Gummi Grassau plant 2008 „keine Experimente“
Seit dem Gummi Grassau Ende 2003 durch den Großhändler RS Exclusiv übernommen wurde und dem Partnerschaftskonzept „First Stop“ beigetreten ist, hat sich in der norddeutschen Handelslandschaft einiges entwickelt. Nicht nur, dass der japanische Reifenkonzern Bridgestone seither eine deutlich verbesserte Präsenz im Norden und Nordosten des Landes hat. Sondern für den Großhändler aus Neumünster ergeben sich ganz neue Perspektiven, was die Weiterentwicklung des eigenen Handelsgeschäftes sowie die Erzielung von Synergieeffekten in Bezug auf die Logistik betrifft. Während Gummi Grassau unter dem neuen Eigentümer mit zwölf Niederlassungen begann, konnte Geschäftsführer André Reinke erst im März dieses Jahres Teile der T+T Reifenwelt übernehmen. Mittlerweile verfügt das Grassau-Netz über 27 Verkaufspunkte – eine weitere Expansion ist nur eine Frage der Zeit.
Es gibt in Deutschland nicht viele Großhändler, die über ein umfassendes Netzwerk an eigenen Reifenhandelsbetrieben verfügen können. Interpneu/Pneuhage ist das namhafteste Beispiel mit knapp 100 solcher Outlets. Seitdem RS Exclusiv die insolvente Reifenservice Gummi Grassau GmbH übernommen hat, hat sich im Norden Deutschlands einiges entwickelt. Nicht nur, dass die ehemaligen point-S-Betriebe nunmehr zum First-Stop-Partnerschaftskonzept gehören und folglich auch einen entsprechenden Anteil an Bridgestone- und Firestone-Reifen vermarkten. Seit der Übernahme der alten Betriebe habe sich auch deren relative Positionierung am lokalen Reifenmarkt verändert. Während einige der Betriebe, die im Laufe der Zeit hinzugekommen sind, als „Preiskämpfer“ bekannt waren, habe André Reinke, Geschäftsführer der (neuen) Gummi Grassau Reifen, Räder & Autoservice GmbH, die Betriebe neu ausgerichtet. Neben den Marken aus dem Bridgestone-Konzern konzentriere man sich auch auf die Vermarktung von Pirelli-Reifen (etwa über den Flottenservice „Driver Fleet Solution“ von Pirelli) wie auch von Reifen aus dem Continental-Konzern. Gummi Grassau bzw. André Reinke setze ganz bewusst auf Premiumqualität und hat folglich auch das Preisniveau, mit dem die Niederlassungen auf ihren lokalen Märkten agieren, im Laufe der vergangenen vier Jahre entsprechend angepasst. Als die Nachricht von der Grassau-Übernahme durch RS Exclusiv die Runde im Markt machte, reagierten einige Kunden des schleswig-holsteinischen Großhändlers überaus reserviert, befürchteten sie doch damals, dass die „neuen“ Grassau-Filialen mit einer starken Preisaggressivität am Markt agieren würden, und zwar nun mit der ganzen Finanzkraft eines Großhändlers im Rücken, der in der Zeit der Übernahme einen Jahresumsatz von knapp 30 Millionen Euro hatte. Über befürchtete Reaktionen der Kunden des Großhändlers, die ihrerseits im direkten Wettbewerb mit einer oder mehreren der neuen Grassau-Niederlassungen stehen, ist Geschäftsführer Reinke nichts bekannt.
Bei der Expansion des Netzwerkes hat die Kooperation mit dem Partnerschaftskonzept First Stop große Dienste geleistet. Der Bridgestone-Konzern habe sich, wie André Reinke betont, in keiner Weise finanziell an der Übernahme der insolventen Grassau-Filialen beteiligt. Allerdings habe die Kooperation mit First Stop dafür gesorgt, dass die Betriebe ein umfangreiches Facelifting erhalten konnten. Der Außenauftritt der Grassau-Niederlassungen ist unter dem neuen Eigentümer komplett überarbeitet worden und hinterlässt heute an jedem der 27 Standorte eine eindeutige Visitenkarte. Außerdem könnten die neuen Grassau-Filialen vom integrierten Marketing des Partnerschaftskonzeptes profitieren, was – so André Reinke weiter – allein nicht zu bewerkstelligen sei. First Stop sei „ein Partner, der – was die Infrastruktur im Marketing betrifft – gut mit uns zusammenarbeitet“. Für die interne marketingseitige Betreuung der neuen Grassau-Filialen ist übrigens die Ehefrau von André Reinke zuständig, ´Heike Reinke.
Seit der Übernahme der insolventen Reifenservice Gummi Grassau GmbH durch RS Exclusiv und dessen Geschäftsführer Thomas Schmidt (ist gemeinsam mit André Reinke Geschäftsführer der Handelskette) Ende 2003 habe man also nicht nur versucht, das Produktangebot und die Preisstruktur auf Premiumniveau anzuheben. Es seien auch gewisse Mindeststandards eingeführt worden, denen das Leistungsspektrum der neuen Niederlassungen genügen müsse. Insbesondere beim Autoservice und beim Flottenservice habe man in den vergangenen Jahren nachholen müssen. Neben allem, was rund um das Rad gehört, umfasst das Basisangebot im Bereich Autoservice für Pkw natürlich auch beinahe alles, was einem zu den Themen Auspuff, Bremsen, Stoßdämpfer und Öl einfällt. Darüber hinaus sollten alle 27 Niederlassungen in der Lage sein, eine Minimaldiagnostik am Fahrzeug durchzuführen. Dennoch: „Wir wollen den Reifen im Mittelpunkt halten.“ Zwar sei der Autoservice mit rund 15 Prozent Umsatzanteil nicht zu vernachlässigen. Und es ist auch insbesondere dieses Teilgeschäft, in das investiert wird. Das Reifengeschäft ist und bleibt allerdings die Kernkompetenz aller Niederlassungen, was auch nach außen hin stets dokumentiert und kommuniziert wird: Gummi Grassau ist ein Reifenfachhandel, kein Fast-Fitter und auch keine Fachwerkstatt.
