte, wurde gehindert, das Geld auch auszugeben. Der Hinweis auf ein Werbeproblem, sofern es denn tatsächlich bestünde, würde “Bob” Keegan und die unter seiner Führung geholten Procter & Gamble-Leute, die das Marketing des Reifenherstellers verbessern, wenn nicht revolutionieren sollten, ins Mark treffen. Analysten und Consultants zweifeln inzwischen auch am Sinn der Dunlop-Akquisition, die zwar eine Milliarde US-$ gekostet, aber keine Umsatzzuwächse gebracht habe. Nun müsste immer mehr Geld für Zinszahlungen ausgegeben werden, das in Forschung und Entwicklung fehle; die F&E-Budgets seien ebenfalls zusammengestrichen worden.Schwerwiegender Natur sind die immer heftiger vorgetragenen Hinweise auf die gesunkene Moral der Mitarbeiter, die sich mit dem Konzern nicht mehr in der Weise identifizierten wie es Jahrzehnte lang geschehen sei. Es scheint, als habe die Führung den direkten Kontakt zur Belegschaft verloren.Immer häufiger ist jetzt der Name Fiedler zu hören, den sich offenbar gar nicht wenige Goodyear-Mitarbeiter sehnlichst zurück wünschen. Fiedler hatte gegen Gibara den Kampf um die Ernennung zum CEO verloren, war später mit der der Marke Kelly zugedachten Rolle nicht einverstanden und zog für sich persönlich die aus seiner Sicht notwendigen Konsequenzen. Angeblich würden auch hinter verschlossenen Türen bereits Planspiele betrieben, was zu geschehen habe, wenn Goodyear unter Chapter 11 flüchten müsse. Dazu dürfte akut allerdings kein Anlass bestehen. Goodyear hat zwar deutlich über drei Milliarden US-$ hinausgehende Schulden und einen Pensions Fond, dem bis 2004 auch noch in etwa eine Milliarde US-Dollar zufließen müssen , verfügt andererseits aber noch über ausreichende liquide Mittel und hat einen nicht in Anspruch genommenen Finanzierungsspielraum bei Banken von mehr als einer Milliarde US-Dollar, der ausreichenden Manövrierspielraum bilden dürfte. Allerdings sind im kommenden Jahr Kredite im hohen dreistelligen Millionenbereich abzulösen. Allein die Tatsache aber, dass der Name Goodyear nicht allein in Verbindung mit Junk Bonds (“Müllanleihen”), sondern jetzt sogar mit Chapter 11 auch nur gerüchteweise in Verbindung gebracht wird, zeigt das hohe Maß an Verunsicherung. Das Problem, so viel ist überdeutlich, liegt in Nordamerika, allerdings laufen auch in Europa die Geschäfte schlechter als im Vorjahr. Deutschland schneidet dabei immer noch am besten ab, allen voran die Dunlop-Vertriebsgesellschaft in Hanau. Sollten die Ergebnisse des dritten Quartals allerdings tatsächlich so negativ sein wie von manchem Analysten befürchtet, könnten weitere Teilverkäufe, dann sogar von einzelnen Reifenfabriken/Reifenmarken, notwendig werden. Einig sind sich alle Beobachter allerdings dahingehend, dass eine sogenannte “Feindliche Übernahme” wegen des tiefen Aktienkurses und der damit verbundenen geringen Börsenkapitalisierung angesichts der hohen Schulden nicht zu erwarten ist. Mehr und detaillierte Hintergründe im nächsten Heft der NeueReifenzeitung.
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