Euromaster: Nach Restrukturierung nunmehr Qualitätsoffensiven
Die zum Michelin-Konzern gehörende Handelskette Euromaster verkauft europaweit jährlich mehr als zwölf Millionen Reifen an mehr als 4,5 Millionen Kunden. Dabei spielt die deutsche Organisation mit ihrem Netz an über 300 Standorten eine ganz wesentliche Rolle. Nach einer längeren Restrukturierungsphase beginnen die Geschäfte in Deutschland allmählich so zu laufen, wie man sich das bei Euromaster selbst und auch bei der Muttergesellschaft Michelin vorstellt; das ergab sich jedenfalls aus einem Gespräch der NEUE REIFENZEITUNG mit Euromaster-Geschäftsführer Dieter von Aspern und Marketingleiter Joachim Schütt.
Das Betriebsklima bei Euromaster war lange Zeit nicht besonders gut, die Mitarbeiter waren verunsichert und frustriert. Erst hatte der Däne Bent Nielsen Stinnes Reifendienst und danach noch Gummi-Mayer gekauft und war dann an der Integration dieser großen und gegensätzlichen Reifenhandelsketten gescheitert, und er musste an Michelin verkaufen. Heute, nach erfolgter Restrukturierung, verfügt Euromaster über 325 Filialen in Deutschland, beschäftigt rund 1.800 Mitarbeiter fest, dazu weitere 300 Saisonarbeiter. Neben Deutschland managt von Aspern noch die Euromaster-Betriebe in Österreich, nicht aber die in der Schweiz.
Die Geschäftsleitung hat sich zunächst voll und ganz darauf konzentriert, die Belegschaft permanent und umfassend zu informieren, weil anders Motivation nicht zu erzeugen ist, und sie hat sich daran gemacht, Strukturen zu verändern. Waren früher vier Bereichsleiter für das gesamte Netz zuständig, so beschäftigt Euromaster nunmehr 16 Vertriebsleiter, die jeweils für eine überschaubare Zahl von Filialen verantwortlich sind. Die Entscheidungen müssen mehr und mehr vor Ort getroffen werden und so wurde die Verantwortung entsprechend verlagert. Die Vertriebsleiter können mit den regionalen Außendienstlern, die wiederum der Verkaufsleitung unterstellt sind, weitaus mehr entscheiden als dies früher möglich war. Zudem sind heute mehr Leute als zuvor eingesetzt zum Zwecke besserer Kundenbetreuung oder auch besonders für Lkw- und Pkw-Flotten und Leasinggesellschaften. Laut von Aspern wurde das Personal in diesem Bereich in etwa verdoppelt.
Die Führung von Euromaster ist für das deutsche Management eine einzigartige Herausforderung. Es ist zu bedenken, dass das Gesamtnetz nicht organisch gewachsen ist, sondern durch eine rasche Zahl aufeinander folgender Akquisitionen entstanden ist. Es gab (und gibt) schöne und hässliche Betriebe, moderne und unmoderne, solche mit hervorragender technischer Ausstattung und solche mit eher erbärmlicher Ausstattung, und natürlich gab (und gibt) es erfolgreiche Filialen und solche, die mehr oder weniger nahtlos und zuverlässig Verluste erwirtschaften. Und das Netz ist an einigen Stellen über- und an anderen Stellen noch unterbesetzt. Bis das Management alle Filialen auf annähernd gleich hohem Standard hat, bis der Auftritt nach außen einheitlich und das Netz optimiert ist, werden noch ein paar Jahre ins Land gehen.
Es überrascht nicht, dass Euromaster sich sehr stark der Vermarktung von Nutzfahrzeugreifen zuwendet und dabei eine hohe Servicequalität sicherstellt. Was bei Euromaster als „Vier-Leben-Konzept“ gilt, ist bei Michelin bekannt als Ne-Na-Re-Na (= Neureifen-Nachschneiden-Runderneuerung- Nachschneiden). Detailliert werden alle relevanten Daten der Flotten erfasst, viele Leute sind an Samstagen im Einsatz, weil dann viele der betreuten Lkw auf den Höfen stehen. Und der ganze Einsatz lohnt sich durchaus. Euromaster verzeichnet seit einigen wenigen Jahren zweistellige Zuwachsraten, eine stärkere Beanspruchung des Breakdown-Service. Momentan sind bereits 50 Servicemobile im Einsatz. Euromaster sieht klar, dass der Wettbewerb im Geschäft mit Nutzfahrzeugreifen nur über eine ganz und gar erstklassige Betreuungs- und Dienstleistungsqualität zu gewinnen ist.
