Reifenfachhandel gilt nun quasi ganz offiziell als Saisonbetrieb
In der Branche weiß es im Prinzip natürlich jeder, dass das Reifengeschäft bedingt durch die Sommer- bzw. Winterumrüstung ein saisonales mit Spitzen jeweils im Frühjahr und im Herbst ist. Nachdem aber eine entsprechende Anfrage an den Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) herangetragen worden ist, hat dieser klären wollen, ob der Reifenfachhandel in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November als Saisonbetrieb gelten könnte. Laut dem BRV haben Aufsichtsbehörden in Bayern und Baden-Württemberg dieses bejaht und Folgendes bewilligt: „Die tägliche Arbeitszeit darf für Arbeiten, die mit dem Reifenwechsel von Sommer- auf Winterreifen in unmittelbarer Verbindung stehen, über acht Stunden hinaus auf höchstens zwölf Stunden verlängert werden, wenn dem Arbeitnehmer nach Beendigung einer täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt wird und dem Arbeitnehmer nach spätestens sechs Arbeitstagen eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewährt wird, wobei zwischen zwei 24-stündigen Mindestruhezeiten die summierte Gesamtarbeitszeit maximal 65 Stunden betragen darf.“
Eine Arbeitszeitverlängerung über zehn Stunden täglich hinaus auf höchstens zwölf Stunden sei allerdings nur zulässig, wenn aufgrund eines witterungsbedingten hohen Auftragsaufkommens eine Erledigung der Arbeiten ohne Mehrarbeit nicht sichergestellt werden kann. Zudem dürfen die mit Mehrarbeit beauftragten Arbeitnehmer im Falle eines Falles im Genehmigungszeitraum vom 1. Oktober bis 30. November an maximal 15 Arbeitstagen über zehn Stunden hinaus (bis höchstens zwölf Stunden) beschäftigt werden. Eine weitere Auflage der Behörden im Zusammenhang mit einer etwaigen Bewilligung von Mehrarbeit ist, dass den davon betroffenen Arbeitnehmern im Voraus eine feststehende Ruhepause zuzusichern ist, die bei einer Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden mindestens 60 Minuten betragen muss. Vor Aufnahme der Tätigkeit ist außerdem eine „Gefährdungsbeurteilung im Reifenfachhandel“ hinsichtlich der Auswirkungen der verlängerten Arbeitszeiten durch die Sicherheitsfachkraft des Betriebes vorzunehmen, und für die entsprechenden Arbeitnehmer muss zuvor arbeitsmedizinisch etwa durch einen Betriebsarzt überprüft werden, dass gegen einen längeren Einsatz keine Bedenken bestehen.
„Name und Beschäftigungsdauer einschließlich der gewährten Ruhepausen und Ruhezeiten der Arbeitnehmer, die mit der Mehrarbeit beauftragt werden, sind in einem Verzeichnis zu erfassen und der Aufsichtsbehörde nach dem 30. November zu übersenden“, lautet eine weitere Auflage. Vor dem Hintergrund all dessen gibt der BRV zu bedenken, dass – mit Blick vor allem auf solche Dinge wie die Gefährdungsbeurteilung sowie der Einbeziehung einer Sicherheitsfachkraft und eines Betriebsarztes – mit der Beantragung einer Arbeitszeitverlängerung im betreffenden Zeitraum ein „nicht unerheblicher organisatorischer und finanzieller Aufwand“ für daran interessierte Betriebe verbunden ist. Aber nicht nur deshalb glaubt der BRV, dass außerhalb Bayerns und Baden-Württembergs, wo es bereits entsprechende Präzedenzfälle im Sinne des Reifenfachhandels gebe, eher zurückhaltend auf entsprechende Antragsstellungen reagiert werden wird. „Zum einen könnte diese Zurückhaltung politisch begründet sein, zum anderen werden die süddeutschen Bundesländer als die Gegenden gesehen, in denen winterliche Straßenverhältnisse eher und intensiver Einzug halten“, so die Branchenvertretung.
Betriebe dieser beiden Bundesländer hatten bei der Beantragung von Arbeitszeitverlängerungen rund um die Winterumrüstung gegenüber den Behörden im Wesentlichen so argumentiert, dass ohne Mehrarbeit eine „sichere Teilnahme der Kundschaft am öffentlichen Straßenverkehr im Winter“ nicht möglich sei. Begründet wurde dies damit, dass sich das Umrüstgeschäft extrem verdichtet in den beiden fraglichen Monaten – fast 63 Prozent des gesamten Winterreifenabsatzes 2011 entfielen auf den Oktober und den November – abspielt. Zudem wird für die kommende Saison offenbar mit einer Anhebung der Mindestprofiltiefe von 1,6 auf vier Millimeter bei Winterreifen und damit einhergehend einer entsprechenden Nachfragesteigerung in Bezug auf M+S-Reifen gerechnet. Auch einer weitere Steigerung des Anteils an UHP-/Runflat-Reifen in diesem Segment wird ebenso als Herausforderung gesehen wie die zu erwartende steigende Verbreitung von Reifendruckkontrollsystemen.
„In der Hochsaison eingestellte Hilfskräfte und Leiharbeiter besitzen in der Regel die notwendige Qualifikation nicht und können zu einer Entspannung der Situation – wenn überhaupt – nur bedingt beitragen. Eine generelle Aufstockung des Personals durch festangestellte, ausgebildete Reifenmonteure löst das Problem nicht, da nach der Saisonspitze eine nur unterdurchschnittliche Arbeitsauslastung stattfindet“, sollen weitere Argumente gewesen sein, welche die Aufsichtsbehörden in Bayern und Baden-Württemberg dazu bewogen haben, den Reifenfachhandel nun quasi auch ganz offiziell als Saisonbetrieb anzuerkennen. cm
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