Immler: Pannenschutz wiegt Verbraucher in trügerischer Sicherheit
„Seit einigen Jahren gibt es Reifenhersteller, die ihre Reifen mit Dichtmitteln – entweder auf dem Innerliner oder zwischen Innerliner und Zwischengummi unterhalb der Karkasse – versehen. Die Diskussion um Reifen, die mit diesen Dichtmitteln herstellerseitig versehen sind, beginnt mit der Präsentation eines ‚neuen’ Produktes jedes Mal von vorne, ohne dass sich aber die Fakten ändern, die in den Richtlinien zur Beurteilung von Luftreifen und in den Richtlinien zur Reparatur von Luftreifen vorgegeben sind. Hier sind eindeutige Empfehlungen wie folgt ausgesprochen. Auszug au der ‚Richtlinie für die Beurteilung von Reifenschäden’ (Verkehrsblatt Nr. 05/2001 vom 15. März 2001): ‚Oberflächige Reifenschäden an Luftreifen im Laufflächen- und Seitenbereich, die ausschließlich das Gummi betreffen und bei denen keine Kordfäden des Festigkeitsträgers sichtbar sind, können unter Zugrundlegung von [genannten] Abgrenzungskriterien für die Betriebssicherheit des Reifens als unbedenklich eingestuft werden.’ ‚Alle Schäden mit weitergehendem Schadensbild als der unter 2.3.1 [siehe oben] aufgeführten Ausdehnungen oder Merkmale sind für den Betrieb des Reifens als sicherheitsrelevante Schäden einzustufen. Die Verwendung eines Reifens mit sicherheitsrelevanten Schäden ist unzulässig. Hinsichtlich der Möglichkeit zur Reparatur des Reifenschadens entscheidet der Reifenfachbetrieb unter Berücksichtigung der Hinweise des Reifenherstellers (siehe auch Richtlinie für die Instandsetzung von Luftreifen).’
In der ‚Richtlinie für die Instandsetzung von Luftreifen’ (Verkehrsblatt Nr. 05/2001 vom 15. März 2001) heißt es dazu:
‚Reifeninstandsetzung umfasst die Reparatur und die Wiederherstellung des gebrauchsfähigen Zustandes eines beschädigten Reifens.
Reifenreparatur ist die dauerhafte Beseitigung des Schadens am Reifen mittels geeigneter Reparaturmittel und Verfahren zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Reifens gemäß der auf den Reifen angegebenen Kenzeichnungen.
Pannenhilfsmittel sind ein temporärer Notbehelf nach einem eingetretenen Reifenschaden für eine begrenzte Mobilitätssicherung.’
Und zur Reparaturausführung selber heißt es dort weiter:
‚Generell ist der Schadenskanal mit Rohgummi, das mittels Heiß- oder Warmvulkanisation zu vulkanisieren ist, zu füllen und an der Reifeninnenseite ein Reparaturpflaster einzusetzen. Für die Lochkanalfüllung von Stichverletzungen im Laufflächenbereich kann auch ein vorvulkanisierter Gummikörper in Verbindung mit einem Reparaturpflaster Verwendung finden.’
Im Fall, dass herstellerseitig nicht von einem temporären Notbehelf gesprochen wird, werden die Empfehlungen dieser Richtlinien seitens der Reifenproduzenten, die ihre Reifen mit Dichtmitteln versehen, nicht eingehalten oder bewusst umgangen. Selbstverständlich kann ein Reifenhersteller seine Reifen so auf den Markt bringen, wie er sie konstruiert und konzipiert hat. Im Gegensatz zu nachträglich mit Dichtmittel versehenen Reifen ist der Reifenhersteller ja mit dem Gesamtprodukt inklusive Dichtmittel in der Verantwortung und der Produkthaftung. Insofern besteht hier ein großer Unterschied zu den auf dem Markt befindlichen, nachträglich einzubringenden Reifen- oder Pannendichtmittel.
Nicht außer Acht zu lassen sind jedoch die Empfehlungen der Richtlinien bezüglich der Füllung des Lochkanals und des Verschließens des Loches im Reifeninnern mittels Pflaster. Hier fehlt nach wie vor im Moment der Beweis, dass die herstellerseitig mit Dichtmittel versehenen Reifen dies gewährleisten.
Von Reifen, die mit prophylaktischen Dichtmitteln versehen sind, geht allgemein folgende Gefährdung aus:
1. Den Luftverlust, der im Zeitraum zwischen der Entstehung des Defektes bis zum vollständigen Abdichten entsteht, erkennt der Verbraucher nicht. Er weiß somit nicht, dass er einen Reifen mit Minderdruck betreibt. Nur im Falle direkt messender Druckkontrollsysteme bekommt er einen Hinweis auf den Luftverlust. Bei indirekt messenden Systemen wird eine Toleranz bis zu 30 Prozent Luftverlust seitens der Hersteller als normal betrachtet. Das heißt bei 2,5 Bar Betriebsdruck meldet das System erst bei etwa 1,75 Bar. Bei eigenen Versuchsfahrten wurde dieser Wert bei Reifen mit kleinen Höhe-zu-Breite-Verhältnissen sogar mehrfach unterboten.
