Fiege: Lager und Transport sind wie „Brot- und Buttergeschäft“

39 Jahre alt, verheiratet und zwei Kinder. Ist dies eine Grundvoraussetzung, um Manager bei Fiege in der Reifenlogistik zu werden? Sicher nicht, aber auf die beiden Managing Director Christian Thiemann und Stephan Wittenbrink, die den Bereich Reifenlogistik bei Fiege verantworten, und ihren Business Development Manager Carsten Syndikus treffen genau diese Merkmale zu. Die NEUE REIFENZEITUNG traf Stephan Wittenbrink und Carsten Syndikus im Lager in Dortmund. Beide sind sich einig: „Sicher muss man nicht genau diese Merkmale erfüllen, aber wir sind ein Traditionsunternehmen mit einem jungen Gesicht. Ein Familienbetrieb im wahrsten Sinne des Wortes. Mittlerweile in der fünften Generation.“

Seit 1873 ist man im Geschäft. Macht mittlerweile mit 13.000 Mitarbeitern einen Umsatz von über 1,5 Milliarden Euro. Mit der Reifenlogistik hat das Unternehmen 1978 begonnen. Mehr als 35 Millionen Pneus bewegt das Unternehmen mittlerweile jährlich. 360.000 Quadratmeter der insgesamt 2,9 Millionen Quadratmeter Gesamtlagerfläche stehen dazu zu Verfügung, 800 Mitarbeiter des Unternehmens an 14 Standorten in Europa sind nur mit der Reifenlogistik beschäftigt. Hier hat sich im Laufe der Jahre einiges verändert: Hat Fiege früher Transporte von A nach B übernommen, werden heute Logistikkonzepte angeboten, die individuell auf die Kunden zugeschnitten sind. Die Auftraggeber lesen sich wie das „Who is Who“ der Reifenhersteller: Bridgestone, Pirelli, Hankook, Yokohama, Falken, Toyo, Nokian, Apollo-Vredestein, Continental, Giti und noch weitere. Aber auch Großhändler aus Deutschland und Benelux wickeln ihre Logistik beziehungsweise auch nur den Transport mittlerweile über Fiege ab. Stephan Wittenbrink: „Mit den Reifenherstellern haben wir teilweise langjährige gewachsene Partnerschaften. Bei den Großhändlern sind dies jüngere Partnerschaften. Ich bin mir sicher, aus diesem Bereich werden wir noch weitere Kunden hinzugewinnen. Der Markt ist ja derzeit im Wandel.“

Lose Reifen sorgen für sofortige Einlagerung

Täglich bewegen die Fiege-Mitarbeiter Tausende von Reifen. Dazu gehören die passgenaue Einlagerung samt automatischer Rückmeldung an den Kunden per EDI, das komplette Orderprocessing, steuerbare FIFO- oder FEFO-Abwicklung (First In First Out bzw. First Expired First Out), gezieltes DOT-Management und Qualitäts- und Quantitätskontrollen. Dazu können passende Leistungen wie etwa Labeling der Reifen, Komplettradmontage, Retourenmanagement oder die gesamte Zollabwicklung gebucht werden. In der Reifendistribution gibt es ein von „Fiege gesteuertes Netzwerk“. „Der Endkunde bekommt die Reifen von uns lose. Also nicht eingeschweißt, in Kartons oder auf Paletten. Der Vorteil: Er kann sie sofort einlagern“, so Wittenbrink. Punktuell würden hierfür eigene Lkw genutzt. Der Anteil sei aber verschwindend gering. „Wir beschaffen uns bedarfsgerecht Kapazitäten vom Markt. Dazu sind wir auch hier langjährige Partnerschaften eingegangen“, so Wittenbrink.

Mit Kunden zusammen die Märkte verändern

Das Unternehmen habe langjährige Erfahrung im Aufbau paneuropäischer Logistikdistributionsnetzwerke, habe einen 24-Stunden-Lieferservice national und grenzüberschreitend wie etwa aus Deutschland in die Schweiz und nach Benelux. Regional würden Reifen sogar am gleichen Tag geliefert. Und über Nacht etwa in die Niederlande und die Schweiz. Durch die große Anzahl der betreuten Reifenhersteller gibt es für die Kunden Synergien. „Wenn etwa aus unserem Lager Dortmund die Reifen von Hankook, Falken, Yokohama und Toyo auf den Weg gehen, treffen sie irgendwann auf die Pirelli-Pneus aus Dieburg und die Bridgestone-Reifen aus Hamburg. Die Reifen werden konsolidiert, und der Reifenhändler bekommt bestenfalls eine Lieferung am Tag“, so Wittenbrink. Der Betrieb von Lagern und die Transporte seien heute das „Brot- und Butter-Geschäft“ des Logistikers. Wittenbrink: „Wir investieren heute nicht mehr in Lkw, sondern in Innovationen. Wir wollen nicht nur die Logistik anbieten, wir wollen die Märkte verstehen und mit unseren Kunden zusammen die Märkte verändern. Besonders gut ist etwa, dass wir von unseren sechs Kernbranchen (neben Reifen auch Fashion, Industrie, Healthcare, Konsumgüter und Medien) wechselseitig profitieren können. Was für Fashion gut ist und schon lange läuft, wie etwa das B2C-Geschäft, wollen wir auch im Reifenbereich umsetzten. Das wird die Zukunft sein. Unsere Reifenpartner sind es bisher gewohnt, Größenordnungen von einigen 1.000 Kunden zu betreuen und nicht Millionen, wie es im Bereich Mode bereits üblich ist. Hier haben wir aber bereits Erfahrungen und können das nötige Know-how beisteuern bzw. liefern.“

