Vipal will zunächst in Europa ankommen
Für ein Unternehmen wie Borrachas Vipal S/A wird ein Markt wie Europa immer interessanter. Auf dem heimischen Markt Brasilien mit einem Volumen von rund 8,5 Millionen Runderneuerten (90 Prozent sind kaltrunderneuert), auf dem Vipal mit Abstand und einem Anteil von 43 Prozent Marktführer ist, hat das Unternehmen eine beinahe 25-jährige Marktpräsenz. In Europa hingegen ist Vipal erst seit gut zwei Jahren mit einer eigenen Gesellschaft präsent. Darin sieht International Business Director Maria Locatelli aber einen großen Vorteil – der europäische Markt biete für den Lieferanten von Runderneuerungsmaterialien immense Entwicklungsfähigkeiten. Entsprechend selbstbewusst tritt das Unternehmen denn auch auf, will bei der Umsetzung seiner Europastrategie aber Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten lassen: „Wir müssen den Markt zunächst verstehen lernen.“
Erst kürzlich machte das Unternehmen mit einer Aussage auf sich aufmerksam, man wolle bis Ende des kommenden Jahres zehn Prozent des europäischen Runderneuerungsmarktes bedienen – eine deutliche Ansage an all diejenigen Material- und Laufstreifenlieferanten, die derzeit den Markt dominieren. „Für uns bei Vipal ist der Markt jetzt reif.“ Ob dies am Ende der Fall sein wird, scheint fraglich. Allerdings: Vipal traut sich in jedem Fall zweistellige jährliche Wachstumsraten in Europa zu, so Maria Locatelli im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Der International Business Director rechnet aber nicht mit einer gleichmäßigen Entwicklungen auf den verschiedenen Märkten Europas. So werde Osteuropa und die GUS-Staaten zwar auch als Wachstumsmarkt gesehen, dem allerdings die Reife Westeuropas und Brasiliens fehle. Kunden dort kauften oftmals nur nach Preis, nicht nach Qualität, so die Direktorin weiter. Für einen solchen Markt müsse ein potenzieller Marktführer wie Vipal, der daheim im Monat 13.000 Tonnen Gummi verarbeitet, die „richtige Herangehensweise„ haben. Idealerweise müsste das Marktverhalten in den betreffenden Staaten geändert werden.
Zunächst konzentriert sich das Unternehmen folglich auf den (west-)europäischen Runderneuerungsmarkt, der für wenigstens 85 Prozent des gesamten europäischen Runderneuerungsmarktes steht. Erste Erfolge seien bereits deutlich zu erkennen, so beansprucht das Unternehmen etwa rund fünf Prozent vom spanischen Markt und rund drei Prozent vom portugiesischen Markt – und das nach nur knapp zwei Jahren.
Borrachas Vipal versteht sich dabei ganz klar als Qualitätsanbieter und unterstreicht dies nicht zuletzt mit der Dominanz auf den heimischen Markt in Brasilien, wo auch Unternehmen wie Marangoni oder Bandag fertigen. Dennoch könne man auf einem neuen Markt wie Europa nicht wie ein Marktführer auftreten und Produkt- und Preisführerschaft einfach so übernehmen, die Herangehensweise müsse eine andere sein als in Südamerika. Vipal erkämpfe sich zwar keine Marktanteile über den Preis, betont die Direktorin, auch wenn der Verdrängungswettbewerb in Europa derzeit ganz stark über den Preis geführt wird. Stattdessen komme es darauf an, Qualitätsprodukte zum richtigen Preis anzubieten und darüber hinaus noch die notwendigen Serviceleistungen zu erbringen, so Locatelli. „Wir wollen auf dem Markt ankommen“, so die Prämisse für die ersten Jahre auf dem europäischen Markt. Und was Borrachas Vipal unter Service alles versteht, zeigt das Unternehmen auf seinem Heimatmarkt. Dort werden – wie seit diesem Jahr auch in Europa – Schulungen für die Mitarbeiter von Runderneuerungskunden angeboten. Über 3.000 Fachleute haben seit 1987 bereits an entsprechenden Veranstaltungen im „Vicencio Paludo Technical Center“ (CTV) teilgenommen – einer Einrichtung, die in Südamerika als „Runderneuerungsschule“ ein Begriff ist. Daneben gehört auch das Flottengeschäft unter der Bezeichnung „Protrans“ zum Serviceangebot wie auch die Bereitstellung von spezieller Software für den technischen Runderneuerungsbetrieb und den damit verbundenen Geschäftsalltag. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Vipal schnell in der Lage wäre, so etwas auch in Europa anzubieten„, lässt Maria Locatelli keinen Zweifel an der Bereitschaft des Unternehmens, in Europa vom Lieferanten von Runderneuerungs- und Reifenreparaturmaterialien zum umfassenden Anbieter für die Runderneuerungsbranche zu werden. Was Vipal allerdings nicht anbietet, obwohl es dazu entsprechende Überlegungen gibt, sind die für den Runderneuerer notwendigen Maschinen und Anlagen.
Borrachas Vipal versteht sich zwar nicht als Systemanbieter im eigentlichen Sinne, auch wenn man in Südamerika eine exklusives Netzwerk – das so genannte „Authorized Network“ – mit 300 unabhängigen Runderneuerern betreibt. Dennoch seien entsprechende Systeme, wie sie etwa von Bandag und anderen – etwa Galgo in Lateinamerika – angeboten werden, durchaus nützlich. Eine Verbindung zwischen einem Systemanbieter und einem Systempartner könne Verlässlichkeit und Treue zwischen Runderneuerern und Flottenkunden schaffen, Preise und Qualitäten blieben identisch und somit kalkulierbar. Die Direktorin für das internationale Geschäft sieht für den europäischen Markt zwar auch die Materiallieferanten – wie in diesem Fall eben auch Vipal – deutlich im Aufwind, und das zu Lasten der etablierten Anbieter, darunter auch Bandag. Es sei aber viel zu früh, über Systemanbieter zu richten. Gerade was das durch sie geschaffene Qualitätsbewusstsein und die von ihnen angebotenen Dienstleistungen betrifft, die sich eben allesamt auch im Preis pro Kilogramm wiederfinden (müssen), so schaffen solche Anbieter mit ihren Systemen immer auch Bindungen, die in der Beziehung zwischen einem jederzeit austauschbaren Materiallieferanten und einem unabhängigen Runderneuerer seltener der Fall ist.
„Wir wollen auf dem Markt ankommen„ – so lautet also das Primärziel von Borrachas Vipal für den Eintritt in den europäischen Markt. Dann aber, so die Ambitionen des brasilianischen Marktführers, könne es nur eine Richtung geben, in die sich das Unternehmen in Europa weiterentwickelt, und die zeigt nach vorn. „Ich stimme Ihnen zu: Unsere Unternehmungen in Europa sind immer noch klein, nicht aber unser Unternehmen insgesamt. Wir haben dieselbe, wenn nicht sogar eine bessere Agilität, um neue Produkte zu entwickeln, und die notwendige finanzielle Unterstützung.“
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