Sibur-Russian Tyres’ Pilotprojekt Deutschland
Zwei von fünf in Russland gefertigte Reifen stammen heute aus den Fabriken des Herstellers Sibur-Russian Tyres, der folglich größter russischer Reifenhersteller und gleichzeitig Marktführer – gerade bei Nutzfahrzeugreifen – ist. Trotz der Erfolge, die das Unternehmen auf dem heimischen Markt seit Jahren hat, begann Sibur-Russian Tyres erst vor Kurzem aktiv, seine Produkte auch in Westeuropa anzubieten und hat dazu im vergangenen Sommer eine eigene Niederlassung in Berlin gegründet, die Sibur Reifen Deutschland GmbH. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutern Ekaterina Nazwlischwili, Country Manager der deutschen Gesellschaft, sowie Repräsentant Ralf Schicke die Pläne, die der Konzern mit der deutschen Niederlassung hat und warum der russische Hersteller glaubt, dass das „Pilotprojekt Deutschland“ von zentraler Bedeutung ist.
In der Vergangenheit haben es nicht viele russische Unternehmen geschafft, auf den westeuropäischen Reifenmärkten Fuß zu fassen. Insbesondere der so anspruchsvolle deutsche Markt zählte bisher kaum zu den Empfängern von Exportlieferungen aus russischen Reifenwerken. Dies, so hoffen Ekaterina Nazwlischwili und Ralf Schicke von Sibur Reifen Deutschland, soll sich jetzt aber ändern. Die beiden vertreten derzeit das russische Unternehmen in Deutschland und zeigen sich zuversichtlich, dass sie in Deutschland, in den benachbarten deutschsprachigen Ländern wie auch insgesamt in Europa ihre Reifen mit Argumenten anbieten können, die überzeugend sind.
Dabei sind es insbesondere Nutzfahrzeugreifen, bei denen Sibur-Russian Tyres eine hohe Qualität zu günstigen Preisen nachgesagt wird. Derzeit ist Sibur-Russian Tyres – eine Tochtergesellschaft der größten russischen Petrochemie-Holding Sibur – mit Lkw- und mit Landwirtschaftsreifen auf dem deutschen Markt vertreten. Zentraler Baustein des in Deutschland und in Europa angebotenen Lkw-Reifensortimentes ist die Sortimentslinie „TyRex Allsteel“. Die laut Hersteller runderneuerungsfähigen TyRex-Allsteel-Lkw-Reifen sind derzeit in fünf verschiedenen Profilen in Deutschland verfügbar. Dazu gehören Profile für die Lenkachse von Lkws und Bussen im Nah- und Fernverkehr, für die Antriebsachse von Lkws und Bussen im Nah- und Fernverkehr, für die Lenk- und Antriebsachsen von Stadt- und Überlandbussen sowie auch für den universellen Einsatz auf der Straße, im Gelände und für den Einsatz auf den Achsen von Trailern und Anhängern. Die Dimensionsstatistik reicht dabei von 275/70 R22.5 bis hin zu 385/65 R22.5.
Die Lkw-Reifen von Sibur-Russian Tyres, die hierzulande angeboten werden, sollen dabei nicht nur mit dem Hinweis auf die Qualität der Produkte des russischen Marktführers verkauft werden. Vielmehr stellt das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis natürlich die zentrale Botschaft dar, wenn Ralf Schicke im Gespräch mit Reifenfachhändlern in Deutschland ist. Schicke (55), der nach seiner Zeit bei BBS zu Pneumant wechselte und dort von 1992 bis 2002 tätig war, bevor er sich als Unternehmensberater selbstständig machte, weiß als erfahrener Reifenverkäufer natürlich genau, dass die Lkw-Reifen von Sibur-Russian Tyres nicht im deutschen oder europäischen Premiumsegment einsteigen können. Die Produkte, gegen die man im direkten Wettbewerb steht, werden dabei laut Schicke von Importeuren chinesischer Lkw-Reifen hierzulande eingeführt.
Nur: „Die Chinesen erfüllen oftmals nicht die hohen qualitativen Anforderungen, die deutsche Reifenfachhändler an Lkw-Reifen haben.“ Außerdem könne Sibur-Russian Tyres bzw. die deutsche Tochtergesellschaft Sibur Reifen Deutschland einen anderen, nicht zu vernachlässigenden Vorteil bieten: Während Importware aus China gerne einmal mehrere Monate im Container unterwegs ist, so Ralf Schicke, lasse das Anspruchsdenken des russischen Marktführers eine Lieferfrist von bis zu sechs Wochen für Kunden in Deutschland zu, wobei diese Minimalanforderung in der Regel noch unterboten wird.