Die Veränderungen, die stattgefunden haben und auch weiterhin kontinuierlich stattfinden, sollen dabei aber nicht die jeweiligen gewachsenen Strukturen der einzelnen Niederlassungen vernachlässigen. So waren etwa die ehemaligen Grassau-Betriebe allesamt im Lkw-Reifengeschäft stark vertreten und waren entsprechend ausgestattet. Diese Stärken nutze man weiterhin und setzt dort, wo es möglich ist, dieses Engagement im Nutzfahrzeugsegment fort. So wird beispielsweise im September die 28. Grassau-Filiale in Lüneburg eröffnet. Auch hier werde man weiterhin auf die Vermarktung von Lkw-Reifen setzen. Natürlich zähle dazu auch das Flottengeschäft im Nutzfahrzeugsegment, mobiler (Pannen-)Service inklusive. Die Grassau-Runderneuerung in Rostock ist seinerzeit nicht mit übernommen worden.
Der große Vorteil, von dem die Grassau-Filialen profitieren können, ist ihre geografische Lage. Diese deckt sich – nicht zufällig – mit der Ausdehnung des Kerngebietes des Großhandelsbetriebes. Folglich könne in Bezug auf die Logistik einiges an Synergieeffekten erzielt werden, beziehen die Grassau-Filialen ihre Reifen doch zu 100 Prozent über RS Exclusiv. Im Gleichschritt mit dem Wachstum des Großhandels, der kontinuierlich stattfindet und nun beginnt regionale Verteilerläger einzurichten, etwa in Magdeburg, wird auch die Ausdehnung des Gummi-Grassau-Netzwerkes stattfinden. Der angestellte Geschäftsführer, der bereits seit 1995 für das Familienunternehmen RS Exclusiv arbeitet und folglich als Eigengewächs gelten kann, habe als „Vorgabe“ die Einrichtung von „50 Betrieben“, die zentraler Bestandteil der neuen Kooperation „TyreXpert“ sein sollen. Dass es dabei nicht ausschließlich um die Anzahl der Outlets geht, die möglichst schnell erreicht werden soll, sondern dass eben auch die erreichbare Vermarktungsqualität der jeweiligen Outlets stimmen muss, betont Reinke immer wieder. So habe er etwa im vergangenen Jahr knapp ein halbes Dutzend Übernahmen ausgeschlagen. Immer wieder treten Reifenhändler an RS Exclusiv bzw. Gummi Grassau heran und wollen über eine Übernahme verhandeln, zum Teil, da ein Nachfolger im Familienbetrieb fehlt, zum Teil, da finanzielle Probleme bestehen. Dabei ist der letztgenannte Grund in der Regel der Vorwiegende.
Da man sich eben nicht unter einem akuten Zeitdruck wähnt, will Gummi Grassau, was die eigene Expansion betrifft, auch im laufenden Jahr einen Gang runterschalten. Es kommen zwar im laufenden Jahr vier neue Niederlassungen hinzu, dennoch wolle man „nicht nennenswert in neue Filialen investieren“, so Reinke, und deutet damit an, dass in 2008 das Erreichte fest etabliert werden soll; das Stichwort: „Keine Experimente.“ Allerdings solle die Reifenhandelskette im laufenden Jahr weiter „organisch wachsen“, womit Reinke natürlich die Verbesserung der relativen Positionierung der einzelnen Niederlassungen auf ihren jeweiligen lokalen Märkten meint. Neue Geschäfte auf der „grünen Wiese“ (es gibt davon bisher fünf) sollen wegen der üblichen Durststrecke in den Anfangsjahren bis zum Erreichen der Gewinnschwelle zunächst gar nicht mehr entstehen. Dass eine solch zurückhaltende Herangehensweise auch mit den letztjährigen Absatzzahlen am deutschen Reifenmarkt zu erklären ist, liegt auf der Hand. Während der gesamte Pkw-Ersatzmarkt in 2007 einen Rückgang von 11,5 Prozent hinnehmen musste, so der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk in einer aktuellen Veröffentlichung, habe Gummi Grassau weniger Federn lassen müssen. Wie André Reinke erzählt, habe man das Geschäft mit Sommerreifen im vergangenen Jahr sogar – entgegen dem bundesdeutschen Trend – noch leicht ausbauen können; der Absatz an Winterreifen ging allerdings auch in den Grassau-Niederlassungen zurück, sodass sich fürs Gesamtjahr ein Rückgang im unteren einstelligen Prozentbereich ergebe, so der Geschäftsführer weiter. Das Geschäft mit Lkw-Reifen konnte indes im vergangenen Jahr weiter ausgebaut werden. Das Pkw-Reifengeschäft, so die Hoffnung bei Gummi Grassau, werde sich im laufenden Jahr wieder deutlich zum Positiven wenden.
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