Kommentar: Trau, schau, wem
Noch vor rund vier Monaten schien der Räderhersteller BBS nach einer schweren Zeit wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangt zu sein. Dank EU-Dumpingzoll auf Leichtmetallräder aus dem Reich der Mitte und der im vergangenen Jahr wieder weitgehend gesundeten (Automobil-)Konjunktur kündigte das Management des Unternehmens gar ein 50-Millionen-Euro-Investment in seine beiden Produktionswerke Herbolzheim und Schiltach an: Gemäß eines im Rahmen der Automechanika im September 2010 verkündeten Strategieansatzes sollte sich Ersteres ganz auf die Produktion für das Erstausrüstungsgeschäft konzentrieren, Zweiteres auf Räder für das Ersatzgeschäft, den Motorsport sowie sogenannte „Spezialitäten“.
Mittlerweile hat sich der Wind aber massiv gedreht: Ende Dezember stellte das Unternehmen einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Rottweil. Wie passt so etwas mit der noch vor Kurzem mehr oder weniger rosarot gezeichneten Zukunft zusammen? Oder mit der damaligen Ankündigung, man werde nach herben Verlusten im Jahr zuvor 2010 auf jeden Fall wieder schwarze Zahlen schreiben? „Dass die Zahlen schwarz sein werden, ist sicher“, so Norbert Zumblick, CEO der BBS International GmbH, im Brustton der Überzeugung bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz zur Verkündung des Millioneninvestments.
Haben sich die Rahmenbedingungen rund um die Automobilkonjunktur seither so stark geändert, dass sich die massive BBS-Bremsspur damit erklären ließe? Wohl eher nicht. Für einen Außenstehenden bleiben – solange der Räderhersteller selbst sich dazu nicht äußert bzw. vielleicht aufgrund des noch „schwebenden Verfahrens“ äußern kann – zunächst nur zwei andere mögliche Erklärungsansätze. Entweder deutete das BBS-Management die 2010er Geschäftsentwicklung des eigenen Unternehmens wenige Monate vor Ende des Jahres vollkommen fehl. Oder aber man wollte in vollem Bewusstsein einer sich möglicherweise abzeichnenden prekären Lage gegenüber der Öffentlichkeit gezielt ein positiveres Bild der Situation bei dem Hersteller zeichnen.
Man weiß gar nicht recht, welche der beiden Möglichkeiten einem mehr Stirnrunzeln verursachen sollte. Aber vor allem: Wie erklärt man eine solch dramatische Wende der Belegschaft? Angesichts dessen kann es nur als tröstlich bezeichnet werden, dass mit Ronal bereits ein Interessent für den BBS-Standort Herbolzheim in den Startlöchern steht. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG sah es jedenfalls danach aus, als könnte auf den Erhalt von Arbeitsplätzen dort gehofft werden. Derweil sieht die „neue Strategie“ von BBS eine Rückkehr zum Kerngeschäft – dazu werden die Herstellung und der Vertrieb von Rädern im Premiumsegment, Motorsport und Aftermarket gezählt – mithilfe einer Umstrukturierung des dann verbleibenden Standortes Schiltach vor.
Man kann der dortigen Belegschaft nur wünschen, dass die diesbezüglichen Pläne der Geschäftsführung aufgehen. Zweifel daran sind aber durchaus angebracht. Schließlich hatte das Management noch vor ein paar Monaten die vermeintliche Rückkehr von BBS zu alter Stärke in erster Linie ja doch gerade mit einem boomenden Erstausrüstungsgeschäft zu erklären versucht, das man nun ja an Ronal verkaufen möchte. Insofern ist es spätestens jetzt an der Zeit, dass das BBS-Management „Butter bei die Fische“ gibt: Zumblick und BBS-Inhaber Guido Dumarey schulden nicht nur ihren eigenen Leuten, sondern auch den Pressevertretern, die ihre 50 Millionen-Euro-Story verbreiteten, Auskünfte. Wie sonst soll der Markt wieder Vertrauen zu BBS bekommen? christian.marx@reifenpresse.de
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