Pneu Egger: „Ein viel wertvolleres Instrument

Sicher, im Vergleich zu ähnlichen deutschen Organisationen ist das Schweizer Reifenhandelshaus Pneu Egger mit seinen – immerhin – 38 Niederlassungen ein relativ kleiner Marktteilnehmer. Was den Schweizer Reifenmarkt sowie die Runderneuerungsbranche betrifft, so ist das Unternehmen mit Sitz in Aarau, der Hauptstadt des deutsch-sprachigen Kantons Aargau, dennoch ohne Frage Marktführern und kann dafür nicht nur harte, sondern durchaus auch etliche „weiche Faktoren“ zum Beweis präsentieren. Wer sich mit Gregor Hartmann, der jungen aber dennoch patronalen Führungspersönlichkeit des Unternehmens unterhält, merkt sehr schnell: „Das Ziel im Leben heißt Vorwärtskommen“, und das nicht nur in automobiler Hinsicht…

Die Pneu Egger AG hat sich seit der Gründung des ersten Reifenhandelsbetriebes 1949 – damals noch unter der Firmierung „Pneuhaus Egger und Co“ – zum deutlichen Marktführer im Schweizer Reifenfachhandel weiterentwickelt. Die derzeit 38 landesweiten Niederlassungen sind an allen Standorten präsent, an denen die lokale Kaufkraft der Endverbraucher einen Reifenhandelsbetrieb rechtfertigen lässt. Heute vermarktet das Unternehmen jährlich rund 410.000 Reifen (2006), darunter gut 36.000 runderneuerte Lkw-Reifen, die größtenteils in der eigenen Runderneuerungsanlage (Schweizer sprechen hier von Neugummierung) in Aarau gefertigt werden. Mit der Vermarktung dieser Produkte sowie produktnaher Dienstleistungen in der Werkstatt wie auch im Flottengeschäft (Stichwort Pannenservice) hat die Pneu Egger AG im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 110 Millionen Schweizer Franken erzielt (66,7 Mio. Euro). Allein diese Zahlen rechtfertigen den Hinweis auf die Marktführerschaft von Pneu Egger, das außerhalb der Schweiz kaum nennenswerte geschäftliche Aktivitäten hat. Die Nummer zwei im Lande – die Adam Touring AG – hat zwar gleich viele Niederlassungen, soll damit aber wesentlich weniger Umsatz generieren.

Für Gregor Hartmann (41), dem CEO und Mitinhaber des Unternehmens, sind dies zwar bedeutende Kennzahlen. Diese sind aber bloß die natürliche Folge der konsequenten Umsetzung eines Firmenleitbildes, das er seit Übernahme der operativen Führung des Unternehmens 1998 eingeführt hat und das in Form eines Management-Handbuchs „als Führungs- und Prozessinstrument“ allen knapp 300 Mitarbeitern als Leitfaden für das tägliche Arbeiten dient. Was bei oberflächlicher Betrachtung klingt wie sibyllinische Weisheiten aus einem BWL-Seminar, erlangt bei näherer Betrachtung der Details Züge, die es auch für den beiläufigen Betrachter nachvollziehbar machen. Ein Beispiel: Die Pneu Egger AG sowie all ihre Niederlassungen ist heute das einzige Schweizer Reifenhandelsunternehmen, das sowohl nach ISO 9001 (Qualitätsmanagement), nach ISO 14001 (Umweltmanagement) sowie nach OHSAS 18001 (Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz) zertifiziert ist, und das wiederholt bereits seit knapp drei Jahren. Ursprünglich, so gibt der erfahrene Manager zu, sei die Idee zu den Auditierungen und Zertifizierungen entstanden, um ein zusätzliches Marketinginstrument an der Hand zu haben im Wettbewerb mit anderen Reifenhandelsbetrieben. Es sei also zunächst nicht um die Unterbindung vermeintlicher Missstände im Unternehmen und den darin stattfindenden Prozessen und Abläufen gegangen, wenn auch dies stets und von vornherein eine logische Nebenerscheinung von ISO-Zertifizierungen ist. Das, was die Pneu Egger AG dann allerdings an die Hand bekam, „hat sich als viel wertvoller herausgestellt“, und zwar „als Führungs- und Prozessinstrument“.