Die Tatsache, dass Euromaster als Muttergesellschaft Michelin im Rücken hat, ist ein großer Vorteil, wenngleich es intern durchaus Barrieren gibt und es auch zu Konflikten kommen kann. Dazu sehen eine Reihe von Reifenhändlern manche Euromaster-Verkaufsaktion als gegen den Handel gerichtet an, ganz so als versuche Michelin den Fachhandel über die Handelstochter Euromaster zu schwächen. Bei Licht besehen, wird wohl doch viel zu viel in manche Euromaster-Aktionen hineingeheimnist. Viele davon machen aus Handelssicht durchaus Sinn und man fragt sich, warum Reifenhändlern/Kooperationen landesweit geführte Aktionen (wie zum Beispiel die Gutscheinaktion mit Tchibo) zur Überbrückung der schwächeren Wochen nicht längst schon eingefallen waren.
Das äußere Erscheinungsbild
Grob gesagt verfügt Euromaster heute über etwas mehr als hundert neue, hervorragend konzipierte Filialen, und auch alle anderen Betriebe haben bereits ein so bezeichnetes „fresh up“ hinter sich. Allerdings ist die technische Ausstattung immer noch nicht auf gleichbleibend hohem Niveau angelangt. So gab es bis vor kurzem nicht einmal in jeder Filiale eine Achsvermessungsanlage. Es ist ganz klar Euromaster- Politik, auch für den Bereich Pkw-Reifen die Servicequalität zu verbessern und den Kernservice zu erweitern. Es geht nicht allein darum, immer neue Kunden für sich zu gewinnen, sondern vorrangig muss auch darauf geachtet werden, die immer noch vorhandenen Potenziale beim gegenwärtigen Kundenstamm möglichst optimal auszuschöpfen. Vor allen Dingen aber zielt Geschäftsführer von Aspern auf einen massiven Ausbau der Dienstleistungsangebote, weil er nur damit einen schnellen und wirklich signifikanten Beitrag zum Ergebnis gewährleisten kann. Die Alternative läge in einer unrealistisch hoch angesetzten zusätzlichen Verkaufszahl von Reifen für die betreffenden Filialen. Als bewährtes Mittel hat sich ein Benchmarking zwischen den Filialen erwiesen. Es zeigt sich dabei, dass einige Filialen nahezu die gleiche Menge an Pkwund Nutzfahrzeugreifen absetzen und dennoch fundamentale Ergebnisunterschiede aufweisen. Sobald sich das die betroffenen Filialleiter bewusst gemacht haben, können sie auch an den richtigen Stellschrauben drehen und ihre verbesserten betriebswirtschaftlichen Kenntnisse anwenden bzw. unter Beweis stellen.
Nach wie vor besteht das Filialnetzwerk aus einem Gemisch. Euromaster hat Filialen, die sich ausschließlich um die Nutzfahrzeugreifenvermarktung kümmern, hat viele andere Filialen, in denen nur Pkw- Reifen und die damit verbundenen Dienstleistungen angeboten werden. Aber zum weit überwiegenden Teil handelt es sich um Filialen, die alle Reifenarten vermarkten. An dieser Zusammensetzung wird sich nach Einschätzung von Asperns auch in der Zukunft nicht allzu viel ändern, da es keinen einheitlichen Lösungsansatz gebe. Was er aber anstrebt, ist der deutliche Ausbau des Angebots über den Reifenbereich hinaus in Richtung Autoservice, weil damit die Ergebnisse signifikant zu verbessern sind und das beschäftigte Personal sich optimal entfalten kann. Doch dieser Ausbau ist nicht grenzenlos. Euromaster wird immer in erster Linie als ein Reifenfachbetrieb erkennbar bleiben. Doch zu den platten Wahrheiten gehört wohl auch, dass immer noch die eine oder andere Filiale geschlossen werden wird, wenn sie kein Potenzial mehr zu bieten hat.