2. Der Verbraucher erkennt oder kann nicht erkennen, dass er einen Reifen mit einem der Richtlinie entsprechendem sicherheitsrelevanten Schaden betreibt. Das Argument, dass es sich hier lediglich um eine Empfehlung des Gesetzgebers handelt, greift insofern nicht, als die Überwachungsbehörden sicherheitsrelevante Verstöße gegen die Richtlinie mit Anzeigen ahnden.
3. Ferner wird ein eventuell entstandener Folgeschaden am Reifen nicht erkannt bzw. kann er vom Fahrzeugführer gar nicht erkannt werden.
4. Da es zu einem Abdichten des Schadens kommt, der Schadenskanal jedoch nicht vollständig verschlossen ist, kann es zu Korrosion und/oder Trennungen im Reifenaufbau kommen, die dann zu einem Langzeitfolgeschaden mit anschließendem Totalausfall des Reifens führen können.
Hersteller nehmen Verbraucher in die Verantwortung
Der Reifenhersteller nimmt den Verbraucher bei Reifen mit Dichtmitteln in die Verantwortung, indem er ihm auferlegt, seine Reifen in kurzen Abständen auf Beschädigungen zu prüfen. Wenn ausgebildete Berufskraftfahrer oftmals nicht in der Lage sind, Reifen auf sicherheitsrelevante Schäden zu prüfen, so ist das Pkw-Fahrern nicht zumutbar. Zudem kann es sein, dass der Verbraucher die regelmäßigen Luftdruckkontrollen aufgrund des Bewusstseins, einen ‚sicheren Reifen’ zu fahren. großzügiger, das heißt in der Regel seltener. Handhabt. als bei einem normalen Reifen.
Nachdem der Kleber Protectis nicht mehr auf dem deutschen Markt vertrieben wird, schien das Thema für die Verbände und Innungen ausdiskutiert zu sein. Umso überraschender war dann die Präsentation des DuraSeal-Reifens von Goodyear und anschließend des ContSeal-Reifens. Mit Goodyear wurden und werden zum Thema DuraSeal Tests durchgeführt und Lösungsmöglichkeiten zusammen mit dem BRV gesucht. Abschließende Aussagen hierzu können erst nach Beendigung dieser Maßnahmen gemacht werden.
Das Thema ContiSeal wurde im ‚Arbeitskreis Technik’ des BRV diskutiert und beraten. Meines Erachtens nach sind jedoch immer noch zwei Fragen nicht beantwortet:
1. Werden die Ausführungen der Richtlinien bezogen auf die sicherheitsrelevanten Schäden und deren dauerhafte Beseitigung eingehalten?
2. Werden die Auflagen der Richtlinien bezüglich der Reparaturausführungen des Lochkanals im Besonderen eingehalten?
Ein ganz anderes Thema ist die Instandsetzung von Reifen mit Dichtmitteln. Hier sagt die Richtlinie eindeutig aus:
‚Schäden an Reifen, die mittels Pannenhilfsmitteln behandelt wurden, können nicht repariert werden.’
Selbst wenn hier der Hersteller eine anders lautende Empfehlung aussprechen sollte, sind diese Aussagen relevant. Zudem ist die Instandsetzung dieser Reifen wesentlich aufwendiger und damit auch wirtschaftlich oftmals nicht zu vertreten. Hier wird dem Handwerk eine seiner Einnahmequellen entzogen, die auch ein Beitrag zur Umweltverträglichkeit und Rohstofferhaltung ist. Der Reifen mit Dichtmitteln verkommt damit zu einem Wegwerfprodukt.
Solange die rechtlichen Dinge nicht endgültig geklärt sind, kann ein sich selbst reparierender Reifen bezogen auf seine Betriebssicherheit und auch auf seine ordnungsgemäße Instandsetzung meiner Ansicht nach im Pannenfall lediglich als ein temporärer Notbehelf gesehen werden. Dagegen sprechen jedoch zum einen die Aussagen der Reifenhersteller und zum anderen die Tatsache, dass der Schadensfall nicht als solcher erkannt wird oder erkannt werden kann und somit auch nicht der Eintritt in die Notlaufphase realisiert wird.
Aus diesem Grund ist einem Reifen mit Notlaufeigenschaften zweifellos der Vorzug zu geben. Hier bekommt der Fahrzeugführer im Schadensfall von dem System eine Rückmeldung und kann zudem seine Fahrt nach den Angaben des Systemherstellers fortsetzen.
Den Einwänden seitens der Reifenhersteller, wie selten eine Reifenpanne heutzutage vorkommt, oder auch die Einwürfe, dass es auch bei Reifen ohne Dichtmittelprophylaxe zu Unterrostungen bei nicht durchgängigen Schäden kommen kann, sind bekannt, ändern jedoch nichts an den vorgetragenen Tatsachen und den Erfahrungen bei der Schadensbeurteilung der Vergangenheit.“ ab
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