Reifenmarkt 2012 „besch …“ – und „bescheiden“ ist nicht gemeint
Das Reifenjahr 2012 lässt mit Blick auf den deutschen Ersatzmarkt – vorsichtig formuliert – doch erheblich zu wünschen übrig. Klarer sind da schon die Worte, die ein langjähriger Fahrensmann der Branche für die aktuelle Situation findet: Es ist/war in diesem Jahr einfach „besch …“, und wohl kaum jemand mit Bezug zum Reifengeschäft wird dabei auf die Idee kommen, es könnte „bescheiden“ gemeint sein.
Dazu genügt allein ein Blick auf die Absatzentwicklung bei Pkw-Reifen. War schon das vorangegangene Jahr diesbezüglich alles andere als ein „Burner“, so ging es bis einschließlich Oktober 2012 noch weiter bergab. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres wurden immerhin 14,2 Prozent weniger Pkw-Sommerreifen abgesetzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das lässt sich zumindest dem sogenannten Sell-out-Panel des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie (WdK) entnehmen. Und selbst wenn pünktlich zum Nikolaustag bundesweit Schnee und Kälte Einzug in Deutschland hielten, ist kaum vorstellbar, dass das bisher aufgelaufene Minus bei Pkw-Winterreifen in Höhe von 1,9 Prozent bis Jahresende noch wird wettgemacht werden können. Zumal der geschäftsführende BRV-Vorsitzende Peter Hülzer im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG starke Zweifel an einem „nur“ 7,5-prozentigen Rückgang des Absatzes im Oktober anmeldete, so wie er dem WdK-Panel zu entnehmen ist. Vielmehr schätzt er ihn eher auf irgendwo zwischen zwölf und 13 Prozent für den betreffenden Monat.
Diese Sicht der Dinge bestätigen mehr oder weniger auch die Ergebnisse einer vom BRV bei BBE Automotive in Auftrag gegebenen und an entsprechende Erhebungen im Rahmen des Betriebsvergleiches angelehnten Schnellumfrage bei 520 Reifenfachhandelsverkaufsstellen. Die Teilnehmer daran berichten für den Zeitraum Januar bis November nämlich bei Pkw-Sommerreifen (inklusive SUV- und Ganzjahresreifen) von einem im Schnitt um 10,7 Prozent gesunkenen Stückabsatz und einem 6,9-prozentigen Minus bei den damit erzielten Umsätzen. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass einzelne Betriebe sogar ein Plus beim Absatz (Bestwert: 6,6 Prozent) und Umsatz (Bestwert: 5,1 Prozent) gemeldet haben, aber dafür gibt es am anderen Ende ebenfalls Extrembeispiele, die bis zu 28,2 Prozent weniger Reifen verkauft haben oder bis zu 26,5 Prozent weniger Umsatz mit Pkw-Sommerreifen erzielen konnten.
Wer das schon desaströs findet, sollte lieber nicht mehr weiterlesen. Denn in Bezug auf Pkw-Winterreifen – inklusive solcher für SUV – sieht das Ergebnis der Schnellumfrage noch viel desillusionierender aus. Einem während der ersten elf Monate im Schnitt um 15,6 Prozent rückläufigen Absatz steht hier ein um 19,5 Prozent rückläufiger Umsatz gegenüber. Schließlich hatte ja auch eine Erhebung der NEUE REIFENZEITUNG jüngst ergeben, dass die Winterreifenpreise Mitte November dieses Jahres deutlich unter denen des Vorjahresmonats lagen. Zwar hat die BRV-/BBE-Schnellumfrage für dieses Produktsegment ebenfalls eine große Bandbreite an Antworten zutage gefördert, doch über eine positive Umsatzentwicklung bei Pkw-Winterreifen konnte keiner der Teilnehmer berichten. Als bester Fall weist die Erhebung diesbezüglich ein Minus von 2,4 Prozent aus, im schlimmsten Fall waren es bis zu 51,6 Prozent. Da tröstet es wenig, dass wenigstens beim Absatz die Bandbreite von einem 32,5-prozentigen Rückgang bis hin zu einem Plus von 5,5 Prozent reicht.
