Otto Fuchs: Technologieorientiert

Die Otto Fuchs KG (Meinerzhagen) sei ein durch und durch technologieorientiertes Unternehmen, so Dr.-Ing. Bernd Velten, Leiter Technischer Vertrieb und Marketing. Die Unternehmensgruppe ist in den vier Branchen Luft- und Raumfahrt, Bauindustrie und Solartechnologie (angesiedelt bei der größten Konzerntochter Schüco), Maschinen- und Anlagenbau sowie Automotive, wozu auch das Geschäft mit Leichtmetallräder gehört, engagiert. Diversifikation ist seit Jahrzehnten Bestandteil der Unternehmensstrategie, konjunkturell bedingte Einbußen in einem Geschäftsfeld können so immer wieder von anderen Bereichen kompensiert werden. Mit einem Gruppenumsatz von knapp drei Milliarden Euro rangiert die vor gut hundert Jahren gegründete Firma um Rang 150 auf der Größenskala deutscher Unternehmen. Die „Keimzelle Otto Fuchs KG“ ist übrigens nur mit einem etwa zwanzigprozentigen Anteil am Konzernumsatz beteiligt. Das Selbstverständnis ist das eines mittelständischen Familienunternehmens mit weltweiten Aktivitäten, so Tochterfirmen in den Vereinigten Staaten und Südafrika bzw. Kunden auf der ganzen Welt.

„Wir bringen Hochleistungswerkstoffe in Form und Funktion“ lautet das Bekenntnis zu den Materialien Aluminium, Magnesium, Kupfer, Titan und Nickel, die in einer Vielzahl von Legierungen geschmiedet, gepresst, gewalzt und – wenn auch nur zu Vormaterial für die Weiterverarbeitung durch Schmieden und Strangpressen – gegossen werden. Bekannt ist Otto Fuchs vor allem als Schmiede und stellt eine enorme Palette von kleinst- bis äußerst großdimensionierten Produkten her. Dazu gehören auch Räder für die bekannten Flugzeugtypen von Airbus und Boeing, geschmiedet auf einer 30.000-Tonnen-Presse in Meinerzhagen: eine der größten weltweit. Bei Flugzeugrädern dürfte Otto Fuchs weltweit Marktführer sein! Zum hauseigenen Geschäftsfeld Automotive und dort zur Produktgruppe Leichtmetallräder gehören diese für die Sicherheit so enorm wichtigen und extrem beanspruchten Bauteile nicht, sondern zur Sparte Luft- und Raumfahrt.

Der Geschäftsbereich Automotive steht innerhalb der Otto Fuchs KG in etwa für ein Drittel des Umsatzes. Neben diversen Teilen wie geschmiedeten Fahrwerkslenkern, Synchronringen oder stranggepressten Lenkgehäusen ragen Leichtmetallräder als bekanntestes hauseigenes Produkt hervor. Zwar stehen die lediglich für etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes mit Automotive-Teilen, aber sie sind die einzig wirklich bekannten: Das liegt an der legendären Fuchsfelge, die für passionierte Porsche-Fahrer in den ersten 15- und 16-Zoll-Größen ab den 60er Jahren für Jahrzehnte unabdingbarer Bestandteil ihres Sportwagens war und so sie denn Oldtimer fahren immer noch ist. Nicht als „Flügel-Rad“, sondern als Fuchsfelge hat sich das markante Design in besonderem Maße beim Porsche-affinen Verbraucher eingeprägt, auch wenn die Firma Otto Fuchs mit beispielsweise dem „Barock-Rad“ für Mercedes durchaus noch andere „Designikonen“ des Räderbaus folgen ließ.

Mit der Neuauflage der legendären Fuchsfelge im letzten Jahr – natürlich in der heute erforderlichen Dimensionierung (19 Zoll) und unter Beachtung der Proportionen angepasst sowie die Bauraumverhältnisse des aktuellen 911ers berücksichtigend – (re)vitalisiert das Unternehmen dieses ganz besondere Kapitel Unternehmensgeschichte. Denn bei kaum einem anderen Artikel in der hauseigenen Produktpalette hat Fuchs so etwas wie „Markenstatus“. Insgesamt gesehen vom Umsatz her klein, ist die Fuchsfelge vom Image her aber ein ganz besonderes Produkt in der Firmenhistorie.

In den 90er Jahren sah es einige Jahre so aus, als würde die klassische Schmiedefelge zu einem Auslaufmodell werden: Sie galt Erstausrüstungs- und Ersatzmarktkunden als zu teuer und drohte sukzessive zu einem Austauschprodukt für die günstigere Aluminiumgussfelge zu werden. Technische Finessen wie den besonderen Oberflächenglanz oder überragende Festigkeitswerte nahmen fast nur noch ausgewiesene Experten wahr, die Endverbraucher kaum noch. Zwecks Gewichtsvergleich von Schmiede- und Gussrad wurde auch keine Waage bemüht.

