„Entspannt und gespannt“ – Pirellis Business Unit Industrial vor der Neuausrichtung

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Pirellis „Business Unit Industrial“ – das sind neben den zentralen Lkw- auch Landwirtschaft- und OTR-Reifen – stand zuletzt im Fokus des öffentlichen Interesses, als ab Ende März die Übernahme des italienischen Reifenherstellers durch ChemChina die Diskussionen im Reifenmarkt dominierte. Doch wer dachte, Pirelli würde bei dem Event „Driving Innovation 2015“ vor der Autopromotec-Messe im Mai erläutern, wie die geplante Integration in bzw. Kooperation mit der ChemChina-Tochter Aeolus Tyre vollzogen wird und welche Auswirkungen das gegebenenfalls auf die hiesige Organisation haben könnte, sah sich enttäuscht. Doch auf den zweiten Blick und bei Gesprächen in Bologna mit dem einen oder anderen Pirelli-Verantwortlichen zeigte sich, dass etwaige Unsicherheiten ob der Zukunft des Herstellers offenbar unangebracht sind oder zumindest so gesehen werden sollen. Die zentrale Message des Events laut Dino Maggioni, Senior Vice President der Business Unit Industrial: „Pirelli wird ein ‚Global Key Player’ im Lkw-, Landwirtschafts- und OTR-Reifengeschäft.“

button_nrz-schriftzug_12px-jpg Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Sie hier als E-Paper lesen können.

In der knapp zweistündigen Präsentation vor rund 200 Gästen aus dem europäischen Reifenfachhandel fielen die Namen ChemChina und Aeolus Tyre nicht ein einziges Mal, auch wenn doch jeder der Anwesenden eine Erklärung zum oder zumindest einen Hinweis auf den Status quo der anstehenden Umstrukturierungen im Unternehmen erhofft hatte. Viele waren mit der Frage nach Bologna zum Pirelli-Event „Driving Innovation“ gereist, die eigenen Fragen nach der Zukunft der Business Unit Industrial und nach der zukünftigen Ausrichtung Pirellis bei Nutzfahrzeugreifen beantwortet zu bekommen.

Ende März hatte Pirellis Chairman und CEO Marco Tronchetti Provera noch in einem deutschen Zeitungsinterview betont, man sei „bereits dabei“, Pirelli aufzusplitten, und zwar in ein Endkundengeschäft (Pkw- und Motorradreifen) und eine Industriesparte, also die Business Unit Industrial mit Lkw-, Landwirtschafts- und OTR-Reifen. „Zum Jahresende werden wir alle unsere Geschäfte mit ChemChina zusammenlegen“, so Tronchetti Provera damals weiter. Kurz zuvor hatten die beteiligten Unternehmen diese Veränderungen noch mit den Begriffen „Integration“ und „Industriepartnerschaft“ umschrieben, während in dem parallel dazu veröffentlichten Abkommen sogar noch deutlicher nachzulesen war: „Pirellis Industrial-Reifengeschäft wird reorganisiert durch die Integration mit bestimmten Anlagen von China National Tire & Rubber und von Fengshen Tires (‚Aeolus’).“ Die China National Tire & Rubber Co. Ltd. (kurz: CNRC) ist dabei eine 100-Prozent-Tochter der China National Chemical Corporation (kurz: ChemChina) und hält Anteile an vier Reifenherstellern, darunter auch Aeolus Tyre – und in Zukunft offenbar „Pirelli Industrial“, wobei man bezüglich der genauen Struktur noch ohne offizielle Bestätigung auskommen muss.

Man konnte bei Pirelli in Bologna fragen, wen man wollte: Es kann sich niemand vorstellen, dass sich die geplante „Integration“ oder „Industriepartnerschaft“ mit ChemChina irgendwie nachteilig auf das Geschäft in Europa auswirken würde

Man konnte bei Pirelli in Bologna fragen, wen man wollte: Es kann sich niemand vorstellen, dass sich die geplante „Integration“ oder „Industriepartnerschaft“ mit ChemChina irgendwie nachteilig auf das Geschäft in Europa auswirken würde

