Erholung der Nfz-Märkte gibt der IAA „Rückenwind“, sagt der VDA
„Die Nutzfahrzeugindustrie hat dem Orkan, der 2009 über die Märkte fegte, standgehalten und in der Krise ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Jetzt gibt es ermutigende Signale: Es geht wieder vorwärts, die Märkte erholen sich rascher als erwartet“, so Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Der Auftragseingang für schwere Lkw (über sechs Tonnen), den der VDA als „konjunkturellen Frühindikator“ ansieht, habe im ersten Halbjahr um 80 Prozent über dem krisenbedingt niedrigen Vorjahresniveau gelegen. Besonders das Auslandsgeschäft verläuft demnach positiv: Hier soll sich der Auftragseingang in den ersten sechs Monaten mehr als verdoppelt (plus 108 Prozent) und der Export im schweren Bereich um 22 Prozent auf 26.720 Einheiten zugelegt haben. Allein für den Juni wird bezüglich des Exportes von Lkw über sechs Tonnen von einem Zuwachs um 104 Prozent berichtet. „So beeindruckend diese hohen Zuwachsraten auch aussehen mögen – wir dürfen nicht vergessen, dass die Nutzfahrzeugindustrie weltweit und auch in Deutschland im vergangenen Jahr durch das bislang tiefste Tal gegangen ist. Entsprechend niedrig ist die Vergleichsbasis 2009“, relativiert Wissmann das Zahlenwerk. Nichtsdestotrotz freut man sich natürlich auch über den Zuwachs um 46 Prozent bei den Auftragseingängen schwere Lkw betreffend, der aus dem Inland verzeichnet wird und sich – mit leichter Verzögerung – auch im Absatz widerspiegelt. Denn dem VDA zufolge wurden in diesem Segment im Mai erstmals seit September 2008 wieder Zuwächse verzeichnet, und im Juni seien die Neuzulassungszahlen sogar um 37 Prozent nach oben geklettert. Die Inlandsproduktion im schweren Bereich konnte demnach im ersten Halbjahr um nahezu ein Viertel auf 45.720 Fahrzeuge gesteigert werden (plus 24 Prozent), und allein im Juni soll die Produktion von schweren Lkw (über sechs Tonnen) mit 9.670 Einheiten um 125 Prozent über dem Vorjahresmonat gelegen haben.
Im Transportersegment (bis sechs Tonnen) ist der ausländische Auftragseingang nach Angaben des Verbandes im ersten Halbjahr um 42 Prozent gestiegen, während sich der Export um vier Fünftel (plus 79 Prozent) auf fast 80.000 Einheiten erhöhte und die Inlandsfertigung um mehr als die Hälfte auf 109.710 Fahrzeuge (plus 52 Prozent) zulegte. Insgesamt sei der Export von Nutzfahrzeugen im ersten Halbjahr um 57 Prozent auf 108.910 Einheiten gestiegen, während die Neuzulassungen ein Plus von sieben Prozent auf 129.080 Fahrzeuge aufwiesen und – wie es weiter heißt – die Nutzfahrzeuginlandsproduktion um 41 Prozent auf 158.400 Fahrzeuge erhöht werden konnte. „Wir erwarten, dass die positive Tendenz auch in der zweiten Jahreshälfte Bestand haben wird, und rechnen daher im Gesamtjahr 2010 mit einem Anstieg des Inlandsmarktes bei schweren Lkw (über sechs Tonnen) um fünf Prozent auf 64.000 Einheiten. Allerdings sind wir damit noch immer weit von dem hohen Niveau des Jahres 2008 entfernt, das bei knapp 100.000 Einheiten lag. Das Transportersegment wird im Gesamtjahr im Inland um drei Prozent auf 180.000 Fahrzeuge steigen“, unterstreicht der VDA-Präsident. Auch die Produktion von Nutzfahrzeugen an den ausländischen Standorten deutscher Hersteller ist seinen Worten zufolge gestiegen. „Wichtige Auslandswerke von schweren Nutzfahrzeugen (über sechs Tonnen) wiesen in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres Zuwächse von mehr als 50 Prozent auf, so die USA mit 52 Prozent und Japan (Fuso) mit rund 100 Prozent. Die Auslandsproduktion von Transportern (bis sechs Tonnen) stieg im gleichen Zeitraum in allen wichtigen Werken um mehr als ein Drittel. So legte der wichtigste ausländische Fertigungsstandort Polen um 38 Prozent zu, Brasilien um 105 Prozent und Spanien um 58 Prozent“, teilt der Verband darüber hinaus mit.
