Millionenverluste: Michelin dampft Laurent Reifen ein – Ein Viertel Arbeitsplätze weg
Auch die Runderneuerung in Deutschland leidet aktuell unter der fortwährenden Nachfrageschwäche und einem preisaggressiven Wettbewerb. Nach der Insolvenz der Reifen-Ihle-Gruppe (Günzburg) im Februar, die jetzt durch die Übernahme durch Reifen Müller positiv enden wird, hat nun ein weiterer führender Runderneuerer großangelegte Stellenstreichungen angekündigt: Bei Laurent Reifen in Oranienburg soll demnächst fast ein Viertel der Arbeitsplätze gestrichen werden; das Unternehmen aus dem Michelin-Konzern will die komplette Kaltrunderneuerung schließen. Ob damit der Betrieb stabilisiert werden kann, der über Jahre hinweg kontinuierlich rote Zahlen in Millionenhöhe geschrieben hat, ist fraglich; offensichtlich wurde zwischenzeitig intern sogar die komplette Schließung des Standortes diskutiert.
Die Laurent Reifen GmbH mit Sitz in Oranienburg bei Berlin gehört seit 2003 nach der Übernahme von Viborg fest zum dreigeteilten Runderneuerungsangebot des französischen Michelin-Konzerns. Dieser bietet neben eigenen Remix-Heißrunderneuerungen (vor allem aus der Produktion in Homburg) noch das Recamic-Kaltrunderneuerungskonzept für unabhängige Runderneuerungspartner sowie die eigene Kalt- und Heißrunderneuerung unter Laurent Reifen bzw. Pneu Laurent an. Dabei werden bei Laurent fast ausnahmslos Karkassen genutzt, die eben nicht von französischen Mutterkonzern stammen. Die Laurent Reifen GmbH betreibt ihrerseits wiederum ein zweigeteiltes Geschäft. Während rund zwei Drittel der Umsätze aus dem Reifengeschäft stammen, stammt das verbleibende Drittel aus der Produktion der Recamic-Laufstreifen – ein offensichtlich wachsendes Geschäft, mit dem der Hersteller im vergangenen Jahr eigenen Aussagen zufolge „ein neues Rekordniveau“ erreicht hat.
Das große Problem des Unternehmens, so wird auch von Marktbeobachtern bestätigt, ist die Kaltrunderneuerung in Oranienburg. Diese gehe an Marktanforderungen nach zunehmender Qualität und Qualitätsanmutung vorbei, was sich mehr und mehr auch bei anderen Wettbewerbern herumspricht, die folgerichtig die Heißrunderneuerung forcieren. Über diesen Trend hat auch die NEUE REIFENZEITUNG in den vergangenen Jahren im Rahmen ihrer Runderneuerungsbeilagen Retreading Special immer wieder berichtet. Außerdem herrsche gerade in der Kaltrunderneuerung ein besonders starker und aggressiver Preiskampf – unter den Runderneuerten wie auch im Wettbewerb mit günstigen Neureifen. Die überkommene Karkassenproblematik macht die Situation nicht angenehmer. Dem Vernehmen nach laste Laurent Reifen von den Kapazitäten in Höhe von 60.000 Kaltrunderneuerten gerade einmal rund 20 Prozent aus, produziert also etwas mehr als 10.000 Kaltrunderneuerte jährlich.
Wie es nun heißt, will Laurent Reifen bis zum 30. Juni des kommenden Jahres die Kaltrunderneuerung im Standort Oranienburg komplett schließen. Gestern habe die Geschäftsleitung die Belegschaft über die entsprechenden Pläne unterrichtet. Wie es dazu weiter heißt, seien von der Schließung rund 50 der noch gut 200 Mitarbeiter betroffen. Des Weiteren seien von der Restrukturierung auch der Vertrieb und der eigene Fuhrpark betroffen. Detailinformationen über diese Pläne – auch darüber, wie viele betriebsbedingte Kündigungen es geben wird – liegen augenblicklich noch nicht vor, wie auch ein Vertreter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie bestätigte. Bereits im kommenden Monat sollen jedenfalls die Verhandlungen über einen Sozialplan beginnen.
Auch wenn es im Moment heißt, die Heißrunderneuerung wie auch die Recamic-Laufstreifenproduktion blieben am Standort erhalten, so sei zwischenzeitig im Michelin-Konzern wohl auch die komplette Schließung des Standortes diskutiert worden, heißt es dazu weiter. Die Heißrunderneuerung generiere zwar Gewinne, heißt es dazu weiter. Wie sich im Geschäftsbericht des Laurent Reifen GmbH von 2013 nachlesen lässt, fertigte das Unternehmen in dem Berichtsjahr immerhin 96.000 Reifen – also weit über 80.000 Heißrunderneuerte – sowie 166.000 Recamic-Laufstreifen. Beide Zahlen lagen demnach außerdem im Plus gegenüber dem Vorjahr.
Dies kann man im Gegenteil von den Erträgen nicht des gesamten Unternehmens nicht behaupten. Während der Umsatz 2013 leicht auf 34,8 Millionen Euro stieg, endete das Jahr mit einem negativen Betriebsergebnis in Höhe von 3,5 Millionen Euro. Auch die Jahre davor haben kaum bessere Zahlen produziert. 2012 und 2010 lag der Betriebsverlust bei jeweils 2,8 Millionen Euro und 2011 sogar bei 5,5 Millionen Euro; 2009 machte Laurent Reifen Verluste in Höhe von ‚nur’ 2,3 Millionen Euro.
Unterm Strich bedeutet dies: Die deutsche Michelin-Tochter häufte in nur fünf Geschäftsjahren einen Verlust von 17 Millionen Euro an – ein halber Jahresumsatz. Zurecht erscheint in dem aktuellen Bericht folglich der Hinweis: „Die Laurent Reifen GmbH ist auch weiterhin finanziell auf die Unterstützung von Michelin angewiesen.“ Und weiter: „Wir gehen auf Grund des neu unterzeichneten, ungekündigten Ergebnisabführungsvertrages, der eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende hat (jedoch erst zum 31.12.2018), weiterhin vom Grundsatz der Unternehmensfortführung aus. Gegenwärtig sind uns keine Anhaltspunkte bekannt, dass das finanzielle Engagement des Michelin-Konzerns in unsere Gesellschaft beendet wird.“ arno.borchers@reifenpresse.de
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