BRV: Reifenmarkt 2007 bricht um 12,5 Prozent ein
„Weder Reifenhersteller noch Reifenfachhandel können – bis auf einige wenige Ausnahmen – mit dem Verlauf des Pkw-Reifenersatzgeschäftes des Jahres 2007 auch nur annähernd zufrieden sein.“ – So fällt das knappe und ernüchternde Fazit des BRV aus, der schon einmal in seinem VIP-Newsletter des ausgehende Jahr 2007 Revue passieren lässt. Hersteller, die behaupteten, ihre Marke sei von der Abverkaufsflaute des Jahres 2007 nicht betroffen „verkennen, dass Lieferungen an den Handel noch keine Abverkäufe an den Endverbraucher darstellen,“ so der BRV weiter. Nach ersten, sehr vorsichtigen Schätzungen des Verbands, die in den kommenden Wochen möglicherweise noch korrigiert werden müssten, seien in 2007 bundesweit 41,5 Millionen Pkw-Reifen an den Verbraucher verkauft worden. Bei einer Sell-out-Zahl von 47,4 Millionen Stück in 2006 bedeute dies ein Minus von 12,5 Prozent. Die Liefermenge der Industrie an den Handel werde derzeit bei 45,6 Millionen gesehen, sodass – unter Berücksichtigung des Bestandsaufbaus in 2006 (ca. 3,4 Millionen Pkw-Reifen) – ein verfügbares, aber nicht abverkauftes Volumen von 7,5 Millionen Pkw-Reifen im deutschen Reifenhandel existieren dürfte; die Läger sind also randvoll.
„Wenngleich ein Minus in Höhe von sieben Prozent bei Sommerreifen unschön, aber vielleicht noch zu verkraften gewesen wäre, so stellt ein Minus von 17,4 Prozent bei Winterreifen schon ein sehr ernsthaftes Problem für die Branche dar“, so der Verband weiter. „Die betriebswirtschaftlichen und insbesondere die preislichen Konsequenzen werden wir in naher Zukunft wohl zu spüren bekommen.“ Und wer – wie noch im Sommer geschehen – zweistellige Zuwachsraten bei Winterreifen in Aussicht stellt, „nimmt eine bewusste oder unbewusste Irreführung des Reifenfachhandels in Kauf“
Gründe für den klaren Rückgang
Laut BRV seien folgende Ursachen und Einflussgrößen auszumachen: „Der konjunkturelle Aufschwung scheint beim Verbraucher noch nicht angekommen zu sein. Trotz guter Konjunktur haben die Deutschen heute weniger Geld zur Verfügung, als beim Antritt der großen Koalition“, heißt es weiter in dem VIP-Newsletter der BRV. „Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte hat sich zwar von 2005 bis 2007 auf dem Papier um 3,2 Prozent erhöht, aber aufgrund von Preissteigerungen und anderen Faktoren tatsächlich um 0,4 Prozent verringert. Ursache hierfür ist die Mehrwertsteuererhöhung und der langsame Anstieg der Gehälter. Die steigenden Mobilitätskosten tun ihr übriges. Zwischen 2000 und 2007 mussten Autofahrer rund 15 Prozent mehr Geld für ihre Mobilität aufbringen. Schuld daran sind nicht nur die hohen Kraftstoffpreise.“
Die zum 1. Mai 2006 vollzogene Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) und die damit einhergehende stärkere Betonung der Notwendigkeit, als Automobilist auf eine „geeignete Bereifung“ achten zu müssen, habe in der öffentlichen Berichterstattung des Jahres 2007 – trotz aller Bemühungen des BRV und der Initiative PRO Winterreifen – nur noch eine sehr untergeordnete Rolle beim Verbraucher gespielt. Da auch das Wetter nicht mitspiele, habe man eine Verbrauchernachfrage mit dem StVO-Argument nicht mehr erzeugen können.