Der Beginn des Auditierungs- und Zertifizierungsverfahrens habe zwar eine personelle und kostenseitige Belastung für das Unternehmen dargestellt. Wie üblich in wohl allen Unternehmen, muss der Nutzen eines offenbar unnützlichen Mehraufwands an die Mitarbeiter kommuniziert werden. Nach einiger Zeit habe sich dann aber der „Nutzeneffekt dieser Systeme“ herumgesprochen, auch, da der anfängliche Mehraufwand hauptsächlich ein einmaliger Mehraufwand für die Mitarbeiter in den Filialen darstellte und alsbald den Blick auf mögliche Optimierungen freilegte. So schreibt das Management-Handbuch, das in jeder der 38 Pneu-Egger-Filialen für jeden der Mitarbeiter ständig einsehbar ist und das Gregor Hartmann stolz als „unsere Bibel“ bezeichnet, etwa genaue Arbeitsabläufe bei der Bedienung von Kunden vor. Im Handbuch sind die verschiedenen Schritte von der Begrüßung des Kunden in der Filiale bis hin zur abschließenden Verwertung der anfallenden Altreifen bzw. der Einlagerung der Reifen detailliert beschrieben.

Dass dieses System natürlich einen zentralistischen Führungsstil widerspiegelt, ist Gregor Hartmann durchaus bewusst, und es ist ihm auch nicht unrecht. Schließlich sieht sich der Firmenmitinhaber nicht nur als Manager mit operativen Leitungsaufgaben, sondern eben auch als Patron im wohlverstandenen Sinne. Die Beteiligung an der Pneu Egger AG ist seit der Übernahme von seinem Vater 2003 in seinem Besitz, folglich setzt er seine Fähigkeiten auch zum Wohle dieses Unternehmens ein. Statt zentralistisch spricht Hartmann folglich lieber von einem „patronalen Führungsstil“, der dem Unternehmen und seinem geschäftlichen Erfolg ganz offenbar nicht zum Nachteil gereicht.

Die Arbeitsabläufe und -prozesse sind also bis ins Detail hinein im Management-Handbuch formuliert und dienen so den Mitarbeitern – auch dem Chef und seinen vier Regionalleitern – als Handlungsanweisung und Verhaltenskodex gleichzeitig. Da man natürlich die Kreativität der Mitarbeiter durch ein vorgegebenes System nicht unterbinden will, sondern deren Innovationsfluss angeregt werden soll, trotz relativ starr vorgegebener und für alle einheitliche Regeln, hat Hartmann ein Bonussystem für Verbesserungsvorschläge eingeführt. Selbst für Vorschläge, die den Geschmack des Kaffees für die Kunden in den Filialen verbessert (und nebenbei noch Kosten einspart) hat Pneu Egger mit einer beträchtlichen Summe dotiert. Um die Mitarbeiter auch regelmäßig von der Notwendigkeit des eingeführten Führungs- und Prozessinstrumentes zu überzeugen und sie am Ball zu halten, werden wenigstens zwei Mal jährlich verbindliche Schulungen für jeden Mitarbeiter durchgeführt, je nach Bedarf. Jeder Mitarbeiter besitzt einen Schulungspass, in dem entsprechende Teilnahmen vermerkt werden.

Das Management-Handbuch, das im Rahmen der ISO-Auditierungen und –Zertifizierungen entstanden ist, legt aber nicht nur einheitliche Qualitäts- und Umweltstandards fest. Die verschiedenen Zertifikate stellen mittlerweile darüber hinaus auch einen deutlichen Wettbewerbsvorteil für das Schweizer Reifenhandelsunternehmen dar. Pneu Egger bildet beispielsweise aus; derzeit sind 30 Auszubildende für das Unternehmen tätig, also knapp zehn Prozent der Beschäftigten. Pneu Egger und dessen Filialen garantieren Umwelt- und Qualitätsstandards. Die Arbeitsplätze sind sicher, und außerdem hat sich der Arbeitgeber verpflichtet, wenigstens den Mindestlohn zu zahlen; der Regelfall liege aber darüber. All dies betrachtet Gregor Hartmann als so genannte „weiche Faktoren“ im Wettbewerb mit anderen Reifenhandelsunternehmen. Sie kommen insbesondere dann zum Tragen, wenn sich das Unternehmen etwa um öffentliche Aufträge oder Aufträge von großen Unternehmen bewirbt. Vielleicht biete ein Wettbewerber einen Preis für Reifen an, der einige Prozentpunkte unter dem Pneu-Egger-Preis liegt. Was aber, wenn die Altreifen der Supermarktkette Coop oder der Schweizer Post auf einmal auf einer illegalen Deponie sonst wo auftauchen, weil der unter Vertrag genommene Reifenlieferant eben nicht nach ISO-Normen zertifiziert ist? Einen solchen „Skandal“, so Hartmann, wolle in der Schweiz kein Unternehmen und schon gar nicht die öffentliche Hand leichtfertig riskieren, und dies schon gar nicht, wenn man sich ansonsten als eines dem Umweltschutz verpflichtetes Unternehmen darstellt. Und wer tut dies nicht.