Mit den Schmiedeleichträdern kam die Wende: Otto Fuchs hatte es geschafft, Räder in einem Verfahren zu schmieden, das sie leichter machte als die Gusspendants – und das zu vertretbaren bzw. überschaubaren Mehrkosten. Nachteilig allerdings waren in den ersten Jahren technisch bedingte Designeinschränkungen, die konnten jedoch mit den Jahren sehr weitgehend ausgemerzt werden. Heute stellt Otto Fuchs als einziger Anbieter in Europa diesen Rädertyp in zwei Werken her: in Meinerzhagen und Tatabánya (Ungarn). Es ist nicht nur gelungen, die Designmöglichkeiten in der Produktion kräftig auszuweiten, auch das Größenspektrum von 4,5×14 Zoll (für den VW Lupo 3L) über 6 bzw. 7×16 Zoll für die Mercedes C-Klasse bis zu 8×18 Zoll (für Audi Q7) verrät, dass die anfänglich erforderlichen hohen Losgrößen (so um die 100.000 Räder jährlich) auf ca. 50.000 gedrückt werden konnten, um ein Projekt wirtschaftlich darstellen zu können. Zwar ist auch heute noch Audi mit „Schmiedeleichtvolumenrädern“ der überragend große Kunde, aber auch Mercedes, BMW, Jaguar und Volkswagen konnten sich für diese technische Rädervariante erwärmen. Die Akzeptanz wurde nicht dadurch erkauft, dass das Schmiederad gegenüber dem Gusspendant die Preisspreizung erhöhte, sondern durch die gewonnenen Stylingalternativen bei gleichzeitig noch niedrigeren Gewichten. Insgesamt gesehen sind Schmiedeleicht- und konventionelles Gussrad heute auf einem in etwa vergleichbaren Preisniveau, jedenfalls sofern der geldwerte Vorteil des Mindergewichtes in Ansatz gebracht wird.

Die ersten Räder mit dieser Technologie hatte Otto Fuchs am Stammsitz in Meinerzhagen gefertigt, später auch im Rahmen eines 50:50-Joint-Ventures mit dem US-Gussradspezialisten Superior Industries International unter dem Namen SUOFTEC (SUperior Otto Fuchs TEChnologie) in Ungarn. Die Amerikaner stellten in dem Werk Guss-, die Deutschen auf ihrer parallelen Fertigungsstraße Schmiedeleichträder her, zuletzt jährlich etwa 1,1 Millionen Stück. Der Verkauf oblag vollständig dem Vertriebsteam von Otto Fuchs, das heißt der Schmiedespezialist vermarktete auch Gussräder in die Erstausrüstung. Durchaus erfolgreich, wie man daran erkennen mag, dass Fuchs das Kundenportfolio für „Superior-Räder“ stetig ausbaute: Genannt seien BMW, der VW-Konzern, Land Rover/Jaguar, Nissan und Suzuki. Zwar gab es vor allem in den ersten Jahren immer wieder einige technologische Probleme, im Wesentlichen weil die Amerikaner – damals noch eindeutig größter Aluminiumgussräderhersteller weltweit – ihre nordamerikanischen Standards ansetzten, die allerdings den europäischen Autoherstellern nicht genügten. Doch diese „Kinderkrankheiten“ wurden überwunden, auch wurden Tatabánya-Räder bis in die Vereinigten Staaten exportiert. Die Kapazitäten allein für den Gussbereich wurden auf 1,5 Millionen Einheiten jährlich ausgebaut. Und Superior hatte in den meisten Jahren Freude an dem Engagement, war die „SUOFTEC Light Metals Production and Distribution Kft.“ doch in den schwarzen Zahlen und konnte die heimische Bilanz aufhübschen. Selbst im Jahr 2008, als das miserable letzte Quartal der gesamten Branche die Zahlen verhagelte, hat SUOFTEC noch zwei Millionen Räder umgesetzt und mehr als 93 Millionen Euro Umsatz erzielen können. Schmiedeleichträder hatten dazu etwas mehr als die Hälfte beigetragen.

