Was ein Seecontainer mit der Produktion von Reifen zu tun haben kann
In einem modifizierten Seecontainer ist das Gros einer Steuerungs- und Antriebslösung für eine neue Kombiproduktionsanlage für Reifen (Laufstreifen- und Seitenwandfertigung) der Continental AG untergebracht. Bei diesem Projekt haben der Reifenhersteller, der Anlagenbauer Troester sowie der Automatisierungsanbieter Siemens zusammengearbeitet mit dem Ziel, in gebündelter Form und mit aufeinander abgestimmten Komponenten einerseits ein perfektes Zusammenspiel dreier Extruder und diverser Nebenaggregate zu gewährleisten sowie andererseits alle Aufgaben vom Engineering über die Inbetriebnahme bis zur Prozessführung und Wartung zu vereinfachen und gleichzeitig noch einen Beitrag zur Verbesserung der Energiebilanz zu leisten.
Einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität und die Eigenschaften von Reifen hat auch der Produktionsprozess bzw. die Herstellung der einzelnen Komponenten angefangen etwa bei der Reifenmischung bzw. dem Laufstreifen über die Seitenwand bis hin zum Inner-Liner oder dem Kernprofil. Deswegen spielen die in der Fertigung eingesetzten Maschinen und Anlagen eine gewisse Rolle. Vor diesem Hintergrund hat sich der Reifenhersteller Continental für eines seiner Werke für mehrere Schlüsselsysteme von Troester entschieden – darunter unter anderem eine vollautomatische Kombiproduktionsanlage für Laufstreifen und Seitenwände. Aufseiten der Steuerungs- und Antriebstechnik war dabei Siemens – wie übrigens bei den meisten Anlagen von Troester und bei Continental – mit im Boot.
Verfahrenstechnische Kernkomponente dieser Kombianlage sind drei Extruder, welche die unterschiedlichen Vormaterialien über einen Spritzkopf mit hydraulischer Ansteuerung fördern. Die Qualität der extrudierten Laufstreifen und Seitenwände wird dabei über Positions-, Dimensions- und Gewichtsmessung erfasst. Diese zum Teil PC-basierte Messtechnik kommuniziert über Ethernet- und Feldbusschnittstellen mit der Anlagensteuerung. Istwerte und Trendanzeigen werden über das PC-System der Anlage angezeigt, über Datenbanken erfolgt eine Anbindung an das IT-System der Continental-Anlage. Hinzu kommen diverse Nebenaggregate wie Transporteinheiten, Tänzerschwingen, Längs- und Querschneider, Doppelwickler usw., die allesamt elektronisch geregelt einzeln angetrieben werden.
Um einen dauerhaft zuverlässig laufenden Prozess ohne längere Ausfälle, die das gesamte Reifenwerk zum Stillstand bringen könnten, zu gewährleisten, ist eine entsprechend umfangreiche bzw. anspruchsvolle Elektro-, Steuerungs- und Antriebstechnik vonnöten. Diese hat die Elcos GmbH als Troesters langjähriger Schaltschrankbauer in einem modifizierten, klimatisierten Seecontainer installiert. Grund dafür ist, dass so annähernd die komplette Automatisierungstechnik der Anlage vorinstalliert, geprüft und als funktionsfähige Einheit verschifft werden kann. Der im Prinzip einschaltfertige Steuerungscontainer kann am Einsatzort daher auf die vorbereitete Anlagenbühne gesetzt werden, und es müssen „nur“ noch die Busverbindungen angeschlossen werden und eine Endprüfung erfolgen. Dadurch soll sich der Installationsaufwand verkürzen und die Inbetriebnahme im Werk spürbar beschleunigen lassen. Zudem sei die Automatisierungstechnik in einem Container vor Umgebungseinflüssen (hohe Temperaturen, Staub, Dampf etc.) geschützt, heißt es.
Ein wesentliches Merkmal der Installation ist die durchgängige Kommunikation über „Profinet“ im Sinne einer möglichst schnellen, effizienten Diagnose und Wartung aller Anlagenteile selbst aus der Ferne. Lediglich einige Temperaturregler und ein Laserpositioniersystem werden demnach über einen separaten „Profibus“-Strang angesteuert. Als zentraler Controller wird laut Siemens ein „Simatic Microbox-PC 427“ mit echtzeitfähiger „Soft-PLC Simatic WinAC RTX“ eingesetzt. Dieser übernimmt auch zentral die gesamte Sollwertführung der Antriebe, um zu gewährleisten, dass alle Aggregate nach wenigen Metern Einrichtbetrieb in der geforderten Qualität produzieren.
