TRIB: Ein Blick auf sich ändernde Wahrnehmungen
Die Runderneuerung ist bei Flottenbetreibern seit jeher bekannt dafür, ein wesentliches Mittel zur Verringerung der operativen Kosten zu bieten. Dennoch gibt es immer noch welche, die in einem Runderneuerten einen Reifen sehen, der weniger leistet als ein Neureifen. Um diese Fehlwahrnehmung abzuschaffen und die Aufmerksamkeit der Runderneuerung in der Öffentlichkeit durch den Hinweis auf offensichtliche wirtschaftliche und ökologische Vorteile zu erhöhen, hat sich das Tire Retread Information Bureau (TRIB) aus den USA seit beinahe vier Jahrzehnten um die Sache verdient gemacht. Die NEUE REIFENZEITUNG sprach jetzt mit dem TRIB-Geschäftsführer Harvey Brodsky über eine Branche, die von Flottenbetreibern einfach nicht ignoriert werden kann.
„Die negative Wahrnehmung, Runderneuerte sind etwas Geringeres, ist leider nicht nur in den USA weit verbreitet“, so Harvey Brodsky. „Das Problem ist doch: Leute sehen Reifenteile auf dem Highway, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie sofort sagen, das war von einem runderneuerten Reifen.“ Obwohl sich die Bildungskampagne des TRIB regelmäßig mit dieser Thematik befasst, habe sich die Organisation so manches Mal wie ein einsamer Kämpfer vorgekommen, jedenfalls bis vor Kurzem. Im Dezember 2008 hat die Verkehrssicherheitsbehörde der USA, die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), eine Studie unter dem Titel „Commercial Medium Tire Debris“ veröffentlicht. In der Zusammenfassung schreibt die NHTSA, dass „der Anteil der Reifenabfälle, der von runderneuerten Reifen und von Neureifen stammt, deren Verbreitung entspricht. Ein Vergleich der Abfälle von Neureifen und runderneuerten Reifen zeigt, dass es eine weitgehende Korrelation mit den Erwartungen aus der Industrie gibt.“ Harvey Brodsky: „Wir wussten dies schon die ganze Zeit. Nur mussten wir es immer beweisen.“ Darauf musste der TRIB-Geschäftsführer lange warten. „Die Studie wurde nicht von uns in Auftrag gegeben. Sondern es war die Regierung ganz unabhängig.“ Die Studie schlussfolgert auch, dass die Mehrheit der auf US-Highways gefundenen Reifenteile nicht dort liegt, weil der betroffene Reifen einen Produktionsfehler hatte. Dies hätten aber auch bereits frühere Studien belegt. Wie der TRIB-Geschäftsführer betont, konzentriere sich die Organisation in der aktuellen Wirtschaftskrise vor allem eines: „Jede namhafte Flotte in der Ersten Welt benutzt heute bereits Runderneuerte. Wenn unsere Mitglieder ihre Aktivitäten auf diese Kunden konzentrieren, hat am Ende jeder einen kleineren Teil vom Kuchen. Stattdessen wollen wir dahin gehen, wovon uns noch die ‚letzte Grenze’ trennt, und zwar der öffentliche Sektor mit seinen Flotten. Wenn wir sie davon überzeugen können, runderneuerte Reifen zu nutzen, wird der Kuchen insgesamt größer und alle bekommen ein größeres Stück davon.“
Brodsky weiter: „Der öffentliche Sektor ist äußerst wichtig. Aber er kümmert sich nicht so sehr um den Reingewinn und die Umwelt, wie er es sollte. Größere Städte sind ansprechbarer, was die Runderneuerung betrifft. Es sind vielmehr die mittelgroßen Flotten mit, sagen wir, 60 bis 100 Lkw, die nicht gestört werden wollen.“ Dies sei kein rein amerikanisches Problem, auch die europäischen Runderneuerer machen dieselben Erfahrungen. Um öffentliche Fuhrparkbetreiber in den USA zu gewinnen, veranstaltet das TRIB Workshops zur richtigen Reifenwartung und zur Runderneuerung. Es sei allerdings vorwiegend die Reifenwartung im Titel des Workshops, die die Teilnehmer anlocke, gibt Brodsky zu. Sobald allerdings die Workshop-Teilnehmer verstehen, was Runderneuerer anzubieten haben, etwa bei einer Tour durch eine Runderneuerungsfabrik, seien sie zu beinahe 100 Prozent überzeugt. „Moderne Fabriken stellen heute hochqualitative Produkte her“, so der Geschäftsführer. „Die Anzahl der Fehlproduktionen einer hochwertigen Runderneuerung liegt nicht auf demselben Niveau wie die bei Neureifen – um genau zu sein, liegt sie sogar darunter. Für wirklich gute Runderneuerte liegt die Quote heute gut unter einem Prozent. Das ist alles ganz anders als noch vor 15 Jahren, bevor zerstörungsfreies Testen möglich war. Führende Neureifenhersteller schaffen heute auch nur eine Quote von um die ein Prozent.“