Im Frühjahr 2010 ist das Joint Venture dennoch zerbrochen, vermutlich aus einer Reihe von Gründen. Dazu dürften – spekuliert diese Fachzeitschrift – einerseits die technologischen Ansprüche gehören, die beim deutschen Partner höher einzuschätzen sind als bei den an Nordamerika-Qualitäten orientierten Superior-Ingenieuren. Andererseits: Die Meinerzhagener sind zuallererst „Schmiede-Leute“ und leben das auch. Den direkten technischen Widerpart unter eigenem Dach nähren, das kann auf die Dauer vielleicht auch gar nicht so recht passen. Aus SUOFTEC wurde also die hundertprozentige Tochtergesellschaft Otto Fuchs Hungary Kft. Mit allen Konsequenzen: Die Gießkapazitäten (sofern nicht Wettbewerber Equipment kaufen) in Höhe von 1,5 Millionen Rädern jährlich verschwinden vom Markt (Stichtag 31.3.2011). Otto Fuchs hatte rechtzeitig angefangen, die Aufträge der Superior-Kunden auf alternativ infrage kommende Gussradhersteller umzuswitchen und dadurch verhindert, dass die Automobilhersteller ohne Räder dastehen. Das Auslaufen der Superior-Europa-Produktion dürfte im Übrigen auch einen Beitrag für die Branche leisten, der jedenfalls in Zeiten der wirtschaftlichen Depression Ende 2008/2009 erhebliche Überkapazitäten vorgeworfen worden waren. Von diesem Überangebot an Kapazitäten ist ganz aktuell zwar nicht mehr viel zu merken, aber es wird auch in den nächsten Jahren nicht nur bergauf gehen, zumal der westeuropäische Automobilmarkt als gesättigt gilt und allenfalls auf dem derzeitigen Niveau verharrt.

Otto Fuchs wird die durch das Ausscheiden von Superior frei werdenden Räumlichkeiten nutzen und verlagert die Meinerzhagener Schmiedeleichtrad-Fertigungsanlagen in der Größenordnung von etwa 700.000 Einheiten dorthin. Die Produktion in dieser Technologie wird also konzentriert, Equipment wie die Lackieranlage muss jetzt nicht mehr mit einem JV-Partner geteilt, sondern kann alleine genutzt und wohl auch weitgehend belegt werden. Insgesamt entsteht in Tatabánya ein Werk mit einer Jahreskapazität von knapp unter zwei Millionen Einheiten. Die wird man wohl auch benötigen, denn das Schmiedeleichtrad erscheint als sehr zukunftsträchtig wenigstens für die Basisausstattung vieler Automodelle.

In Meinerzhagen verbleibt die Fertigung von Exklusiv- und Highend-Schmiederädern, letztere werden auch „Fräsräder“ genannt. Darüber hinaus entstehen dort künftig auch Lkw-Schmiederäder, die bei Otto Fuchs „ECO Wheels“ heißen und mit denen das Quasi-Monopol – jedenfalls in Europa – von Alcoa gebrochen werden soll. Technologisch sieht sich Otto Fuchs auf Augenhöhe mit dem langjährigen Monopolisten, die Radgewichte der ersten Größen liegen ebenfalls auf gleichem Niveau, über die preisliche Positionierung zu urteilen ist zu früh. Im Übrigen ist dem Unternehmen vertriebsseitig ein netter Coup gelungen, denn die ECO Wheels für Trailer werden seit Januar von der BPW Bergische Achsen KG im gerade mal eine halbe Autostunde von Meinerzhagen entfernten Wiehl vermarktet. Die hat Erfahrung mit dem Produkt, hat BPW doch jahrelang gegossene Lkw-Räder der Italo-Marke Speedline, welche inzwischen zu Ronal gehört, vertrieben. Zwar wird schon seit Jahren eine wachsende Akzeptanz gegossener Lkw-Aluminiumräder vorhergesagt, bislang aber ist der Durchbruch ausgeblieben, konnten dank Schmiedetechnologie doch immer noch mehr Gewichtseinsparungen herausgeholt werden und sind geschmiedete Nutzfahrzeugaluminiumräder pflegeleichter als gegossene.

Bei „konventionellen Schmiederädern“, vor allem für die Highend-Modelle der Premiummarken, schien sich in den 90er Jahren ein „Ausbluten“ abzuzeichnen, davon ist heute keine Rede mehr: Seit 2005 ist auch die alte Liaison Porsche/Fuchs wieder aufgeflammt und erstreckt sich mittlerweile über alle Baureihen. Der VW Passat mit 7×16 Zoll ist keine Rarität auf unseren Straßen, sondern ein Volumenmodell – auf konventionellen Schmiederädern!