Der „Microbox-PC“ ist über zwei integrierte „Profinet“-Schnittstellen sowie zwei Siemens-Switches vom Typ „Scalance X208“ mit zwei redundant arbeitenden „Simatic Box-PC 627“ verbunden, die im Bedienpult an der Außenwand des Containers installiert sind und unter anderem zur Rezepturerstellung und -verwaltung genutzt werden. Außerdem erfassen und archivieren sie die laufenden Prozessdaten mit dem sogenannten SCADA-System, wobei das Akronym für Supervisory Control and Data Acquisition steht. Visualisiert wird das Prozessgeschehen unter anderem in Form von Trendverläufen über zwei Panel-Monitore. Darüber hinaus gibt es an den Hauptaggregaten weitere vier Panel zum lokalen Bedienen und Beobachten, die ebenfalls direkt mit der Steuerung kommunizieren. Im Hinblick auf eine ausgewogene Lastverteilung und Performance hat der Maschinenbauer die diversen dezentralen Peripheriebaugruppen („Simatic ET200S“) und die Antriebe auf zwei „Profinet“-Ringe verteilt.
Antriebsseitig hat Troester das gesamte Spektrum der modularen „Sinamics“-Antriebsfamilie eingesetzt – vom Schrankgerät für große Leistungen wie dem „Sinamics G150“ etwa beim Hauptextruder bis hin zu kompakten Booksize-Geräten beispielsweise für die Antriebe der Transportbänder und die diversen Nebenaggregate. Alle Komponenten eines Antriebsverbandes sind Siemens zufolge dabei untereinander verbunden über einen schnellen, digitalen Systembus („Drive-Cliq“), und die Control Units haben einen Steckplatz für eine CF-(CompactFlash)-Karte, auf der sämtliche Antriebsdaten gespeichert werden. „Beides zusammen vereinfacht im Betrieb den Austausch einzelner Module, die somit nicht mehr langwierig von Hand neu parametriert werden müssen. Das gilt auch für Siemens-Motoren mit elektronischem Typenschild“, erklärt der Automatisierungsanbieter.
Zudem sind die Anlagen mit diversen in die „Profinet“-Architektur integrierten Multifunktionsmessgeräten ausgestattet, die durch zusätzliche Messgeräte für Druckluftverbrauch und Durchfluss- und Temperatursensoren für die Erfassung der Heiz- und Kühlleistung der Wasserkreisläufe ergänzt werden. „Damit erfassen wir sozusagen direkt an der Quelle die Leistungsaufnahme in den verschiedenen Produktionsphasen, um detaillierte Erkenntnisse über den tatsächlichen Energieverbrauch je Charge zu erhalten, bzw. um gegebenenfalls Anpassungen in der konstruktiven Auslegung unserer Anlagen vornehmen zu können“, erklärt Kurt Schoppmann. Der Leiter des Bereichs Elektrische Ausrüstung von Kautschukmaschinen und -anlagen versteht dies als Einstieg in ein umfangreicheres Energiemanagement, das künftig immer wichtiger und deshalb auch seitens Siemens unterstützt und forciert wird.
Um zu gewährleisten, dass immer die richtigen, aus dem zentralen Mischsaal angelieferten Materialien an der richtigen Stelle verarbeitet werden, gibt es an den Extrudern RFID-Lesegeräte der Reihe „Simatic Moby D“ von Siemens. Sie lesen berührungslos die auf RFID-Tags an den Materialkassetten gespeicherten Chargendaten und gleichen diese über eine integrierte Schnittstelle bis zum SAP-System ab. Hinter all dem steht die Siemens-Philosophie „Totally Integrated Automation“ (TIA), wobei der Konzern mit dieser Durchgängigkeit Vorteile verbindet. „Alle wesentlichen Elektro-, Steuerungs- und Antriebskomponenten für unsere Extrusionsanlagen aus einer Hand von Siemens zu bekommen, gewährleistet von Anfang an ein reibungsloses Zusammenspiel ohne langwierige Schnittstellen- und Anpassungsprobleme“, sagt auch Bernd Voßmeyer, Projektleiter für den automatisierungstechnischen Teil bei dem Maschinenbauer Troester, der sowohl die Mechanik als auch die Elektrik seiner Anlagen im eigenen Haus entwickelt und realisiert, was nach eigener Einschätzung vor allem die Servicequalität deutlich verbessere. cm
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