„Wir gehen also mit konjunkturellem Rückenwind auf die 63. IAA Nutzfahrzeuge, die im September in Hannover ihre Tore öffnet. Diese IAA kommt zum richtigen Zeitpunkt. Sie wird zeigen, wie erfolgreich wir aus der Krise herausfahren. Wir sind fest entschlossen, damit ein klares Aufbruchssignal für die weltweite Nutzfahrzeugindustrie auszusenden“, betont Wissmann. Auf Messe für Mobilität, Transport und Logistik werden die Nutzfahrzeugunternehmen ihre neuesten Entwicklungen präsentieren: Aerodynamik, Hybridisierung, alternative Kraftstoffe, Elektromobilität und Sicherheit sind die Stichworte. „Die Vorbereitungen zur IAA laufen auf vollen Touren. Wir erwarten rund 1.700 Aussteller und liegen damit bereits wieder über dem Niveau von 2006“, so der VDA-Präsident, der die Nutzfahrzeugindustrie zu den Schlüsselbranchen der Weltwirtschaft zählt. „Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer modernen Industriegesellschaft. Denn Wohlstand entsteht vor allem durch Arbeitsteilung. Das setzt voraus, dass produzierte Güter rechtzeitig an Ort und Stelle sind. Den größten Beitrag dazu leisten Nutzfahrzeuge: Sie schultern in Europa über 72 Prozent der gesamten Güterverkehrsleistung. Die Aschewolke aus Island hat gezeigt: Nur wenige Tage ohne Luftverkehr führen zu enormen Komplikationen. Die Probleme wären vielfach schlimmer, wenn Nutzfahrzeuge in Europa einige Tage nicht unterwegs sein könnten: Die Supermärkte wären in kürzester Zeit leer, die Feuerwehr würde nicht mehr rechtzeitig ankommen, auch der Müll würde nicht mehr abtransportiert. Und selbst die Fußballweltmeisterschaft wäre ein eher trübes Fest geworden, weil in den Kneipen und auf den Fanmeilen das Bier und das Grillfleisch ausgegangen wären“, meint er. Nutzfahrzeuge seien damit „entscheidende Leistungsträger“, um eine moderne arbeitsteilige Wirtschaft auf Touren zu halten.
Dass die Branche die nun anscheinend mehr oder weniger zurückliegende Krise „vorausschauend und klug“ gemeistert hat, macht Wissmann an der Beschäftigungsentwicklung in der gesamten deutschen Nutzfahrzeugindustrie fest: Denn seinen Worten zufolge lag der Rückgang der Stammbelegschaften bei gerade einmal fünf Prozent. „Die Nutzfahrzeugunternehmen wissen, dass man das Know-how der Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten an Bord halten muss – nur dann ist man für den nächsten Aufschwung gerüstet“, meint der VDA-Präsident. Gleichzeitig seien die Investitionen für Forschung und Entwicklung trotz Krise nicht abgesenkt worden, was den Unternehmen beim jetzt erkennbaren Aufschwung zugutekomme. Trotz steigender Neuzulassungszahlen sei die Krise allerdings noch nicht ganz überstanden. „Es wird länger dauern, bis wir das Absatzniveau wieder erreichen, das wir vor der Krise hatten. Die Produktionsvolumina etwa in Westeuropa, Nordamerika und Japan werden 2010 noch um 30 bis 40 Prozent niedriger sein als im Jahr 2008. Aber eines ist klar: Die Erholung der Nutzfahrzeugmärkte hat begonnen“, so Wissmann. Die weltweite Transportnachfrage werde wieder anziehen; Prognosen gehen von einem weltweiten Wirtschaftswachstum von bis zu vier Prozent im Jahr 2010 aus. „Die Dynamik wird jedoch unterschiedlich verteilt sein. In den Schwellenländern erwarten wir weiterhin dynamisches Wachstum, in Europa wird die Entwicklung moderater sein“, sagt der VDA-Präsident.
