Millioneninvestment und neue Strukturen bei Räderhersteller BBS

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Nach der Insolvenz Anfang 2007 und späteren Übernahme durch Punch International hatte der Räderhersteller BBS schwere Zeiten zu durchleben. War nicht zuletzt bedingt durch die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Automobilbranche zwischenzeitlich schon von der Aufgabe des Standortes Schiltach die Rede und hatte man bereits zahlreiche Kündigungen ausgesprochen bzw. sogar noch weitere geplant, so scheint mittlerweile wieder alles im grünen Bereich zu sein bei der BBS International GmbH. Denn das Unternehmen hat nach den Worten seines CEOs Norbert Zumblick nicht nur statt der noch vor Kurzem geplanten 150 Kündigungen letztlich lediglich 50 tatsächlich ausgesprochen und selbst diese inzwischen wieder rückgängig gemacht bzw. sogar 30 Neueinstellungen vorgenommen, sondern plant darüber hinaus massive Investitionen in seine Räderfertigung: Und das gleich an beiden Standorten in Herbolzheim und Schiltach, sodass damit die Schließung letzterer Produktionsstätte definitiv vom Tisch ist. Bis 2013 sollen insgesamt 50 Millionen Euro fließen, um die BBS-Räderproduktion von derzeit jährlich 1,2 Millionen Einheiten auf 3,4 Millionen ab Ende 2013 zu steigern.

Drei Fünftel der Gesamtinvestitionssumme bzw. 30 Millionen Euro kommen demnach Herbolzheim zugute, wo man die Räderfertigung für die Erstausrüstung konzentrieren will. Das bedeutet, dass der Standort eine eigene Gießerei bekommt, während derzeit noch in Schiltach gegossen wird und die Räder für die weiteren Produktionsschritte dann erst nach Herbolzheim transportiert werden müssen. Das Spektrum der in Herbolzheim produzierten Leichtmetallräder soll künftig von 15 bis hin zu 19 Zoll reichen. „Das 19-Zoll-Limit rührt von der dortigen Lackieranlage her“, erklärt Zumblick. Größere Räder zu lackieren sei mit der zwar möglich, würde aber die Bemühungen um eine höhere Produktivität des Werkes gleich wieder zunichtemachen, sagt er. In Herbolzheim werden den Planungen zufolge nach Umsetzung aller Maßnahmen statt wie bisher jährlich 700.000 Räder spätestens ab 2014 dann knapp drei Millionen Räder im Jahr vom Band laufen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist unter anderem die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen die Rede – die Zahl der Mitarbeiter in Herbolzheim soll von derzeit 130 sukzessive auf etwa 300 Mitarbeiter steigen.

Die restlichen 20 Millionen Euro des Investments werden nach Schiltach fließen, wo BBS zukünftig ausschließlich – so Zumblick – „Spezialitäten“ produzieren will. Gemeint damit sind in erster Linie Räder ab 17 Zoll für das Ersatzgeschäft, Motorsporträder oder Individuelles und Kleinstserien wie etwa in Wagenfarbe lackierte Räder. In Summe geht man von weiterhin rund 500.000 Rädern aus, die das Schiltacher Werk 2014 ebenso wie heute jährlich verlassen werden. Eine Erweiterung des Standortes in größerem Stil wie in jetzt in Herbolzheim angedacht sei dort schon aufgrund der geografischen Gegebenheiten gar nicht möglich, erklärt der BBS-CEO die vorgesehene Aufgabenteilung der beiden Produktionswerke. Schiltach wird darüber hinaus das zentrale Entwicklungs- und Technologiezentrum der BBS-Gruppe bleiben, wobei die Zahl der Beschäftigten dort in den kommenden Jahren stabil bei etwa 290 Mitarbeitern (davon 18 Auszubildende) gehalten werden soll.

Die Aufgabenteilung zwischen Schiltach und Herbolzheim wird demnach auch personell konsequent umgesetzt. So wird sich Norbert Zumblick operativ in erster Linie auf den Erstausrüstermarkt konzentrieren. Guido Dumarey – inzwischen alleiniger Inhaber der BBS International GmbH – leitet künftig die Geschicke des Standortes in Schiltach. „BBS ist eine Marke, die nicht zuletzt von dem starken Engagement der Menschen geprägt wurde, die für das Unternehmen arbeiten. Deswegen habe ich mein finanzielles Engagement bei BBS immer auch mit meinem persönlichen Einsatz verknüpft. Mein erklärtes Ziel ist es deswegen, die Marke BBS auch als Unternehmer voranzutreiben“, so Dumarey.