Neues Joint Venture soll Erkenntnisse aus Daten gewinnen

Eine neue Innovation ist das Joint Venture mit der Fachhochschule Münster. Ende 2017 wurde das Start-up Westphalia DataLab gegründet. Mittlerweile seien hier über 60 Mitarbeiter eingestellt. Das Unternehmen bietet eine automatisierte Datenanalyse an, die Unternehmen als einen abrufbaren Service nutzen können. Denn die Themen Big Data und Datenanalyse sind inhaltlich sehr komplex, und für mittelständische Unternehmen soll es durch Westphalia DataLab einfacher sein, Erkenntnisse aus ihren eigenen Daten zu gewinnen, auch ohne Programmierer, Statistiker und anderes Fachpersonal einstellen zu müssen. „Aus Daten kann man viel Wissen für die eigene Kundschaft und interne Abläufe generieren, um daraus Maßnahmen für Marketingaktivitäten, Verbesserungen der eigenen Prozesse oder sogar ganz neue Geschäftsmodelle abzuleiten“, so Wittenbrink. Auch Fiege hat schon ein Pilotprojekt in der Reifenlogistik am Start. Wittenbrink: „Hier werden Kundendaten mit Daten von externen Einflüssen wie dem Wetter, Ferienzeiten, Feiertagen und etwa Marketingaktionen von Herstellern kombiniert. Heraus kam am Anfang des Jahres eine lange flache Welle. Ich war überrascht. Aber genauso ist es dann auch gekommen. Wir hatten eine kontinuierlich verlaufende Saison.“

Ein anderes Beispiel für Innovationen im Unternehmen: Seit 2016 arbeiten drei Kommissionierroboter in einem Schuhlager von Fiege. 30 weitere sind mittlerweile in Auftrag gegeben worden. Dank zahlreicher Sensoren und Sicherheitstechnik arbeiten die Roboter bereits parallel zu den Mitarbeitern. Die Kommissionierung von einzelnen Artikeln spiele in der Lieferkette, gerade im boomenden Onlinehandel, eine der entscheidendsten Rollen, denn die Endkunden erwarten eine fehlerfreie und immer schnellere Lieferung. Gleichzeitig stellen Personalmangel und Bestellspitzen die Dienstleister vor immer größere Herausforderungen.

Zudem habe Fiege mittlerweile eigene Experten, die Lager bauen. „Wir begleiten bei der Standortsuche, entwickeln die Immobilien und überwachen den Bau. Wir können jedes Lager bauen, egal ob für den Reifenhersteller oder für den Großhandel. Das machen wir gerade für einen Automobilhersteller, für den wir ein Logistikzentrum im norddeutschen Raum errichten“, sagt Wittenbrink.  christine.schoenfeld@reifenpresse.de

Steckbrief Fiege: 

Joan Joseph Fiege gründete 1873 ein Fuhrgeschäft im westfälischen Greven, dessen Transportgeschäfte ausschließlich mit Pferd und Wagen durchgeführt wurden. Die Transporte waren reiner Nebenerwerb für den Landwirt, der in der Hauptsache Kohlen zu den Kunden brachte oder andere Botendienste ausführte. Später kamen Aufträge der Grevener Einzelhändler sowie der aufstrebenden Industriebetriebe hinzu. 1924 wurde nach intensiven Diskussionen der erste Lkw gekauft. Das erste bundesweite logistische Konzept der Fiege-Gruppe wurde mit der Übernahme des 15.000 Quadratmeter großen Lagerhauses in Hamburg (1979) für den internationalen Reifenhersteller Bridgestone erarbeitet – ein Beispiel für exakte Markenartikellogistik. Bridgestone und Fiege sind bis heute Partner in Hamburg. 1996 verließen die ersten die ersten ECommerce-Sendungen ein Fiege-Lager. 2006 stand der weltweit erste Taschensorter in Greven. Seit 2014 schafft die Digitalisierung von Logistikprozessen Transparenz und Effizienz.

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