15.500 mehr Beschäftigte: VDA sieht Autoindustrie weiter auf Kurs
Die deutsche Automobilindustrie hat im ersten Halbjahr 2008 trotz schwieriger Rahmenbedingungen bei Produktion, Export und Neuzulassungen zugelegt und die Beschäftigung um 15.500 Mitarbeiter erhöht. Der Umsatz übertraf in den ersten vier Monaten mit 104 Mrd. Euro das Vorjahresvolumen um knapp zehn Prozent. „Die deutsche Automobilindustrie ist Mitte 2008 weltweit weiter auf stabilem Kurs, doch wir wissen um die wachsenden Herausforderungen, die diese Industrie im laufenden Jahr noch zu meistern hat“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), gestern auf der Halbjahrespressekonferenz in Berlin.
Das Inlandsgeschäft verläuft weiterhin schleppend. Im Juni wurden 304.000 Pkw neu zugelassen, das entspricht einem leichten Zuwachs (plus 1 Prozent) gegenüber dem Vorjahreswert. In den ersten sechs Monaten legte der Inlandsabsatz um nahezu 4 Prozent auf 1,63 Mio. Neuzulassungen zu. „Wir liegen damit auf Kurs, auch wenn wir uns günstigere Rahmenbedingungen für die Inlandskonjunktur erhofft hatten“, so Wissmann. Das Absatzwachstum im ersten Halbjahr um 56.000 Einheiten sei trotz heftigen Gegenwinds erreicht worden: So stieg der Preis für einen Liter Dieselkraftstoff an der Zapfsäule in den letzten zwölf Monaten um 31 Prozent, Super-Benzin legte um 13 Prozent zu. Sollten die Kraftstoffpreise auf dem jetzigen hohen Niveau verharren, ergebe sich für das Gesamtjahr 2008 ein Kaufkraftentzug von 12 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr, sagte Wissmann. Nicht der Autokauf, sondern die Nutzung des Autos sei abermals teurer geworden.
Zudem seien die Autofahrer wegen des Wegfalls der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer sowie der immer noch offenen Frage der Ausgestaltung der CO2-basierten Kfz-Steuer verunsichert. Allerdings gebe es auch ermutigende Frühindikatoren: So haben die inländischen Auftragseingänge im ersten Halbjahr um 4 Prozent zugelegt, der Auftragsbestand liegt mit 392.000 Einheiten um 12 Prozent über dem Vorjahresniveau. „Nach Abwägung aller Einflussfaktoren haben wir uns daher entschieden, unsere bewusst konservativ angelegte Prognose für den Pkw-Inlandsmarkt im Gesamtjahr 2008 nicht zu verändern. Wir erwarten für das laufende Jahr 3,2 Mio. Pkw-Neuzulassungen in Deutschland“, sagte Wissmann.
Das Exportvolumen stieg im ersten Halbjahr um 2 Prozent auf nahezu 2,3 Mio. Einheiten. Dank des robusten Auslandsgeschäfts legte die Inlandsproduktion um ebenfalls 2 Prozent auf über 3 Mio. Pkw zu. Wissmann unterstrich: „Wir werden in diesem Jahr im Inland 5,7 Mio. Pkw produzieren und damit das hohe Vorjahresniveau halten können – ebenso beim Export mit gut 4,3 Mio. Pkw.“
Auf der Produktionsseite wirken sich die dramatischen Steigerungen bei den Rohstoffpreisen – seit Dezember 2007 haben sich die Preise für Warmbreitbandstahl um 58 Prozent erhöht, Aluminium und Kupfer sind jeweils um 22 Prozent teurer geworden, die Schrottpreise haben sich verdoppelt – laut Wissmann auf die gesamte Wertschöpfungskette aus, vom kleinen Zulieferer bis zum großen Hersteller. Hinzu kommen höhere Energiekosten: In den letzten zwölf Monaten hat sich der Rohölpreis auf über 140 US-Dollar verdoppelt, die Strompreise sind im gleichen Zeitraum um 30 Prozent gestiegen. Wissmann: „Alle unsere Mitgliedsunternehmen spüren die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise, besonders betroffen sind unsere mittelständischen Zulieferer.“ Die Lage werde zusätzlich durch die Tatsache verschärft, dass die großen Stahlhersteller in den letzten Tagen weitere drastische Stahlpreissteigerungen angekündigt haben.
Der VDA-Präsident betonte: „Auch wir wissen natürlich, dass die Kostenbasis der Stahlhersteller aufgrund der gestiegenen Eisenerz-, Kokskohle- und Schrottpreise ebenfalls unter Druck geraten ist. Die EU-Kommission beschäftigt sich mit der Fusion der beiden Minengesellschaften BHP Billiton und Rio Tinto. Wir begrüßen das sehr und erwarten, dass dieser Zusammenschluss einer intensiven Prüfung unterzogen wird. Auch wir haben der Kommission unsere Bedenken mitgeteilt. Die Marktsituation bei Eisenerz und Kokskohle rechtfertigt nicht das Ausmaß der erwähnten Preissprünge. Und für uns erleichtert darüber hinaus die sehr starke Marktposition der Stahlkonzerne – insbesondere in Europa – das Geschäft keineswegs.“ Die Lasten hieraus könne die Automobilindustrie nicht alleine tragen. Der VDA stehe für einen fairen Umgang miteinander. In der automobilen Lieferkette müssten die Mehrbelastungen, die sich zwangsläufig ergeben, von allen Schultern getragen werden, „auch von der Stahlindustrie“, unterstrich Wissmann.
