Continental-Testkäufe zu gebrauchten Winterreifen aus dem Internet
Sehr günstige Reifen aus Internetauktionen beinhalten ein hohes Risikopotenzial. Das ist das Ergebnis einer Stichprobe, die Continental im September 2014 durchgeführt hat. Auf einer der bekanntesten Internetauktionsbörsen wurden 32 sehr preiswerte Winterreifen unterschiedlicher Hersteller und Größen auf Felge gekauft und anschließend von den Fachleuten des Reifenherstellers gründlich untersucht. Das Fazit: Keines der online erworbenen gebrauchten Produkte war fehlerlos oder entsprach gängigen Mindestanforderungen an die Sicherheit, vor allem da die Mischungen bereits deutlich ausgehärtet waren.
Dazu kamen Schäden durch Nägel, Ablösungserscheinungen der Lauffläche und Beschädigungen der Seitenwand und der Aufsatzfläche zwischen Reifen und Felgen, dem so genannten Wulstbereich. „Ich würde definitiv keinen dieser Reifen fahren wollen“, bilanzierte Lutz Friedrich, Kundendienstmitarbeiter von Continental, das Ergebnis seiner Untersuchungen.
Alexander Bahlmann, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Pkw-Reifen im Hause Continental, weist auf die Unvereinbarkeit eines Hochtechnologieproduktes einerseits und mangelhaften Produkten andererseits, die auf diesem Wege auf unsere Straßen gelangen, hin. Bereits etwa drei Jahre nach ihrer Einführung entsprächen Pkw-Winterreifen nicht mehr dem neuesten Stand der Technik. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch daran, dass die renommierten Hersteller auch bei bereits eingeführten Produkten weiter Feintuning betreiben, ohne dass Verbraucher, ja selbst oftmals Händler dies gar nicht mitbekommen. Bereits in den Monaten August und September – also noch vor dem witterungsbedingt eigentlichen Peak – seien 9,65 Millionen Angebote im Internet zu zählen gewesen.
Von den im Internet gekauften Reifen war ein Satz runderneuert, das neueste Modell im Jahr 2011 hergestellt worden, die ältesten kamen aus dem Jahr 1987. Mit Ausnahme eines Reifens konnten immerhin die Hersteller und Modellbezeichnungen identifiziert werden. Da die Reifen auf Felge montiert verkauft wurden, hätten Laien auch bei einer persönlichen Besichtigung vor dem Kauf mehrere der Mängel nicht erkennen können. „Ein Nagel im Reifen war von außen kaum zu sehen“, berichtet Friedrich. „Auch die Beschädigung des Wulstes, also des Kontaktbereiches zwischen Reifen und Felge, wäre kaum zu bemerken gewesen.“
Noch verborgener waren die Aushärtungserscheinungen. Winterreifen werden mit einer speziellen kälteflexiblen Mischung hergestellt, die bei Neureifen üblicherweise einen Shore-Härtegrad (Sh, Härtegrad für Elastomere und Kunststoffe) zwischen 58 und 63 Sh hat. Je niedriger der Wert, desto flexibler ist die Mischung und desto besser verzahnt sie sich mit dem Untergrund. Bei den gekauften Reifen lag der Wert durchschnittlich im Bereich von 80 Sh. „Schon beim Bremsen auf nasser Straße wäre der Bremsweg deutlich länger als mit einem Neureifen gewesen“, erläutert Friedrich. „Ohne Shore-Härte-Meßgerät wäre dieses Problem vor dem Kauf nicht feststellbar.“ Einer der Reifen mit sehr schlechten Gripwerten war optisch völlig unauffällig und hatte noch eine Restprofiltiefe von rund vier Millimetern. Sein Sh-Wert lag jedoch bei 81 – für einen Nichtfachmann kaum zu erkennen. Die Bremswege auf Schnee wären mit denen von qualitativ schlechten Sommerreifen vergleichbar gewesen – Premiumsommereifen haben einen Wert von rund 75 Sh.
Das Ergebnisprotokoll des Continental-Kundendienstes verzeichnete darüber hinaus auch Mängel wie zum Beispiel „Risse in der Lauffläche, Wulstanscheuerungen, Nagellöcher ohne Durchstoß, aber bis auf das Gewebe, Mittenabnutzung, Schnitte in der Seitenwand, Deformationen der Seitenwand, durchgehende Nägel, Blockierstellen und umlaufende Beschädigungen der Schulterseite“. Dabei lag die Restprofiltiefe mit Werten zwischen 1,8 und 5,8 Millimetern trotz des relativ hohen durchschnittlichen Reifenalters noch in einem Bereich, der über der durch die Straßenverkehrsordnung definierten gesetzlichen Mindestprofiltiefe von 1,6 mm lag.
Vor dem Hintergrund dieser gründlichen Anlayse warnt Continental eindringlich vor unvorsichtigen Käufen gebrauchter Winterreifen im Internet. Selbst zunächst gut aussehende Reifen können ein deutliches Verkehrsrisiko darstellen, da ihre Schadhaftigkeit oftmals selbst dem Verkäufer nicht bekannt ist. Daher sollte man von solchen „Schnäppchen“ besser im Interesse der Verkehrssicherheit und des eigenen Geldbeutels grundsätzlich absehen, denn die unsichtbaren Mängel können die Käufer unter Umständen teuer zu stehen kommen. Jedenfalls kann sich keiner darauf verlassen, dass es sich auch tatsächlich um einen „gebrauchten Artikel in gutem Zustand“ handelt, wie solche gebrauchten Reifen im Internet üblicherweise angepriesen werden. dv
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