All dies, was ursprünglich einmal als Marketinginstrument ausgelegt gewesen ist, bezeichnet der CEO und Mitinhaber des Unternehmens heute als „elementare Kernwerte der Unternehmenskultur“. Hartmann hat dieses Firmenleitbild für das Management-Handbuch unter dem Stichwort „Vision & Mission“ zusammengefasst. Vision des Unternehmens sei es demnach, „Leader in Markt, Qualität und Umwelt“ zu sein; die Mission sei hingegen: „Wir haben nicht nur Produkte, sondern auch Lösungen.“

Produkte und Lösungen

Die Pneu Egger AG ist, wie oben erwähnt, das führende Reifenhandelsunternehmen. 1949 in der Ostschweiz in St. Gallen gegründet, decken die 38 Filialen heute das gesamte Land ab. Daneben, so berichtet Gregor Hartmann im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, betreibt man noch etwas Großhandel, dies ebenfalls nur in der Schweiz. Der Anteil des Großhandelsgeschäftes liegt zwar bei zehn bis 15 Prozent, entwickelt sich aber seit Jahren eher „stabil“, fällt also hinter die allgemeine Unternehmensentwicklung zurück. „Das Großhandelsgeschäft ist für uns kein strategischer Schwerpunkt; wir haben die Power in unserem Netzwerk.“ Das Netzwerk – damit sind natürlich die 38 Niederlassungen gemeint – diene vorerst dem Endverbraucher und dem Flottenkunden. Pneu Egger bietet also auch einen umfangreichen Service für Pkw- und Lkw-Flotten an, bei dem die üblichen Bausteine wie Reifenmanagement für den gesamten Fuhrpark, Rund-um-die-Uhr-Pannenservice (maximal soll eine Panne 2,5 Stunden dauern, egal wo in der Schweiz) sowie andere Dienstleistungen natürlich nicht fehlen dürfen.

Wer es mit Lkw-Flotten zu tun hat, muss natürlich auch runderneuerte Lkw-Reifen im Produktportfolio haben. Mit der Gründung der ersten Zweigniederlassung des Unternehmens in Aarau 1962 stieg nicht nur Gregor Hartmanns Vater, Hans Hartmann (heute 77 Jahre alt), in das Unternehmen ein, das er dann 1982 auch vom Firmengründer Hans Egger übernahm. Gleichzeitig baute das Unternehmen am neuen Standort in Aarau auch das erste Schweizer Neugummierungswerk. Nachdem Pneu Egger lange Jahre Kunde von Vacuum-Vulk war, sattelte man ab 1998 dann ganz auf Bandag als Lizenzgeber um. Der amerikanische Runderneuerungskonzern hatte in der Zwischenzeit Vacuum-Vulk übernommen und eine Zeitlang beide Marken parallel in der Schweiz geführt. Seither runderneuert Pneu Egger ausschließlich Lkw-Reifen nach dem Bandag-Verfahren. Im vergangenen Jahr hat Pneu Egger (gemeinsam mit der 2006 übernommenen Pneu Muggler AG) rund 31.500 Lkw-Reifen runderneuert. Zu etwa 80 Prozent sind dies Kundenkarkassen, ein Wert, der in der Schweiz üblich ist. Hinzu kommt noch die Vermarktung einiger nicht selber runderneuerter Lkw-Reifen (rund 5.000). Bei einem Bedarf von etwa 90.000 bis 100.000 runderneuerten Lkw-Reifen deckt Pneu Egger folglich etwa 30 Prozent des heimischen Marktes und ist auch in diesem Marktsegment führend. Der Schweizer Nutzfahrzeugreifenmarkt umfasst nach Aussage von Gregor Hartmann rund 150.000 Neureifen jährlich; davon liefert Pneu Egger gut 60.000, was also einer Marktabdeckung von etwa 40 Prozent bei Neureifen ausmacht. „Die Runderneuerung ist für uns natürlich sehr wichtig, da wir das Vertriebsnetz haben“, sagt der CEO und Mitinhaber des Unternehmens. Außerdem spiegele das Produkt den Gedanken des Umweltschutzes wider. Runderneuerte Pkw-Reifen bietet Pneu Egger nicht an und stellt auch selber keine her. Derzeit installiert das Unternehmen am Standort in Aarau gerade eine dritte Produktionslinie und wird folglich noch im Laufe des Jahres seine Produktionskapazitäten ausbauen können. In dem „Familienbetrieb“ werde in anderthalb Schichten gefertigt.

Dass Pneu Egger neben Pkw- und Lkw-Reifen auch bei der Vermarktung von EM-, Industrie- und gerade auch Landwirtschafts- wie auch Motorradreifen führend in der Schweiz ist, muss an dieser Stelle nicht extra betont werden. Auch sei man bei Komplettradgeschäft aktiv und beliefere Autohäuser – gerade mit großen Größen, die diese nicht selber montieren können.

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