Warum heißen Winterreifen nicht Schneereifen?
Anfang November hatte der Reifenhersteller Dunlop zu seinem fast schon als traditionell zu bezeichnenden Winter-Workshop auf das ADAC-Fahrsicherheitszentrum Rhein-Main in Gründau (nahe Hanau) eingeladen. In verschiedenen Vorträgen von Referenten anfangen bei Daniel Bott, Leiter Reifentests beim ADAC, über den ARD-Wetterexperten Thomas Ranft und den Abt-Sportsline-Pressesprecher Florian Büngener bis hin zu Ingo Hammes bzw. Ralf Flachbarth, Leiter Fahrversuch respektive Entwicklungsleiter für Tuningreifen bei Dunlop, ging es dabei – wenn freilich auch aus verschiedenen Blickwinkeln – im Wesentlichen natürlich um ein Thema: Winterreifen und warum sie in der kalten Jahreszeit am Fahrzeug montiert sein sollten.
So ging Ranft unter anderem der Frage nach, warum Reifen für den Winter nicht Schneereifen heißen. Denn seinen Worten zufolge ist es nicht unbedingt ausschließlich Schnee, von dem beim Fahren während der dunklen und kalten Monate des Jahres Gefahren ausgehen. „Schnee ist viel ungefährlicher als man denkt, weil man ihn sofort sieht“, sagt Ranft. Dabei stelle Frost ebenfalls eine Gefährdung dar, wie er unter Verweis etwa auf Raureif erklärt. „Der reine Frost ist nicht zu unterschätzen: Er kommt meist lange vor dem ersten Schnee – und weil man das Absinken des Thermometers auf Minusgrade als Autofahrer oft gar nicht realisiert, ist die Straße dann häufig ganz unvermutet rutschig“, so Ranft.
Genauso könnten viele weitere typische Winterwetterlagen ohne Schnee für Gefährdungen sorgen. Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang beispielsweise überfrierende Nässe oder starke Regenfälle genannt. Deshalb empfehlen Ranft und selbstverständlich auch Dunlop den Wechsel auf wintertaugliche Reifen, sobald die Temperaturen sich deutlich im einstelligen Gradbereich bewegen. „Vernünftigerweise sollte man von Oktober bis etwa April auf Winterreifen unterwegs sein“, meint Ranft und liegt damit auf einer Linie mit der in der Branche akzeptierten Empfehlung, dass von Oktober bis Ostern Winterreifen am Fahrzeug montiert sein sollten. Denn deren weichere und damit flexiblere Gummimischung verspreche mehr Grip als Sommerreifen.
Zudem ist das Profil von Winterreifen meist von mehr Rillen durchzogen, womit Reifenentwickler eine effektivere Ableitung von Wasser oder Schneematsch aus der Bodenaufstandsfläche zur Seite heraus verbinden. Abgesehen davon verfügen die Winterreifen über Lamellen, wobei diese kleine Profileinschnitte dafür zuständig sind, dass sich der Reifen bei geschlossener Schneedecke in den Schnee „krallen“ kann. „Ein M+S-Reifen ohne Lamellen bzw. mit glatten Profilblöcken ist kein Winterreifen“, macht Ralf Flachbarth unmissverständlich deutlich. Und um aufzuzeigen, wie wichtig eine an die Witterung angepasste Bereifung ist, präsentierte er Bremswegvergleiche auf Schnee und bei sommerlichen Temperaturen (20° Celsius) auf trockener Fahrbahn.
Im ersten Fall kommt ein Fahrzeug mit Winterreifen bei einer Bremsung aus einer Geschwindigkeit von 80 km/h nach 70 Metern zum Stehen, während der Bremsweg des gleichen Fahrzeugs mit Sommerreifen 42 Meter länger ausfiel. Wenn das M+S-bereifte Auto bereits steht, sei sein Pendant auf Sommerreifen noch mit einer Restgeschwindigkeit von 49 km/h unterwegs, sagt Flachbarth. Bei warmem Wetter ist es eher umgekehrt. Bei Versuchen bei 20° Celsius auf trockener Fahrbahn steht das Auto nach einer Bremsung aus 100 km/h nach 37,9 Metern, während auf Winterreifen sechs Meter mehr bis zum Stillstand benötigt werden, und die Restgeschwindigkeit des Autos mit Winterreifen an dem Punkt, wo der andere Wagen bereits steht, mit 37 km/h angegeben wird.
Reifenvergleichstests werden bekanntlich auch vom ADAC regelmäßig durchgeführt und deren Ergebnisse dann jeweils in den Umrüstmonaten April (Sommerreifen) und Oktober (Winterreifen) veröffentlicht. Daniel Bott gewährte den Teilnehmern am diesjährigen Winter-Workshop von Dunlop einen Blick hinter die Kulissen dieser Tests, die der Automobilklub erstmals 1973 durchgeführt hat. Dabei wird seinen Worten zufolge ein immenser zeitlicher und finanzieller Aufwand betrieben. „Ein halbes Jahr dauern allein die Tests, inklusive aller Vorarbeiten ist es ein Jahr. Das Budget dafür liegt nahe an einer Million Euro, wovon allein 100.000 Euro auf den Einkauf der Reifen entfallen“, so Bott unter Verweis darauf, dass der ADAC alle Reifen anonym im Handel erwirbt.
Umso erfreulicher für einen Hersteller, wenn seine Produkte bei einem solchen Test auf Herz und Nieren dann ganz vorne mit dabei sind. Insofern dürfte man bei Dunlop mit dem diesjährigen Abschneiden bei dem ADAC-Winterreifenvergleichstest durchaus zufrieden sein, wussten die Modelle „SP Winter Response“ (in der Dimension 185/60 R14 T) und „SP Winter Sport 3D“ (in der Dimension 205/55 R16 H) doch offenbar zu überzeugen: Sie fuhren zweimal das Prädikat „besonders empfehlenswert“ für den Hersteller ein. Besonders gelobt wurde dabei ihre Ausgewogenheit. „Einen Reifen nur hinsichtlich einer seiner Eigenschaften zu optimieren, stellt für einen Entwickler keine große Herausforderung dar. Die Kunst besteht darin, alle Anforderungen an moderne Winterreifen etwa in Bezug auf Trockenhandling, Nässeeigenschaften sowie den Fahrleistungen auf Eis und Schnee unter einen Hut zu bringen“, erklärt Flachbarth die Philosophie, die man bei Dunlop anscheinend mit Erfolg praktiziert.
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