Kraiburg veranstaltet erstes „Retreading-Gipfeltreffen“
Kraiburg Austria veranstaltete Ende Juni das erst „Retreading-Gipfeltreffen“ im österreichischen Leogang nahe Zell am See. Rund 70 Gäste aus acht europäischen Ländern und Russland nahmen an der Veranstaltung teil. Das Treffen widmete sich Themen, die der Runderneuerungsbranche aktuell unter den Nägeln brennen. So ging es unter anderem um Konsequenzen, die sich aus den fortschreitenden Designschutzaktivitäten bei Lkw-Profilen und damit für die interne Profilentwicklung bei Kraiburg ergeben. Als zweiten Schwerpunkt präsentierten Hans-Jürgen Drechsler vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk sowie Christoph Priewasser, Produktmanager bei Kraiburg Austria, aktuelle Zwischenergebnisse aus dem „Re-Tyre“-Projekt“ des BIPAVER und dem hierzu parallel laufenden internen Kraiburg Projekt „Reifenlabeling“.
Dieser Text ist im September 2013 in unserer zweisprachigen Redaktionsbeilage “Retreading Special” erschienen.
Nach einer offiziellen Begrüßung durch die Kraiburg-Geschäftsführer Thorsten Schmidt und Stefan Mayrhofer führte die Europäische Patentanwältin Edith Vinazzer in die wichtigsten Punkte des Design- und Patentrechtes ein. Ein Design ist nach aktueller europäischer Rechtslage ohne jegliche Beantragung eines Schutzrechtes in jedem Fall für einen Zeitraum von drei Jahren zugunsten des Veröffentlichers vor Kopien geschützt. Darüber hinaus kann ein weitergehender Designschutz in Form eines Geschmacksmusters beantragt werden. Dieser wird zunächst für die Dauer von fünf Jahren erteilt und kann bis zu vier Mal um je fünf Jahre verlängert werden. Um diesen Schutz erlangen zu können, muss das zu schützende Design eine optische „Eigenart“ besitzen, das heißt, es muss sich vom Gesamteindruck bekannter anderer Designs erkennbar unterscheiden. Für die Laufstreifenentwicklung bei Kraiburg Austria bedeutet dies, neue Profile für die Reifenrunderneuerung in weitaus höherem Maße selbst entwickeln und gestalten zu müssen als dies bisher der Fall war.
Wie dieser Prozess bei Kraiburg aussieht, stellte Dieter Hasenkopf aus dem Innovationsteam am Beispiel des neuen Profils K228 vor. Wie bei den bereits eingeführten Profilen K74, K224 und K225 handelt es sich auch bei diesem Profil um eine komplette Eigenentwicklung, für die Kraiburg die Eintragung des Designmusterschutzes erlangte. Dieter Hasenkopf ging im Weiteren auf Details im Formenbau ein und betonte, dass die Erfüllung geforderter Grenzwerte im Zuge des Reifenlabels für Runderneuerte aus heutiger Sicht einen sehr viel höheren Aufwand bei der Laufstreifenentwicklung nach sich zieht. Die Laufstreifen müssen erstens hinsichtlich ihrer Geräuschentwicklung optimiert, zudem muss die Eignung auf unterschiedlichen Karkassen simuliert werden. Aktuell baut Kraiburg sein Know-how im Bereich Simulation aus und hat sich hierfür Prof. Dr. Günther Willmerding, Steinbeis GmbH & Co. KG, an die Seite geholt.
Um den Runderneuerern die Nutzung der Kraiburg-Designs auch im Heißverfahren zu ermöglichen, kooperieren Kraiburg und Cima Impianti aus Italien seit 2012 auf dem Gebiet des Rundformenbaus. Im letzten Vortrag legte Daniela Fanti, Verkaufsleiterin bei Cima Impianti, dar, wie die Design-Adaptierung der Kraiburg-Laufstreifen für die Heißerneuerung vor sich geht. Hierzu bauen die Formenbauer aus dem italienischen Pistoia auf die Kraiburg CAD-Daten der Flachform auf und transferieren diese in eine Rundform.