Von der Währungsfront sei ebenfalls kein Rückenwind zu erwarten. Umso mehr unterstreiche der bisherige Jahresverlauf die Robustheit dieser Schlüsselbranche, die außerhalb Deutschlands in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres ihre Pkw-Produktion um 14 Prozent auf gut 2,4 Mio. Einheiten steigern konnte. Im Gesamtjahr werde, so Wissmann, die Auslandsfertigung bei 5,6 Mio. Pkw liegen und damit fast mit dem Produktionsvolumen im Inland gleichziehen. Die Kapazitäten seien weiterhin gut ausgelastet. Die deutschen Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer legten auf wichtigen Märkten zu, so in China um 27 Prozent, in Russland um knapp 30 Prozent und in der Türkei um über 40 Prozent. Auf dem um 10 Prozent rückläufigen US-Markt konnten die deutschen Hersteller im ersten Halbjahr um 1 Prozent zulegen.
Das nach wie vor starke Auslandsgeschäft gleicht den verhaltenen Inlandsmarkt mehr als aus. Weltweit werden die deutschen Hersteller im laufenden Jahr ihre Pkw-Produktion voraussichtlich um 3 Prozent auf 11,3 Mio. Einheiten steigern. Die international starke Stellung der deutschen Automobilindustrie sichert auch Arbeitsplätze im Inland. So waren im April 2008 in dieser Branche 756.000 Mitarbeiter beschäftigt, zwei Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
Wissmann betonte, dass die Steigerung der Kraftstoffeffizienz in den Unternehmen Chefsache sei: „Beim Klimaschutz sind wir gut voran gekommen. Die Automobilhersteller haben ihre Hausaufgaben gemacht – dies gilt ebenso für die vielen Zulieferunternehmen, die ebenfalls mit zahlreichen Innovationen dafür sorgen, dass individuelle Mobilität bezahlbar bleibt und die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich weiter sinken.“
So haben die deutschen Hersteller in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 27 Prozent mehr Fahrzeuge mit einem CO2-Wert von unter 130 g/km CO2 abgesetzt. Das entspricht einem Kraftstoffverbrauch von weniger als 5 l/100 km. „Wir wachsen damit nicht nur schneller als die Importeure, sondern haben auch absolut mehr Neuwagen in diesem Bereich verkauft als unsere Wettbewerber“, unterstrich der VDA-Präsident. Mit einem Marktanteil von 57 Prozent seien die deutschen Marken eindeutig Marktführer bei den „CO2-Champions“ unter 130 g/km. In der letzten Woche habe die deutsche Automobilindustrie mit dem „Umwelt-Autosommer“ ein weiteres markantes Zeichen für ihre Kompetenz beim Klimaschutz gesetzt.
Auch im Gesamtmarkt sei die Veränderung spürbar: So sind die CO2-Emissionen der neu zugelassenen Pkw in Deutschland in den ersten fünf Monaten um 3,2 Prozent auf 166,5 g/km CO2 gegenüber 2007 gesunken. Dabei haben die deutschen Hersteller mit einer Reduzierung um 3,4 Prozent überdurchschnittliche Erfolge erzielt. Die geringsten Einsparungen hätten die Japaner (minus 1,6 Prozent) und die Franzosen (minus 1,9 Prozent) erreicht.
Die größten Einsparungserfolge wurden im Kleinstwagenbereich erreicht (minus 4,0 Prozent) Dazu haben vor allem die deutschen Anbieter mit einer CO2-Minderung um 10 Prozent beigetragen. Auch in der Kompaktklasse kommen die Deutschen schneller voran: Sie haben die CO2-Emissionen um minus 3 Prozent gesenkt, die Importeure liegen bei minus 2 Prozent. Gleiches gilt für die Mittelklasse, wo die deutschen Hersteller den CO2-Wert um 5 Prozent reduziert haben.
Die hohe Innovationsgeschwindigkeit von Herstellern und Zulieferern mit jährlichen F&E-Aufwendungen von 18 Mrd. Euro sorge dafür, dass die deutsche Automobilindustrie auch bei Zukunftsthemen die Nase vorn habe, so Wissmann. Dies gelte insbesondere für die Entwicklung der neuen Lithium-Ionen-Batterie, an der deutsche Zulieferer und Hersteller auch unter dem Dach des VDA gemeinsam arbeiteten. Wissmann betonte: „Schon heute sind viele Fahrzeugmodelle deutscher Hersteller als Micro Hybrid mit Start-Stopp-Systemen ausgerüstet. Ziel ist die weitere „Elektrifizierung“ des Automobils, sei es als mild oder full hybrid, sei es als plug-in-Lösung. Notwendig sei allerdings auch eine nachhaltige Energieerzeugung in den Kraftwerken.
Abschließend sprach sich Wissmann für verlässliche Rahmenbedingungen aus. So sollte die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer wieder eingeführt und der Vorsteuerabzug bei Geschäftswagen beibehalten werden. Wissmann betonte: „Gerade der sensible Bereich des Firmenwagengeschäfts braucht endlich Ruhe und Verlässlichkeit an der Steuerfront. In einer fragilen Konjunktursituation ist eine Beeinträchtigung des Firmenwagengeschäfts Gift für den Pkw-Inlandsabsatz und damit für Tausende von Arbeitsplätzen.“
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