Furioses Zehntelsekunden-Duell bei der Rallye Neuseeland
Der elfte Lauf zur diesjährigen Rallye-Weltmeisterschaft erhält in der Geschichte dieses an spannenden Momenten ohnehin nicht armen Sports ein eigenes Kapitel: Nie zuvor fiel die Entscheidung um den Sieg knapper, selten zuvor hing sie aber auch so sehr von der richtigen Reifenwahl ab. Nach mehr als 353 Kilometern konnte BFGoodrich-Partner Marcus Grönholm in einem Duell der Giganten seinen Erzrivalen Sébastien Loeb um gerademal 0,3 Sekunden auf den zweiten Rang verweisen. Für den finnischen Ford Focus RS WRC-Piloten ist der fünfte Saisonsieg ein wichtiger Schritt in Richtung Titel. Der 39-Jährige verteidigt in der Fahrerwertung jetzt einen Vorsprung von zehn Punkten auf den amtierenden Weltmeister Loeb.
Mal nass, mal trocken, mal matschig: Mit unstetem Winterwetter stellte die Rallye Neuseeland die Rallye-Piloten vor schwierige Aufgaben – speziell, wenn es um den Griff ins Schotterreifen-Regal von BFGoodrich ging. „Alles hängt davon ab, die richtigen Pneus für die bevorstehenden Bedingungen auszuwählen“, erläutert Marcus Grönholm. „Doch dies ist nicht einfach, wenn du die Entscheidung zwei Stunden vor dem Start der nächsten Prüfungen treffen musst, die auch noch hundert Kilometer entfernt war.“
Grönholm hatte dennoch vor dem Beginn der ersten Etappe den besseren Riecher: Er ließ für die nassen, teilweise sogar matschigen Freitagsprüfungen g-Force Gravel mit der weichen Mischung „8“ aufziehen, während Loeb zu den supersoften „8-“ griff. „Das war perfekt“, jubelte der grippegeschwächte Ford-Pilot, der sich schnell einen fast 15-sekündigen Vorsprung herausgearbeitet hatte. „Die ersten beiden Prüfungen machten klar den Ausschlag.“
Am Samstag, jetzt auf staubtrockenen Naturstraßen unterwegs, drehte der französische Titelverteidiger den Spieß jedoch wieder um. „Dank unserer Wetterspione entschied ich mich für einen medium-weichen Schotterpneu“, so der 33-Jährige. „Das war für die noch matschige und vergleichsweise enge WP 7 sicherlich nicht optimal, sollte sich aber auf den WP 8 und 9 auszahlen.“ Am Nachmittag wechselte Loeb sogar auf harte g-Force Gravel „9+“ – erneut die richtige Wahl. „Sobald meine Reifen die richtige Temperatur erreicht hatten, verbesserten sich meine Zwischenzeiten sofort“, so der Franzose, der speziell in der zweiten Hälfte der langen Prüfungen auftrumpfen konnte. „Wir haben alles gegeben, denn wir wollten bis zum Etappenziel unbedingt die Führung erobern.“ Gesagt, getan: Nach elf von 18 Wertungsprüfung eroberte der Citroën-Pilot erstmals die erste Position – auch wenn ihn nur 1,7 Sekunden von Grönholm trennten. „Zu weiche Pneus“, ärgerte sich der Finne. „Ich hab gefühlt, wie sie sich bewegen konnten. Das Auto ist viel zu sehr gerutscht und ich bin aus dem Rhythmus gekommen.“
Was folgen sollte, war Rallye-Sport vom feinsten und eine der aufregendsten Siegentscheidungen, die es in der WM je gegeben hat. Bereits auf der ersten Prüfung des Sonntagmorgens holte sich der Finne – auf den gleichen „8er“-Pneus unterwegs wie Loeb – den Spitzenplatz wieder zurück. Doch der amtierende Weltmeister aus dem Elsass drehte den Spieß mit zwei Bestzeiten gleich wieder um. Am Nachmittag blieb Grönholm bei seiner Reifenwahl, während sein Rivale etwas härtere „9-“ montieren ließ – und gewann die folgenden drei Wertungsprüfungen. Zwischenstand vor der abschließenden, lediglich 3,14 Kilometer langen Zuschauerprüfung rund um den Service-Park: 0,7 Sekunden zugunsten des Ford-Manns. Zwar drehte Loeb noch einmal groß auf, mehr als vier Zehntel konnte er seinem Titelkonkurrenten aber nicht mehr abknöpfen. Marcus Grönholm gewann die Rallye Neuseeland mit 0,3 Sekunden Vorsprung – nach mehr als 353 Kilometern auf Zeit entspricht dies einem Abstand von kaum mehr als 7,5 Metern!
„Das war das engste und zugleich aufregendste Duell meiner ganzen Karriere“, strahlte der Tabellenführer. „Auch im Hinblick auf den Titelkampf bin ich froh, dass ich es zu meinen Gunsten entscheiden konnte. Schon ein verpatzter Gangwechsel hätte die Entscheidung bringen können, dank meiner Routine blieb ich jedoch stets ruhig. Auf aufregendsten war dabei noch immer die Reifenwahl.“ BFGoodrich-Partner Sébastien Loeb nahm das Ergebnis sportlich: „Klar ist es frustrierend, so knapp zu verlieren“, so der Wahlschweizer, der im Laufe der Rallye nur zweimal die gleichen Pneus hat aufziehen lassen wie sein Herausforderer. „Aber acht Punkte für Rang zwei sind besser als nichts.“
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