Angesichts all dessen fragt man sich jedoch unwillkürlich, woher der Räderhersteller den neuen Schwung nimmt. Laut Zumblick hat das Unternehmen von zwei Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit profitiert. Als Erstes nennt der BBS-CEO in diesem Zusammenhang die von der EU verhängten Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter Aluminiumfahrzeugräder aus China. „Dadurch hat sich über Nacht die Wettbewerbssituation gedreht“, sagt Zumblick und sieht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller und eben auch die von BBS, die zuvor durch die subventionierten Produkte aus China stark gelitten habe, nun (vorerst) wieder hergestellt. Die Antidumpingzölle gelten aber nicht ewig. „Irgendwann werden die Chinesen wiederkommen“, weiß auch Zumblick. Bis dahin gelte es, die Produktivität in den eigenen Werken zu steigern, um auch zukünftig mit den Produkten made in China mithalten zu können, liefert er ein Argument für die geplante Investition in die BBS-Produktion bzw. deren Neustrukturierung.

Auf den ersten Blick erscheint diese Begründung allerdings nicht ganz so eingängig. Das Wohl und Wehe einer Marke wie BBS, die zweifelsohne im Premiumsegment positioniert ist und mit einem Hightech-Image (man denke nur an das Hohlkammerspeichenrad bzw. die „Air-Inside“-Technologie) daherkommt, soll von einem gut 20-prozentigen Strafzoll auf aus China importierte vermeintliche „Billigaluräder“ abhängen? Noch dazu, wo in diesem Zusammenhang insbesondere das Erstausrüstungsgeschäft eine gewichtige Rolle zu spielen scheint und man den europäischen Fahrzeugherstellern gemeinhin doch nachsagt, dass ihnen Qualität wichtiger ist als das Preisargument. All dies ließe dann eigentlich nur zwei mögliche Schlussfolgerungen zu: Entweder sind Aluminiumräder aus Fernostproduktion qualitativ gleichwertig zu solchen aus europäischer Fertigung oder den Fahrzeughersteller ist das Rechnen mit dem spitzen Bleistift doch wichtiger als etwaige Abstriche in Bezug auf die Qualität.

Wie dem auch sei, auf konkrete Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG bestätigt Zumblick, dass so mancher Autohersteller bis vor Kurzem noch bestimmte Modellreihen tatsächlich mit Rädern aus China vom Band rollen lassen hat bzw. rollen lassen wollte. Und nachdem der Preisvorteil der Fernostprodukte durch die Antidumpingzölle nun dahin sei, wolle sich jetzt eben auch kein Hersteller mehr mit der aufwendigeren Logistik rund um die Beschaffung der Erstausrüstungsräder aus China belasten, argumentiert er, dass dafür jetzt wieder verstärkt europäische Räderanbieter im Allgemeinen und eben auch BBS im Besonderen zum Zuge kämen. „Bis Ende 2011 haben wir Aufträge in den Büchern, die unsere Kapazitäten komplett auslasten“, erklärt der BBS-CEO und spricht von einer seit Juni dieses Jahres „riesigen Auftragswelle“. Immerhin generiert BBS nach seinen Aussagen schon heute 65 Prozent des Unternehmensumsatzes mit der Erstausrüstung, 20 Prozent stammen aus dem Ersatzgeschäft – Zumblick: „Hauptabnehmer sind der Reifenhandel bzw. Kooperationen“ – und 15 Prozent werden mit Rädern für den Motorsport erzielt.

Als zweiten, die positive BBS-Entwicklung begünstigenden Faktor nennt der Räderhersteller über die Strafzölle auf China-Aluräder hinaus eine schneller als erwartete Erholung der Automobilindustrie. „Nachdem uns die Krise noch bis Mai begleitet hat, verzeichnen wir gerade im Bereich der Mittel- und Oberklasse seitdem eine stetig steigende Nachfrage, die uns dazu veranlasst hat, unsere Produktionsstrukturen komplett zu überdenken“, beschreibt Norbert Zumblick die Situation, die letztlich mit zu der Entscheidung geführt habe, das Hauptgeschäft in der Erstausrüstung am Standort Herbolzheim durch Prozessoptimierung und Automatisierung deutlich zu verstärken und auszubauen. Und dafür seien Investitionen in den Standort nun einmal unumgänglich, nur habe man die krisenbedingt bis dato eben nicht stemmen können. Inzwischen ist die Lage des Unternehmens aber eine ganz andere. „Nach herben Verlusten 2009 werden wir in diesem Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Genaueres zur absoluten Höhe der Werte können wir zwar derzeit noch nicht sagen, aber dass die Zahlen schwarz sein werden, ist sicher“, so Zumblick.