Wenn bei Euromaster von „Mindeststandards“ gesprochen wird, die zu setzen sind, heißt das übersetzt so viel, dass sowohl die technische Ausrüstung als auch die Qualität der Mitarbeiter in höchstem Maße von der Kundschaft anerkannt werden. So werden nicht nur Filialleiter betriebswirtschaftlich fit gemacht, sondern auch der Mechaniker wird für verkäuferische Aufgaben trainiert. Dass die Weiterbildungsmaßnahmen auf fruchtbaren Boden fallen und das Betriebsklima gut ist, lässt sich mit einer unter einem Prozent liegenden Fluktuationsrate dokumentieren. Last, but not least sorgt Euromaster auch selbst dafür, genug gut ausgebildete Leute bekommen zu können. 170 Lehrlinge befinden sich momentan in einem Ausbildungsverhältnis, davon werden jährlich circa 70 am Ende ihrer Ausbildungszeit übernommen.
Joachim Schütt ist als Marketingleiter so etwas wie von Asperns rechte Hand. Schütt ist vor drei Jahren aus dem Handelsmarketing von Tchibo/Eduscho zu Euromaster gewechselt und hat dort ein systematisches Marketing eingeführt, das es zu Viborg-Zeiten einfach nicht gab. Dieses umfasst heute diverse Marketingservices, Kommunikation, Marketinganalysen, so dass stets völlig klar ist, was Kunden erleben und was sie erwarten bzw. erwarten dürfen.
Wenn man schon Euromaster heißt, dann ist es nicht allzu weit zum nächsten Namen bzw. zur nächsten Bezeichnung. Euromaster hat nicht allein Dienstleistungen, sondern einen Masterservice, und zwar einen präzise formulierten Masterservice für Pkw-Reifenkunden wie für Kunden von Nutzfahrzeugreifen. Und um den Ausbau bzw. die Schlagkräftigkeit dieses Masterservice wird es gehen, wenn Euromaster auch in Deutschland nachhaltig erfolgreich sein will. Euromaster setzt somit sowieso auf die besten Produkte, aber dann auch auf den besten Service und – möglichst – die besten Mitarbeiter. Dass Konkurrenten – sofern man das in der Euromaster-Zentrale in Kaiserslautern richtig beobachtet hat – zunehmend den Versuch unternehmen, Mitarbeiter abzuwerben, wird mit einem lachenden und einem weinenden Auge zugleich gesehen. Die Fähigkeiten der Leute sind damit anerkannt, doch diese fähigen Mitarbeiter will Euromaster ja schließlich halten.
Das neue Bewusstsein der Belegschaft kann inzwischen auch auf Internetforen verfolgt werden. Sobald dort über Euromaster und Michelin debattiert wird (Standardvorwurf: Michelin versetzt angeblich Euromaster in die Lage, den örtlichen Handel auszuschalten), erfolgen auch Reaktionen aus dem Kreis der Filialleiter, die den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe richtiger einzuschätzen wissen und auch zum Ausdruck bringen, was wirklich Sache ist. Das zudem mit Argumenten, die selbst Zweifler zu überzeugen wissen.
Genauere Umsatz- und Ertragszahlen liegen dieser Zeitschrift nicht vor. Nach allem, was bisher zu hören war, werden erstens jedenfalls keine Verluste produziert und zweitens entwickeln sich die Zahlen mit einer erfreulichen Tendenz. Dabei bleibt alles immer relativ. Was objektiv betrachtet relativ gut für eine im harten Wettbewerbskampf stehende Handelskette ist, muss für die Konzernmutter nicht unbedingt bereits befriedigend sein. Was soll’s? Wer sich im Wettbewerb befindet, hat sich auf einen Langstreckenlauf eingelassen, der kein Zielband kennt.
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