Die Zahl der Neuzulassungen ist von Januar bis November um 8,2 Prozent auf 2,91 Millionen Einheiten (minus 300.000 Fahrzeuge) gefallen. Das ist das niedrigste Zulassungsniveau seit der Wiedervereinigung, zumal die Tatsache, dass in den 2,91 Millionen Einheiten noch eine erhebliche Anzahl an sogenannten Eigenzulassungen enthalten ist, das von den Herstellern bzw. Autohäusern noch nicht verkauft wurde, besondere Beachtung verdient. Hinzu komme, dass sich das Verhältnis zwischen privaten und gewerblichen Kunden mittlerweile umgekehrt hat. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt 62 Prozent der Neuzulassungen von gewerblichen Kunden getätigt und nur noch 38 Prozent von Privatleuten.
„Belastend hat sich auch die Politik der Automobilhersteller ausgewirkt, die beim Neuwagenverkauf mehr und mehr dazu übergeben, einen verdeckten Rabatt in Form eines kostenlosen Satzes Winterreifen zu gewähren“, kritisiert der BRV-Vorstand in seinem VIP-Newsletter. „Damit wird die Wertigkeit des von uns vermarkteten Produktes ad absurdum geführt.“ Die Sättigungsgrenze bei der Umrüstquote bei M+S-Reifen scheine darüber hinaus mit 54 Prozent erreicht zu sein.
„Wie schon anlässlich der BRV-Mitgliederversammlung im Juni 2007 in Dresden angedeutet, ist die Branche gut beraten, über mittelfristig wirksam werdende alternative Geschäftsmodelle nachzudenken. Der BRV wird diesbezüglich seine Beiträge leisten.“ Wenngleich das Llkw- und Lkw-Reifengeschäft in 2007, jedenfalls bis Oktober, eine recht erfreuliche Stückzahl-, Umsatz- und Ertragsentwicklung zu verzeichnen hatte, so der BRV weiter, und dieser Geschäftszweig auch 2008 positive Impulse zu erwarten habe, bedürften insbesondere die reinen Pkw-Reifenvermarkter angesichts der angespannten Situation der „Unterstützung der Reifenindustrie, die deren Lage wirtschaftlich flankiert. Ansonsten wird sie sich zukünftig nur schwer auf leistungs-, service- und investitionsstarke Distributeure stützen können.“
Diese Flankierung könnte „unter anderem zum einen durch eine erhöhte Valutierungs- und zum anderen durch eine verstärkte Warenrücknahmebereitschaft geschehen. Branchenpolitisch scheint jetzt der Zeitpunkt gekommen zu sein, in dem die Hersteller unter Beweis stellen können, ob sie ihrer Verantwortung für das Branchengeschehen gerecht werden. Wollen wir keine Rabattschlacht mit herumvagabundierenden Mengen zu Dumpingpreisen in bisher nicht bekanntem Ausmaß erleben, so ist jetzt die Zeit einer ‚Koalition der Vernünftigen’, die sich nicht scheut, zu Lasten der eigenen betriebswirtschaftlichen Ergebnisse dem Markt Mengen zu entziehen und Produktionsanpassungen vorzunehmen.“ Kurzfristig werde dies ein schmerzhafter Einschnitt, mittel- und langfristig diene es einer Konsolidierung, die einem mengenmäßig überhitzten Markt eher gut tun werde. Alles andere werde die Lage eher noch verschärfen, womit weder dem Handel noch den Herstellern gedient sei.
Es bleibe, bezogen auf 2008, „bei unserer auch schon früher geäußerten Empfehlung, unternehmerische Planungen eher restriktiv auszurichten und betriebliche Bedingungen zu optimieren.“ Der schwache Absatz des laufenden Jahres werde keine Ausnahmeerscheinung bleiben, sondern den Trend für die Zukunft anzeigen. Das Center of Automotive sieht in einer erst kürzlich veröffentlichten Studie voraus, dass das Volumen des Servicemarktes bis zum Jahr 2015 um zehn bis 15 Prozent zurückgehen wird. „Auch unsere Branche wird davon betroffen sein.“
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