Angesichts der Weichenstellung in Form des angekündigten Investments sehe man der Zukunft jetzt jedenfalls gelassen entgegen, nachdem das Unternehmen im zurückliegenden Krisenjahr nur durch den Wert der Marke BBS vor dem – wie er es formuliert – „totalen Absturz“ bewahrt worden sei. „Der Name BBS steht für Qualität und Innovation“, verdeutlicht Dumarey. Um dies zu unterstreichen, verweist er nicht nur auf solche Dinge wie die Erfolge, die im Motorsport (unter anderem in der Formel 1) auf geschmiedeten Rädern des Herstellers eingefahren wurden und werden, oder die Hohlkammerspeiche bzw. die „Air-Inside“-Technologie, sondern erwähnt mit dem sogenannten „FI-Rad“ noch ein weiteres Beispiel. Hergestellt wird es demnach aus hochfestem Aluminium in einer speziellen Schmiedelegierung nach Luftfahrzeugspezifikationen. Dabei setzt BBS auf das Flow-Forming-Verfahren, bei dem das Felgenbett unter hohem Druck und hoher Temperatur in einer permanenten Rotationsbewegung in mehreren Zyklen über eine Form ausgewalzt wird, um es einerseits dünner zu machen und andererseits das Material zu verdichten respektive die Festigkeit zu erhöhen.

Im Ergebnis wird ein Gewicht von 7,4 Kilogramm für „FI-Rad“ in 19 Zoll genannt, wobei das Hinterfräsen bzw. Hinterdrehen der Speichen zu einem optimalen Verhältnis zwischen Gewicht und Stabilität beitragen soll. Noch mehr oder besser gesagt in Bezug auf das Gewicht noch weniger verspricht Dumarey für ein Rad, das sich seinen Worten zurzeit bei BBS in der Entwicklung befindet und in nicht allzu ferner Zukunft dann auch offiziell vorgestellt werden soll: Die Rede ist von einem absolut funktionsfähigen Vollcarbonrad, das in zwölf- bis fünfzehnmonatiger Entwicklungszeit bei dem Unternehmen entsteht und das einen Gewichtsvorteil in Höhe von vier Kilogramm in die Waagschale werfen können soll bzw. dies eben gerade nicht tut. Zumblick kündigt darüber hinaus noch eine weitere Neuentwicklung an: das sogenannte „Aero“-Rad aus dem Hause BBS, bei dem – nomen est omen – insbesondere eine Optimierung hinsichtlich seines Luftwiderstandes im Vordergrund steht. „Es befindet sich momentan in der letzten Phase seiner Entwicklung“, sagt Zumblick. Die Serienreife sei nicht mehr weit entfernt.

Im Markt bereits Einzug hält dagegen der werksseitige genannte Oberflächenschutz für BBS-Räder. Eine „Easy to clean“ genannte schmutz- und staubabweisende Beschichtungsmethode soll den Glanz der Räder länger erhalten und sie vor Korrosion durch den Einfluss etwa von Streusalz im Winter bewahren. Nach dem Aufbringen der letzten Lackschicht wird dazu ein von dem Räderhersteller gemeinsam mit Technologiepartner 3M entwickelte Beschichtung auf die Radoberfläche aufgebracht, die sich durch eine sehr niedrige Oberflächenspannung auszeichnen soll. Vergleichbar mit dem Abperl- oder „Lotusblüteneffekt“ führe dies zu einer dauerhaften Wasser- und Schmutzabweisung ohne chemische Hilfsmittel, heißt es. Dies erleichtere nicht nur die Reinigung der Räder, sondern bringe durch den Entfall von Spezialreinigern auch eine Kostenersparnis für den Kunden mit sich. Die zusätzliche Beschichtung reduziert Unternehmensangaben zufolge zudem den Alterungsprozess sowie den Verschleiß der Oberfläche.

All diese Innovationen bzw. Produktankündigungen sowie das jetzt bekannt gegebene Millioneninvestment legen nahe, dass man auch in Zukunft mit der Marke BBS im Aluminiumrädergeschäft wird rechnen können. Inwieweit die in die Wege geleiteten Maßnahmen fruchten im Bemühen, die Produktivität am Standort Herbolzheim hochgradig zu steigern, um – wie Zumblick sagt – zukünftig „den Chinesen entgegenstehen zu können“, wird abzuwarten sein. christian.marx@reifenpresse.de

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