Aimé Chatard – Der Mann der „1001 Ideen“
Sein Name steht für Erfolg: Aimé Chatard ist seit 38 Jahren für die Michelin-Gruppe tätig und feierte auf fast jeder Ebene großartige Siege – vom Motorradsport über die 24 Stunden von Le Mans bis hin zur Rallye-Weltmeisterschaft. Der Franzose begann als Motorrad-Testfahrer und leitete zuletzt das überaus erfolgreiche Rallye-Programm von BFGoodrich. Am 1. Januar 2007 geht das Multitalent in den Ruhestand, seine Position als Verantwortlicher des Rallye-Programms bei BFGoodrich nimmt Matthieu Bonardel ein.
Eine bewegte Highspeed-Karriere
Wir schreiben das Jahr 1968: Der leidenschaftliche Motorradfahrer Aimé Chatard hatte gerade sein Studium zum Elektrotechniker beendet und heuerte bei der Michelin-Gruppe als Testfahrer für Zweiräder an – der Beginn einer außergewöhnlichen Karriere. Der junge Franzose arbeitete zunächst in seinen erlernten Beruf in verschiedenen Produktionsstätten in Frankreich, Spanien und Kanada.
1977 schloss sich Chatard der Motorsportabteilung innerhalb der Michelin-Gruppe an. Zunächst vertrat er den französischen Reifenhersteller als Techniker in der Motorrad-Weltmeisterschaft und wurde später zum Direktor der Motorrad-Wettbewerbsabteilung befördert, die sich in Motorrad-Grands Prix, Endurance, Enduro, bei Trials und in vielen weiteren Disziplinen engagierte. Zu Beginn der 90er Jahre vollzog der Franzose den Wechsel von zwei auf vier Räder.
Chatard zeichnete für das Langstreckenprogramm der Marke mit dem Bibendum verantwortlich – und setzte sowohl seine persönliche Erfolgsgeschichte als auch die seines Arbeitgebers fort. An der Seite von Peugeot gewann Michelin die legendären 24 Stunden von Le Mans 1992 und 1993. Der Gruppe-C-Bolide Peugeot 905 siegte beim Klassiker zunächst in den Händen von Yannick Dalmas, Mark Blundell und Derek Warwick. Im Jahr darauf wiederholten Eric Helary, Geoff Brabham und Christophe Bouchut im Nachfolgermodell diesen Triumph. 1993 standen sogar drei Sportwagen des französischen Automobilherstellers auf dem Treppchen.
Michelin-Partner Peugeot hatte im Langstreckensport alles bewiesen und zog sich von Sportwagenrennen zurück. Auch Chatard suchte eine neue Herausforderung und fand diese im Rallyesport. Noch im Jahr 1993 stieß der Alleskönner zum Rallyeprogramm des französischen Reifenherstellers und feierte mit Juha Kankkunen und Toyota auf Anhieb beide Weltmeistertitel.
Nach Kankkunen belegten auch seine finnischen Landsleute Tommi Mäkinen (1996-1999) und Marcus Grönholm (2000, 2002) mit Michelin in der Endabrechnung Rang eins. Viermal holten Franzosen den WM-Pokal in das Land des Hauptsitzes der Pneuspezialisten: Didier Auriol gewann den Titel 1994, Sébastien Loeb gelang dieses Kunststück 2004, 2005 und 2006.
Neben fünf verschiedenen Fahrern erreichten auch fünf unterschiedliche Marken an der Seite der Michelin-Gruppe das höchste Ziel des Rallyesport: Auf die japanischen Marken Toyota (1993, 1994, 1999) sowie Mitsubishi (1998) folgte die Dominanz der Franzosen. Nach drei Titeln von Peugeot (2000 bis 2002) zog Citroën in Sachen WM-Titel (2003-2005) im vergangenen Jahr gleich. Diese Saison sicherte sich Ford die erste Meisterschaft seit 1979 und ihrem Partner BFGoodrich den Titel gleich im ersten Jahr in der Rallye-WM.
Mehr als 13 Jahre lang betreute der Franzose die Geschicke von Michelin sowie später BFGoodrich in der Rallye-Weltmeisterschaft und kann gemeinsam mit dem Pneuhersteller auf eine äußerst erfolgreiche Zeit zurückblicken. Während der „Chatard-Ära“ rüstete das Unternehmen aus Clermont-Ferrand elf Fahrer- und ebenso viele Markenweltmeister aus. Seit 1994 jubelten die Spezialisten aus dem französischen Zentralmassiv zudem über 118 Siege bei 172 Läufen – das entspricht einer Erfolgsquote von mehr als 68 Prozent.
Trotz seines arbeitsintensiven Berufs legt sich Chatard in seiner Freizeit keineswegs auf die faule Haut: Der Franzose hält sich – ähnlich wie einen Wettbewerbspneu – durch viel Bewegung auf Betriebstemperatur. Doch wie würde sein perfekter Tag aussehen? Früh morgens würde sich Chatard auf ein Snowmobil schwingen und durch verschneite Wälder cruisen. Danach stünde ein Meeting mit Technikern auf dem Programm, in dem der Reifenexperte innerhalb einer Minute 1001 neue Ideen aus dem Ärmel zaubert. Danach würde sich der gelernte Pilot in einer Cessna die Vulkane der Auvergne-Region rund um Clermont-Ferrand aus der Luft anschauen, um am Nachmittag in einem weiteren Meeting für Kommunikation und Marketing mit Kollegen zu diskutieren. Nach einer kurzen Ausfahrt auf einem Jet-Ski wäre eine Präsentation von BFGoodrich-Rallyereifen an der Reihe – dabei macht es keinen Unterschied, ob er die speziellen Fähigkeiten der Meisterwerke Profis oder Anfängern erklärt. Den gelungenen Tag würde ein kühles Bier an der Bar abrunden, wo sich der Allrounder mit Freunden und Kollegen austauscht.
„Auch wenn dir das hohe Entwicklungstempo dabei hilft, jung und dynamisch zu bleiben, kommt der Moment, in dem du das Kapitel zuschlagen und deine Aufgabe an eine frische Kraft weitergeben musst“, erklärt Chatard die Beweggründe seines Rücktritts. Diesen Moment sieht der Franzose jetzt gekommen. Nach der erfolgreichen Motorsport-Saison von BFGoodrich – die amerikanische Marke gewann unter anderem beide Titel in der Rallye-WM, den Marathon-Weltcup und die „Dakar“ – zieht der „Mann der 1001 Ideen“ einen Schlussstrich und geht zum 1. Januar 2007 in den Ruhestand.
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