Die Struktur des Nutzfahrzeugweltmarktes habe sich – so Wissmann – zugunsten von China verändert. Das Land hatte 2008 lediglich einen Anteil von weniger als 30 Prozent im schweren Segment (über sechs Tonnen), 2010 werden es bereits über 40 Prozent sein. Auch wenn sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft etwas abschwächen dürfte, so bleibe der Ausblick positiv. Der US-Markt für Trucks sei seit Mitte 2009 wieder auf Erholungskurs; für 2010 erwartet man dort ein Wachstum von etwa elf Prozent. Der brasilianische Nutzfahrzeugmarkt soll im bisherigen Jahresverlauf um mehr als die Hälfte zugelegt haben, während für Westeuropa für das laufende Jahr dagegen nur ein leichtes Plus gegenüber 2009 prognostiziert wird. „Bei den schweren Fahrzeugen wird es 2010 noch keine entscheidenden Marktimpulse geben, eher eine Stabilisierung. Eine durchgreifende Erholung ist erst im kommenden Jahr zu erwarten“, sagt Wissmann voraus, der sich zugleich überzeugt zeigt, dass der Lkw das zu erwartende Verkehrswachstum der kommenden Jahre bewältigen könne.
„Doch wir sollten hierfür technischen Innovationen auch eine Chance geben. Der bundesweite Feldversuch mit längeren Lkw-Kombinationen ist dazu ein wichtiger Meilenstein. Wir können mit einer sinnvollen Anpassung von Maßen und Gewichten die Kapazität des Straßengüterverkehrs mit vergleichsweise einfachen Mitteln erhöhen. Das spart Fahrzeugkilometer und Kohlendioxid“, so Wissmann. Der VDA sei diesbezüglich auch mit der Deutschen Bahn AG in einem konstruktiven Dialog. „VDA und Bahn ist es gelungen, gemeinsame Vorstellungen für die Verkehrspolitik der Zukunft zu formulieren und in einem Papier vorzustellen. Wir stimmen dabei überein, dass wir mehr Effizienz im Straßengüterverkehr wollen und andererseits ebenso auch im Zuge co-modaler Lösungen die künftige Entwicklung des Schienengüterverkehrs fördern“, so Wissmann. Die Zeiten, in denen Verkehrsträger einander Marktanteile abjagen wollten, seien vorbei. Heute gehe es „darum, gemeinsam Lösungen zu finden, um Wachstum und Wohlstand zu fördern“.
Darüber hinaus verweist Wissmann noch darauf, dass der Lkw seine Emissionen in den vergangenen Jahren drastisch reduziert habe. Ein moderner EURO-V-Lkw soll im Durchschnitt 85 Prozent weniger Schadstoffe emittieren als ein Euro-0-Fahrzeug von vor 25 Jahren. Ein 40-Tonner verbrauche heute im Durchschnitt nur noch 32 oder weniger Liter auf 100 Kilometer – und nicht mehr 48 Liter, wie noch Ende der sechziger Jahre. „Die Ökobilanz des Lkw hat sich ständig verbessert. Der Lkw ist heute für zahlreiche Relationen und Transportarten das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Auch in der breiten Öffentlichkeit sollte diese Erkenntnis reifen“, unterstreicht Wissmann. „Wer vom Nutzfahrzeug spricht, muss wissen: Busse sind das Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs. Sie befördern jedes Jahr im Nahverkehr in Deutschland weit über fünf Milliarden Fahrgäste – deutlich mehr als Eisenbahn und Straßenbahnen“, ergänzt er. Im Fernlinienverkehr sehe das Bild hingegen anders aus: 123 Millionen Menschen nutzten 2009 die Bahn, nur zwei Millionen Fahrgäste waren mit dem Linienbus unterwegs. Als Grund dafür wird ein regulatorischer Eingriff genannt: Seit fast 80 Jahren würden neue Buslinien in Deutschland nur noch in wenigen Ausnahmen genehmigt, was die Bundesregierung nun aber ändern und den Buslinienfernverkehr liberalisieren wolle. „Der VDA unterstützt dies mit Nachdruck. Wir wissen um die großen Stärken des Busses: Der Bus ist ein besonders flexibles und sicheres Verkehrsmittel. Aber er ist vor allem ein vorbildlicher Klimaschützer: 33 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer und Fahrgast – das ist ein unschlagbarer Wert“, meint Wissmann. cm
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