Das Ziel von „Driving Innovation“ in Bologna: Nachweisen, dass Pirelli auch bei Nutzfahrzeugreifen einer der führenden Marktteilnehmer in Europa ist bzw. werden kann, dass Pirelli dazu nicht nur die richtigen Produkte hat, sondern auch die dazugehörigen Dienstleistungsangebote, und dass man dazu weiter kräftig investiert, etwa in die (Wieder-)Einführung von Pirelli-Landwirtschaftsreifen in Europa (siehe Kastentext nebenan). Außerdem: Die Business Unit Industrial ist in Europa auf Kurs, unabhängig davon, welche Entwicklungen sich auf Konzernebene zwischen Pirelli und ChemChina abspielen; die Partner im Reifenfachhandel brauchen sich wegen (noch) unbeantworteter Fragen keine wie auch immer gearteten Sorgen zu machen, wie es in Zukunft mit dem Hersteller Pirelli und seinen Produkten weitergeht.

Und man konnte in Bologna fragen, wen man wollte, Mitarbeiter wie auch Kunden: Es kann sich niemand vorstellen, dass sich die geplante „Integration“ oder „Industriepartnerschaft“ irgendwie nachteilig auf das Geschäft in Europa auswirken würde. Die Marke dürfte bei Nutzfahrzeugreifen sogar noch mehr Schwung und vor allem Marktpräsenz erhalten, nämlich dann, wenn im Angebot des (dann) Vollsortimenters Pirelli auch (wieder) Landwirtschafts- und OTR-Reifen für lukrative Nischen zu finden sind, bei denen ChemChina derzeit bereits durchaus Stärken hat. Außerdem sieht man bei Pirelli in den vergangenen Jahren deutlich die Entwicklung, zu den führenden Nfz-Reifenherstellern in Europa mit Produkten und Dienstleistungen – wie etwa dem CyberTyre, der Novatread-Heißrunderneuerung oder den Fleet Solutions – aufzuschließen. Eine Erweiterung des Sortiments im Konzern – ob es nun über denselben Vertrieb bzw. dieselben Vertriebskanäle vermarktet wird oder nicht, könne sich nur positiv auf die Position und Positionierung der Marke Pirelli als Premiummarke auswirken, war in Bologna zu hören. Dies würde der Entwicklung entsprechen, die die Pirelli-Verantwortlichen in Mailand bereits seit gut drei Jahren erfolgreich mit ihrer Premiumstrategie bei Pkw-Reifen verfolgen; steigende Umsätze und Margen bestimmen dort das Bild. Insgesamt sei man derzeit bei Pirelli „entspannt und gespannt“, wohin die Reise geht.

Laut Alberto Viganò, bei Pirelli Marketing Director der Business Unit Industrial, habe sich das Angebot des Herstellers bei Neureifen in den vergangenen Jahren noch stärker entwickelt als das der Kalt- (Novateck) und Heißrunderneuerten (Novatread)

Laut Alberto Viganò, bei Pirelli Marketing Director der Business Unit Industrial, habe sich das Angebot des Herstellers bei Neureifen in den vergangenen Jahren noch stärker entwickelt als das der Kalt- (Novateck) und Heißrunderneuerten (Novatread)

Auch aufseiten der Produktion von Nfz-Reifen sollte sich bei Pirelli durch die „Integration“ in bzw. „Industriepartnerschaft“ mit ChemChina nichts ändern, was einen nennenswerten Einfluss auf Europa hätte. Lediglich in Izmit in der Türkei fertigt Pirelli Lkw-Reifen; die anderen fünf Lkw-Reifenfabriken liegen samt und sonders außerhalb Europas, drei davon in Brasilien, wo Pirelli „mit Abstand Marktführer ist“. Weltweit setzt Pirelli mit Reifen der Business Unit Industrial 1,4 Milliarden Euro (2014) um, was knapp einem Viertel der Gesamtumsätze entspricht, und verkaufte dazu 6,3 Millionen Reifen. Gerade die Reifen der 2009 eingeführten :01-Serie stünden dabei zunehmend im Mittelpunkt der Absätze, hieß es dazu vonseiten des italienischen Herstellers; insgesamt gingen heute bereits 60 Prozent der Umsätze der Business Unit auf deren Konto. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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