Warum hat sich aber der russische Konzern, dessen deutsche Tochtergesellschaft formell von Oleg Kataev, dem Leiter der Exportabteilung des russischen Herstellers, in der Funktion eines Geschäftsführers geleitet wird, für Deutschland als den anspruchsvollsten Markt in Europa entschieden, um den Einstieg in Europa zu schaffen? „Gerade deswegen“, sagt Country Manager Ekaterina Nazwlischwili. Weil der deutsche Markt eben der Anspruchsvollste unter den europäischen Märkten ist, was Pkw- wie auch Lkw-Reifen betrifft. Getreu dem Motto „Wer es hier schafft, schafft es überall“ habe man sich ganz bewusst für den technisch hochwertigsten Reifenmarkt Europas entschieden und stellt sich dort dem Wettbewerb. Bereits nach einem guten halben Jahr in Deutschland sei die Resonanz auf dem deutschen Markt überaus positiv, so Schicke weiter.
Ein Unternehmen, dass auf dem deutschen Lkw-Reifenmarkt etwas werden möchte, kommt natürlich um einige wenige Kunden nicht herum. Dazu zählen zu allererst die Kooperationen Team, FRI, point S oder EFR bzw. deren Zentralen. Man stehe derzeit entweder bereits in Verhandlungen oder habe zumindest das Angebot bzw. Produktmuster abgegeben, sagt der deutsche Sibur-Repräsentant. Man sei zuversichtlich, dass noch im Laufe dieses Frühjahrs der Absatz von Lkw-Reifen über eine der wichtigen Kooperationen auf dem deutschen Ersatzmarkt beginnt.
Dabei ist Sibur Reifen Deutschland ganz bewusst daran interessiert, direkt den Kontakt zum Reifenfachhändler zu suchen. Derzeit sei der Absatz an Lkw-Reifen in Deutschland zwar noch eher punktuell, so Schicke weiter. Dennoch möchte man ohne die wesentliche Unterstützung durch die hierzulande fest etablierten Großhändler auf dem deutschen Ersatzmarkt Fuß fassen, wobei Sibur Reifen Deutschland dabei explizit die Großen in der Branche der Großhändler meint. Für das laufende Jahr sei in Deutschland ein Absatz von rund 25.000 Lkw-Reifen in 22.5 Zoll geplant.
Ein russisches Unternehmen, dem der Einstieg in den deutschen Reifenmarkt gelingt, kann dies zurecht auch als Imagegewinn für sich selbst nutzen, schließlich ist dies – wenn man mal von der Sonderkonstellation um Amtel-Vredestein absieht – noch keinem russischen Reifenhersteller gelungen. In der Berliner Friedrichstraße in der Nähe des Check-Point „Charly“ am Sitz der deutschen Repräsentanz des russischen Unternehmens jedenfalls ist man durchaus zuversichtlich, dass die eigenen Produkte den hohen Ansprüchen deutscher Kunden genügen und dazu beitragen werden, „sich einen stabilen Ruf zu erarbeiten“, der zur „Imagesteigerung“ beiträgt.
Diesen Anforderungen sollen ebenfalls die von Sibur-Russian Tyres in den russischen Reifenwerken produzierten Landwirtschaftsreifen genügen, die unter der Sortimentslinie „TyRex Agro“ und „Voltyre“ auf den hiesigen Markt kommen und eine hohe Sortimentsbreite abdecken, wobei in Deutschland neben Diagonalreifen eben auch Radialreifen angeboten werden. Durch die Präsenz des Vollsortimenters in Deutschland werde man eben auch an der technologischen Entwicklung, die hierzulande und den benachbarten Ländern stattfindet, teilhaben, erläutert Country Manager Nazwlischwili. Die Aufgabe ist es folglich auch, intensiv Marktforschung zu betreiben, erklärt sie weiter.
Ralf Schicke fühlt sich derzeit vorwiegend verantwortlich für den deutschen Reifenmarkt, hat aber bereits Pläne für die Ausdehnung seiner Aktivitäten auf die benachbarten deutschsprachigen Länder Österreich und Schweiz. Erst danach wolle sich das junge Unternehmen auch um die anderen westeuropäischen Märkte wie etwa Frankreich kümmern, wozu allerdings – neben den beiden derzeit für Sibur Reifen Deutschland Arbeitenden – noch weiteres Personal im Außen- wie im Innendienst eingestellt werden soll und auch muss.
Nazwlischwili betont dabei, dass Deutschland der „östlichste Markt“ ist, um den sich die neu gegründete Tochtergesellschaft des russischen Reifenherstellers kümmert. In diesem Zusammenhang ist es übrigens interessant zu erwähnen, dass die Sibur Reifen Deutschland GmbH der einzige Organisationsteil des Sibur-Konzerns ist, der Reifen als Vertriebsgesellschaft direkt und auf eigene Rechnung an den Reifenfachhändler vor Ort vermarktet. In Russland wie auf allen anderen Exportmärkten arbeitet Sibur-Russian Tyres mit regionalen Distributeuren bzw. Exporteuren zusammen. Der Reifenhersteller konzentriere sich darauf, worin er stark sei, so Ekaterina Nazwlischwili weiter, und das ist die Herstellung von Reifen; den Vertrieb machen andere. Worauf sich Sibur Reifen Deutschland stattdessen konzentriert? Man wolle durch „Kundennähe, Serviceorientierung und eigene Marketingaktivitäten den westeuropäischen Markt umfassend bedienen“, denn „das Kundenpotenzial ist vorhanden“.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!