Jeder namhafte Neureifenhersteller entwickele seine Reifen heute mit speziellem Blick auf deren Runderneuerungsfähigkeit. Viele Runderneuerer aus Europa und Nordamerika wollten dabei nichts von neuen Lkw-Reifen aus chinesischer Produktion wissen. Diese Situation, so Brodsky weiter, ändere sich indes langsam. „Ein führender chinesischer Hersteller, der die Notwendigkeit, an der Qualität zu arbeiten, anerkannt hat, ist Double Coin. Der Hersteller, ein Mitglied des TRIB, hat verstanden, dass die Verbesserung der Qualität der einzig richtige Weg in die Zukunft ist. Ich habe mir die Double-Coin-Fabrik in Shanghai angesehen und die Beachtung, die Qualitätsfragen erhalten, ist unglaublich. Sailun ist ein anderer Hersteller, der seinen Weg macht. Und wir werden noch mehr von ihm hören.“
Ein weiterer Trend, den das TRIB beobachtet, ist die Wiederauferstehung der Runderneuerung von Pkw-Reifen. „Ich wäre überrascht, wenn wir dies nicht auch in Europa sehen würden. Dies betrifft nicht die 13 und 14 Zoll großen Reifen. Einige Runderneuerer merken, dass es sogar gute Absatzmöglichkeiten für verrückte SUV-Größen gibt.“ In den USA gibt es etwa ein Unternehmen (Green Diamond), das in diesem Bereich entsprechend investiert. In den 1970er Jahren hatte die Runderneuerung von Pkw-Reifen in den USA noch einen Marktanteil von 20 Prozent, und heute ist dies praktisch nichts mehr. Brodsky glaubt allerdings, dass die Zeit für die Wiederbelebung nicht weit ist: „Junge Menschen heute haben keine vorgefertigten Vorstellungen von Runderneuerten, sie sind vielmehr komplett neutral und offen gegenüber neuen Ideen. Außerdem haben sie mehr Lust an der Umwelt – es ist gerade dies, wo wir ihrer Aufmerksamkeit erhalten. Wenn der Reifen dann auch noch weniger kostet, stellt dies doch eine gewisse Chance dar.“
Aber Harvey Brodsky preist nicht nur die Runderneuerung an, sondern er lässt seinen Worten auch Taten folgen, denn seit mehr als 30 Jahren fährt er auf runderneuerten Reifen. Er hatte seinen ersten Kontakt mit runderneuerten Reifen durch die Firma Lodi aus Kalifornien, für die er damals anfing, zu arbeiten, und die zu den größten Materiallieferanten weltweit zählte. Das Unternehmen ging später in Konkurs; Lodi hatte beschlossen, die aufkommende Runderneuerung mit Kaltlaufstreifen als eine vorübergehende Modeerscheinung zu sehen. Als man Anfang der 1970er Jahre über eine Wiedereröffnung von Lodi nachdachte, wurde auch der Ruf nach einem unabhängigen Verband laut, der sich um die Interessen der Branche kümmern sollte. Das Tire Retread Information Bureau (TRIB) wurde dann 1972 gegründet. 1981, nach einigen Jahren abseits der Runderneuerungsbranche, wurde Harvey Brodsky dann zum Geschäftsführer des neuen Verbands gegründet.
Seit seiner Gründung war das TRIB stets eine gemeinnützige Vereinigung. Und, wie Brodsky hinzufügt, diese habe sich nie für Einzelinteressen von Mitgliedern starkgemacht oder für eine Art der Runderneuerung. Die Organisation wird durch einen zwölfköpfigen Vorstand geführt. Aktuell gehören dazu etwa Vertreter von Bridgestone-Bandag, Michelin, Goodyear, der TIA, Oliver Rubber und der RMA. Weitere Vorstandsmitglieder sind Zulieferer und einige unabhängige Runderneuerer. Obwohl das TRIB in 49 Ländern weltweit beinahe 500 Mitglieder hat, leistet sich die Organisation lediglich drei bezahlte Angestellte.
„Ich bin schon seit Ewigkeiten mit dabei“, bilanziert Brodsky seine bisherige Zeit im TRIB, „und ich habe jede Menge Spaß. Und ich habe es nicht eilig, damit aufzuhören; ich möchte noch so lange mitmachen, wie ich kann. Viele sagen: ‚Wenn du liebst, was du tust, wirst du in deinen Leben nicht einen Tag arbeiten.’“
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