Größer, schneller, und das auch im Winter
Für den Goodyear-Konzern, der mit den Marken Goodyear, Dunlop, Fulda und Falken gleich vier Marken im 4×4-/Offroadreifensegment platziert hat und damit rund ein Drittel des deutschen Ersatzmarktes bedienen dürfte, sind die jüngsten Marktentwicklungen durchaus vielversprechend. Im Wesentlichen gebe es bei den Reifen zwei wichtige Entwicklungen, die gleichzeitig auch dem Reifenhandel zugute kommen, sagt Jörn Stövesand, Offroadreifen-Verantwortlicher bei Goodyear in Köln: Endverbraucher verlangen mehr Winterreifen und größere Dimensionen für höhere Geschwindigkeiten.
Die Nachfrage nach 4×4- bzw. Offroadreifen, und darunter fallen nach tradierter Definition auch moderne SUV-Reifen, hat in den vergangenen Jahren in Deutschland und Westeuropa regelmäßig um rund zehn Prozent jährlich zugenommen. Das allein zeige schon, dass es sich dabei um einen „vielversprechenden Wachstumsmarkt“ handelt, so Jörn Stövesand mit Blick auf den stagnierenden Pkw-Reifenersatzmarkt, der allerdings auch unter den guten Absätzen bei 4×4-/Offroadreifen leiden dürfte.
Ein Großteil der Marktentwicklung wird dabei allerdings von den immer stärker aufkommenden Winterreifen getragen. Laut Stövesand liege die Umrüstquote in Deutschland heute bei 30 bis 35 Prozent, und durch die jüngste Änderung der Straßenverkehrsordnung erwarte man weitere Absatzsteigerungen und eventuell einmal eine ähnlich hohe Umrüstquote wie bei Pkw-Reifen.
Wenn beispielsweise im vergangenen Jahr laut Europool-Statistik der Absatz an 4×4-Reifen insgesamt um 12,6 Prozent in Deutschland zugenommen hat (Westeuropa: +9,5 %), dann hat der Absatz an 4×4-Winterreifen im selben Zeitraum um 36 Prozent (Westeuropa: +29,1 %) zugenommen. Das bedeutet: 39,5 Prozent der in Deutschland im vergangenen Jahr verkauften 4×4-Reifen waren Winterreifen (Westeuropa: 20 %). In den beiden Jahren zuvor waren es ebenfalls Winterreifen, die das Marktwachstum angetrieben haben mit 37,7 Prozent (2004) bzw. 46,5 Prozent (2003). Ähnliche Zahlen, wenn auch jeweils rund zehn Prozentpunkte darunter, wurden laut Europool-Statistik in Westeuropa registriert.
„Der Markt lebt von Winterreifen“, ist folglich auch der Schluss von Jörn Stövesand, Product Coordinator Light Truck & 4×4 bei Goodyear, der diesen Trend auch für die kommenden Jahre prognostiziert. Es seien zwar bereits heute viele MT-Reifen, die für den Gebrauch im schweren Gelände bestimmt sind, M+S-markiert, da sie aus den Vereinigten Staaten stammten. Hier werde aber bereits von der Industrie und dem Handel entsprechende Aufklärungsarbeit geleistet.
Für Hersteller wie Goodyear ist die große Nachfrage nach 4×4-/Offroadwinterreifen aber noch in einem zweiten Aspekt durchaus vielversprechend: die Produktion ist wenig komplex, da die Bandbreite der nachgefragten Größen wesentlich geringer ist als bei Sommerreifen. Mit den 20 gängigsten Winterprofilgrößen können heute laut Goodyear 87,5 Prozent der Nachfrage in Deutschland abgedeckt werden. Allein mit den drei bedeutendsten Dimensionen 235/65 R17, 255/55 R18 und 235/55 R17 kann ein Reifenhersteller heute 38 Prozent der Nachfrage nach 4×4-/Offroadwinterreifen decken. Bei 4×4-/Offroadsommerreifen ist die Bandbreite vielfältiger, wenn nicht sogar komplex-unübersichtlich. Die 20 gängigsten Sommerprofilgrößen decken hier laut Goodyear gerade einmal 46,6 Prozent der Nachfrage; und die drei erstplatzierten Dimensionen für den Sommer (215/65 R16, 245/70 R16 und 205/80 R16) decken gerade einmal 10,9 Prozent der Nachfrage.
