Rallye Schweden keine „Reifenmaterialschlacht“
Die Zeiten der großen Materialschlachten sind aus Reifensicht in der Rallye-Weltmeisterschaft vorbei: Gerademal 24 X-Ice North 2-Pneus dürfen die Partner von Michelin pro Auto für die 323,54 WP-Kilometer der Rallye Schweden, die nach einer gestrigen „Super Special Stage“ heute in die heiße Phase tritt, einsetzen. Hinzu kommt ein weiterer Satz für den sogenannten Shake-down.
Die französische Premiummarke bringt insgesamt 740 Reifen mit vier Sattelschleppern nach Hagfors, wo 14 Mitarbeiter für die Betreuung der Werksteams bereitstehen. Die Montierstraße und das Lager befinden sich in einem beheizten 400-Quadratmeter-Zelt – bei Außentemperaturen, die auf bis zu minus 25 Grad Celsium fallen können, eine immense Arbeitserleichterung.
Michelin stellt den Partnerteams den neu entwickelten Winterreifen X-Ice North 2 zur Verfügung. Er zeichnet sich durch jeweils 384 Spikes aus, die sich gleichmäßig über das laufrichtungsgebundene Profil des 195 Millimeter breiten 15-Zoll-Pneus verteilen. Was für Außenstehende aussieht wie ein profaner Nagel, ist tatsächlich das Resultat intensiver Forschung und Weiterentwicklung. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur die Form der gut vier Gramm leichten Stifte. Auch das Material, aus dem sie gefertigt werden, sowie die Art und Weise ihrer Verankerung innerhalb des Reifens zählen zu den Geheimnissen.
Das Reglement besagt: 20 Millimeter dürfen die Spikes für die Rallye Schweden insgesamt lang sein. Je weiter sie aus dem Profil herausragen, desto mehr Halt bieten sie auf Schnee und Eis – umso früher knicken sie aber auch unter dem Gewicht der insgesamt 1.350 Kilogramm schweren Turbo-Allradler ein. Oder sie werden herausgerissen, wenn bei Temperaturen um den Gefrierpunkt erste Schotterspuren durch die Fahrspuren brechen. Zugleich müssen die Spikes wahre Steherqualitäten entwickeln und bis zu 72 Wertungsprüfungskilometer überstehen. Michelin hat sich bei der Neuentwicklung des X-Ice North 2 übrigens für einen Überstand von 6,5 Millimeter entschieden, 0,5 mm weniger als noch beim Vorgänger.
Zweiter wichtiger Aspekt ist das Laufflächendesign. Wird es sehr offen gestaltet, also mit einem hohen Anteil an sogenanntem „Negativprofil“, findet es auf losem Schnee besonders guten Halt. Die vergleichsweise freistehenden Profilblöcke wirken sich normalerweise aber nachteilig auf die Lenkpräzision und Richtungsstabilität bei hohen Geschwindigkeiten aus. Zudem sind sie anfälliger für Beschädigungen von außen, wenn die Rallye-Profis für die schnellste Ideallinie den Kurvenverlauf etwas großzügiger interpretieren. Auch hier haben die Experten von Michelin Lösungen gefunden, um eigentlich widersprüchliche Anforderungen unter einen Hut zu bringen – und dabei nach eigenen Angaben zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die am Ende wieder den Serienreifen zugute kommen. dv
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