Runderneuerung und Reifenlabeling
Der zweite Konferenzteil des „Retreading-Gipfeltreffens“ behandelte das aktuelle Thema der Reifenkennzeichnung. Hans-Jürgen Drechsler vom deutschen Reifenhandelsverband BRV referierte über die seit November 2011 verpflichtende Gesetzgebung zur Typprüfung von Nutzfahrzeugen in Europa. Da runderneuerte Reifen von der Kennzeichnungsverordnung bis 2017 ausgenommen sind, bedarf es bis dahin einer Regelung, die das Inverkehrbringen und den Betrieb von runderneuerten Reifen über diese Frist hinaus ermöglicht. Ergänzend zu den Anforderungen aus der aktuell gültigen ECE 108/109 für runderneuerte Reifen verlangt das Typengenehmigungsverfahren die Einbindung der Kriterien Rollwiderstand, Reifenabrollgeräusch und Nasshaftung. Damit werden gleichzeitig die Voraussetzungen für die Reifenkennzeichnung nach VO-122/2009/EG und VO 1235/2011/EG geschaffen. Im schlimmsten Fall werden runderneuerte Reifen demselben Prozedere wie Neureifen unterworfen. Aufgrund der deutlich größeren Variantenzahl, die sich aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Karkassenfabrikaten, Materialien, Abmessungen und Verfahren ergibt – nach Abschätzung BIPAVER gibt es rund 8.000 Varianten bei allein bei Lkw-Reifen –, drohen den Runderneuerungsbetrieben Prüfkosten in existenzgefährdender Größenordnung. Geschätzt sind dies rund 5.000 Euro je Variante.
Mit dem „Re-Tyre“-Projekt, das mit rund zwei Millionen Euro von der EU gefördert wird, schaffte der BIPAVER eine Plattform, die sich damit beschäftigt, eine politische Lösung für runderneuerte Reifen zu erarbeiten, die zum einen im Einklang mit den Anforderungen aus der Typprüfung und der Reifenkennzeichnung steht, und andererseits für die Runderneuerer auch wirtschaftlich leistbar ist. Neben Verbänden und Runderneuerungsbetrieben ist als einziger Laufstreifenhersteller Kraiburg an dem Projekt beteiligt.
Im zweiten Teil seiner Ausführungen erläuterte Hans-Jürgen Drechsler erstmalig Zwischenergebnisse der bisherigen Reifentests, die aktuell durchgeführt werden. Diese lassen vermuten, dass auch das zweite Projektziel erreichbar erscheint: die Entwicklung eines Simulationswerkzeuges, das bereits im Vorfeld der Herstellung eines runderneuerten Reifens verlässliche Rückschlüsse auf dessen Eigenschaften hinsichtlich der geforderten Kriterien zulässt.
Runderneuert mit Kraiburg – Reifen zweiter Klasse?
Darüber hinaus beschäftigt sich Kraiburg in seinem internen Projekt „Reifenlabeling“ damit, seinen Runderneuerungspartnern Produkte (Laufflächenmischungen und -designs) und Dienstleistungen (ggf. Adaptionen des Runderneuerungsverfahrens) für eine gesetzeskonforme Labelkennzeichnung anzubieten. Ziel von Kraiburg ist es, damit einen erheblichen Beitrag zur Sicherung der Runderneuerung zu leisten.
Abschließend wartete Christoph Priewasser, Produktmanager bei Kraiburg Austria, mit den ersten Zwischenergebnissen auf. Diese bestätigen, dass die Qualität des runderneuerten Reifens maßgeblich von der Qualität der eingesetzten Materialien in Verbindung mit modernen Fertigungstechnologien beeinflusst wird. Die Verwendung erfolgreich im Markt eingeführter Profile aus den Produktgruppen K_base, K_tech und K_plus eröffne dem Runderneuerer schon heute die Möglichkeit, Reifen herzustellen, die sich vor namhaften Neureifenherstellern in punkto Rollwiderstand nicht verstecken müssen. arno.borchers@reifenpresse.de
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