Der 4×4-/Offroadsommerreifenmarkt ist ungemein zersplittert, was die nachgefragten Größen betrifft. Allein dass die drei am stärksten nachgefragten Größen 16-Zoll-Reifen sind, also kleiner als die wichtigsten Größen für den Wintereinsatz, zeigt die Komplexität des Marktes. Obwohl 16-Zoll-Sommerreifen in der Statistik vorne liegen, rüsten SUV-Fahrer im Winter doch eher ab und nehmen Winterprofile eine Nummer kleiner, so Stövesand. Da die einzelnen Anteile pro Dimension bei Sommerreifen allesamt im unteren, einstelligen Prozentbereich liegen, dürften 16-Zoll-Reifen nicht als die „Standardgröße“ bei Sommerreifen bezeichnet werden, wenn sie auch die Statistik anführten.
Während die Reifenhersteller also mit zahllosen verschiedenen Dimensionen und auch Spezifikationen bei 4×4-/Offroadsommerreifen zu tun haben (All-Terrain, Mud-Terrain, Straße, HP-Straße), die hauptsächlich aus der Erstausrüstung nachgefragt werden, wird im Winter pro Dimension stets nur ein Profil vorgehalten. Die Länge der Dimensionsstatistik bei Sommerreifen führt natürlich auch dazu, dass in kleinen Chargen produziert wird und folglich Produktionskapazitäten und Lieferfähigkeiten immer ein Thema seien, bestätigt Jörn Stövesand. Bei Goodyear in Köln will man aber nicht ausschließen, dass sich die Komplexität des Sommerreifenmarktes in naher Zukunft verringert, wenn sich allgemein die „Modeerscheinung SUV“ etwas gelegt bzw. stabilisiert hat.
Neben der steigenden Nachfrage nach 4×4-/Offroadwinterreifen lebt der Markt derzeit auch von der Nachfrage nach größeren Dimensionen für höhere Geschwindigkeiten. Unter den 20 am meisten nachgefragten Sommerreifendimensionen stehen zehn, die laut Goodyear-Statistik im ersten Halbjahr 2005 (aktuellere Daten liegen verständlicherweise noch nicht vor) an Bedeutung eingebüßt haben. Mit einer Ausnahme (235/65 R17) liegen die Verlierergrößen allesamt bei 15 und 16 Zoll. Unter den zehn Gewinnerdimensionen sind andererseits fünf zwischen 17 und 20 Zoll – ein deutlicher Trend. Der gleiche Trend lässt sich im Übrigen auch 4×4-/Offroadwinterreifen feststellen. Auch hier liegt das Gros der rückläufigen Größen bei 15 und 16 Zoll, während die Gewinnergrößen überwiegend (4 von 6) bei 17 und 18 Zoll liegen.
Aber auch bei den Speedindizes fällt der allgemeine Trend hin zu H und V auf. Selbst in W und Y sind mittlerweile 4×4-/Offroaddimensionen auf dem Ersatzmarkt, was natürlich Hersteller wie Handel gleichermaßen freut. Dabei ist etwa der Niedergang des S-Segments (bis 180 km/h) scheinbar nicht mehr aufzuhalten. In der Dimensions-Hitliste für Sommerreifen befindet sich lediglich eine Dimension (205/80 R16), die trotz einer S-Indizierung noch eine Zunahme an Marktnachfrage im ersten Halbjahr 2005 erfahren hat. Die anderen drei bis 180 km/h zugelassenen Sommerreifen haben teilweise beträchtliche Einbußen erfahren. Im vergangenen Jahr war zwar noch jeder dritte in Deutschland verkaufte 4×4-/Offroadreifen auf eine Geschwindigkeit von 180 Km/h begrenzt. Zwei Jahre zuvor waren dies allerdings noch über 41 Prozent. Branchenkenner gehen folglich bereits von einem langsamen Sterben dieses Marktsegments aus. In den Jahren 2003 bis 2005 haben V-Sommerreifen im 4×4-/Offroadsegment 65,2 Prozent an Bedeutung in Deutschland hinzugewonnen, so die Europool-Statistik. Im selben Zeitraum ging der Absatz Industrie an Handel bei S-indizierten Reifen um 18,7 Prozent zurück. Der Trend ist also mehr als eindeutig, was sich auch auf ganz Westeuropa übertragen lässt.
Eines der zentralen Themen der Entwickler im vergangenen Jahr waren 4×4-/Offroadreifen mit Notlaufeigenschaften. Goodyear habe jetzt als erster Hersteller einen entsprechenden Reifen in der Größe 255/55 R19 mit RunOnFlat-Technologie auf den deutschen Ersatzmarkt gebracht, erklärt Jörn Stövesand. Der Offroadreifen-Verantwortliche weiter: „Das verdeutlicht unseren Führungsanspruch bei Notlaufsystemen.“ In Köln wie auch in der europäischen Konzernzentrale Goodyears sei man überzeugt davon, dass sich auch bei SUV-Reifen die Notlaufreifentechnologie durchsetzen werde, der Einstieg sei jetzt über den Ersatzmarkt geschafft, die Erstausrüstung werde wie bei Pkw-Reifen folgen.
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