Bei alldem muss man noch im Hinterkopf behalten, dass die Schnellumfrage nicht nach Offroad- bzw. SUV-Reifen differenziert. Denn das ist dem WdK-Panel zufolge das einzige Marktsegment, in dem während der ersten zehn Monate 2012 ein Zuwachs registriert werden konnte. Und der ist mit 9,3 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gar nicht einmal so klein. Dafür herrscht aber schon bei den Llkw- und Lkw-Reifen wieder die Farbe Rot vor. Laut der WdK-Statistik wurden bis einschließlich Oktober 1,8 Prozent weniger Llkw-Reifen vom Handel in Richtung Verbraucher abgesetzt, und mit Blick auf Lkw-Reifen ist von einem Minus von 14,2 Prozent die Rede. Mit einem Absatzrückgang um 14,8 Prozent – allerdings nach elf Monaten – bei Lkw-Reifen zeigt die BRV-/BBE-Schnellumfrage dieselbe Tendenz und beziffert das Umsatzminus gleichzeitig mit 10,6 Prozent. In Sachen Llkw-Reifen berichteten die 520 Umfrageteilnehmer von einem 7,8-prozentigen Absatz- und einem 23,3-prozentigen Umsatzrückgang. Wie gehabt mit großen Schwankungsbreiten bei den jeweiligen Angaben.
Alle diese Dinge auf der Sell-out-Seite können nicht ohne Folgen für den Sell-in – also den Absatz Industrie an Handel – bleiben bzw. geblieben sein. Sind sie auch nicht, wie ein Blick auf die entsprechenden Statistiken der European Rubber Manufacturers’ Conference (ERMC) belegt. Demnach haben die Reifenhersteller in den ersten zehn Monaten 17,6 Prozent weniger Pkw-Sommerreifen für den deutschen Ersatzmarkt ausgeliefert: In absoluten Zahlen entspricht dies knapp 17,4 Millionen anstatt annähernd 21,1 Millionen Einheiten. In Sachen Pkw-Winterreifen ist dem ERMC-Zahlenwerk ein Minus von „nur“ neun Prozent von zuvor rund 22,0 Millionen auf nunmehr knapp 20,0 Millionen Reifen zu entnehmen. Im Summe entspricht dies einem 13,2-prozentigen Rückgang der Pkw-Reifenlieferungen. Bei Lkw-Neureifen schlägt demnach ein Minus von 21,2 Prozent von den gut 1,3 Millionen Einheiten des Vorjahreszeitraums auf per Ende Oktober 2012 nicht mal 1,1 Millionen Stück zu Buche. Bei den Llkw-Reifen sieht es im Sell-in dafür ein wenig besser aus: Summa summarum gut 3,2 Millionen Einheiten entsprechen der ERMC zufolge einem 5,4-prozentigen Rückgang, der ohne das deutliche Plus von 8,3 Prozent bei Llkw-Winterreifen auf über 1,8 Millionen Stück angesichts eines gleichzeitigen Rückgangs um 18,5 Prozent auf eben über 1,4 Millionen Llkw-Sommerreifen ansonsten noch deutlich größer hätte ausfallen können.
Doch die Entwicklungstendenzen zeigen nicht nur Negatives für den Reifenfachhandel, sondern es gibt durchaus auch Positives zu berichten: So legten bei den Beteiligten an der BRV-/BBE-Schnellumfrage die mit Autoservice erzielten Erlöse um 2,9 Prozent gegenüber den ersten elf Monaten 2011 zu. Zudem wurden im Schnitt um 3,4 Prozent höhere Pkw-Sommerreifenpreise erzielt und bei Lkw-Reifen (Neureifen, Sommer- und Winterreifen) konnten demnach um 3,7 Prozent höhere Preise erzielt werden. Bei Pkw-Winterreifen ging das Preisniveau demgegenüber um 3,4 Prozent zurück und bei Llkw-Reifen (Neureifen, Sommer- und Winterreifen) sogar um 14,4 Prozent. Unter Einbeziehung aller Aktivitäten der sich beteiligenden Reifenhändler wird vor diesem Hintergrund von einem im Schnitt insgesamt um 6,4 Prozent gesunkenen Umsatzniveau berichtet und einem Minus von 3,3 Prozent beim Rohertrag. Die Marge der Umfrageteilnehmer – also der Ertrag in Bezug zum Umsatz – hat sich mit aktuell gut 39 Prozent gegenüber dem Vorjahresreferenzwert per Ende November um etwa einen Prozentpunkt erhöht. christian.marx@reifenpresse.de
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