Wo aber hört Volumengeschäft auf und beginnt Exklusivität? Nach der Grenzziehung durch Otto Fuchs ab etwa 3.000 Räder pro Jahr aufwärts im Dimensionsbereich von 18 bis 22 Zoll. Exklusivräder gewährleisten ein recht hohes Differenzierungspotenzial, denn allzu häufig sind zum Beispiel Audi A8/R8 und Q7, AMG Mercedes E- und S-Klasse/CL-Coupé, Porsche Cayenne oder ein BMW M3 nicht auf öffentlichen Parkplätzen zu sehen. Zwar treibt Konzern-Mutter Volkswagen die Absatzzahlen bei ihrer Nobelmarke Bentley nach oben, für ein hohes Maß an Exklusivität reicht es aber noch allemal, beispielsweise mit einem zwanzigzölligen Exklusivrad von Fuchs. Wenn dem OE-Kunden die polierte Oberfläche nicht reicht, dann werden die Räder eben zum Verchromungsspezialisten Kuntz über den Ozean nach Kanada verschifft und wieder zurückgeholt. Kürzer ist der Weg, wenn es zur R² nach Oranienburg geht, um den Oberflächen der so feinen Schmiederäder eine Kugelpolierung angedeihen zu lassen.

Auf derartige Spezialbehandlungen ist die hauseigene Lackieranlage nicht eingestellt, sondern eher auf Volumina: Bereits seit dem Fuchsrad vom Beginn der 60er Jahre lässt Otto Fuchs in Leonberg Aluminiumräder beschichten. Die dortige Firma Bothner wurde durch die Unternehmensgruppe zum 1. April 2009 übernommen und in „Otto Fuchs Oberflächentechnik GmbH“ umbenannt. Bothner hatte in der Vergangenheit auch immer wieder mal Aufträge anderer Leichtmetallräderhersteller angenommen und zu deren vollster Zufriedenheit abgearbeitet, weil es irgendwo zu Engpässen gekommen war. Das sei heute im Prinzip immer noch möglich, unter dem Holdingdach müssten die Leonberger schließlich wie jede andere Geschäftseinheit für Auslastung und schwarze Zahlen sorgen, zeigt Diplom-Ingenieur Bernd Velten sogar Wettbewerbern aus dem Gussbereich eine Alternative auf.

Am oberen Ende der technischen und designerischen Fahnenstange sind solche Räder, die bei Otto Fuchs denn auch folgerichtig „Highend-Räder“ heißen, bei Räderexperten aber genauer als „Fräsräder“ definiert sind. Ab Losgrößen von etwa 500 Einheiten ebenfalls von 18 bis 22 Zoll ist die Meinerzhagener Fertigungsstätte der potenzielle Produktionspartner. Kunden sind allerdings nicht nur Automobilhersteller mit Modellen, die nur eine extrem niedrige Auflage haben, sondern auch Edeltuner: Die Renommierten dieser Zunft bewegten sich seit einigen Jahren merklich weg vom konventionellen Gussrad und konnten erst teilweise von den Gießern wieder „eingefangen“ werden, als diese den Veredlern das Zusatzfeature „Flow-forming“ anboten. Highend-Räder produziert Otto Fuchs in Meinerzhagen für Raritäten á la Lamborghini Gallardo, Maybach, Rolls-Royce Phantom oder das Tuning-Highlight BMW M5/M6 aus dem Hause AC Schnitzer.

Die „exklusive Exklusivität“ wird durch eine extrem hohe Designflexibität erreicht, welche auf einem „Universalschmiedewerkzeug“ basiert. Mit dem Rohling können verschiedene Wandstärken realisiert und Lochpositionen variiert werden. Die Stylingvielfalt beruht aber vor allem darauf, dass verschiedene Speichen- und Felgenkonturen möglich sind. Weil das Universalwerkzeug selber noch gar kein Design beinhaltet, sondern das erst durch Fräsen erzeugt wird, bleiben trotz der extremen Exklusivität die Werkzeugkosten übersichtlich. Angesichts unterschiedlicher Maulweiten bieten sich bei dieser Technologie baureihenübergreifende Stylings an.

Im „Commodity-Segment“ sei man ein kleiner Spieler bei Leichtmetallrädern, erklärt Bernd Velten. Darum habe man sich auch aus dem Gussradgeschäft zurückgezogen, obwohl man daran in technischer Hinsicht durchaus Zugang habe (am Unternehmenssitz in Meinerzhagen ist nicht nur eine Schmiede, sondern auch eine Vormaterial-Gießerei). Bei der Otto Fuchs KG glaubt man an die Zukunft des Leichtbaus für Automobile: Wenn beispielsweise erst Elektroantriebe in größeren Volumina im Markt seien, werde die Forderung an die Räderhersteller nach noch mehr Gewichtseinsparungen immer lauter erklingen. Im Übrigen geht es in der Entwicklung gar nicht mehr nur um das pure Radgewicht, sondern auch um aerodynamisch optimierte Stylings. Otto Fuchs forscht und entwickelt mit Zukunftswerkstoffen, diese Technologieorientierung ist mit dem Denken an Commodity kaum vereinbar. detlef.vogt@reifenpresse.de

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