Günter F. Unterhauser – Rückzug ins Private
Nach 16 Jahren im Dienst des nunmehr weltgrößten Reifenherstellers verabschiedet sich Günter F. Unterhauser (66), Senior Vice President Marketing and Sales der Bridgestone Europa, in den Ruhestand. Aber nur vorläufig bzw. nur teilweise. Denn er bleibt als Berater des Europa-Chefs Urano noch ein Jahr an Bord. Wie es heißt nur etwa zwei Wochen monatlich.
Vor zwei Jahren war er offiziell nach Brüssel gewechselt und hatte Verantwortung für Verkauf und Marketing in Europa für den europäischen Teilkonzern übernommen. Bis dahin war er gut anderthalb Jahrzehnte Geschäftsführer der Bridgestone GmbH Deutschland gewesen und hatte als solcher zusätzlich bereits viele Jahre einen Sitz im Vorstand der europäischen Gesellschaft. Bridgestone beschäftigt derzeit etwa 9.000 Menschen in Europa (105.000 weltweit), betreibt sechs Reifenfabriken, ein Technical Center und diverse Verkaufsgesellschaften in einer Vielzahl europäischer Länder. Mit Riesenschritten eilt das Unternehmen in Europa auf einen Umsatz von drei Milliarden Euro zu.
1990 kam Unterhauser von der Firma Tenneco, die in Nordamerika und Europa unter den Markennamen Pit-Stop und Speedy Fast-Fit-Betriebe betrieb, zur Bridgestone nach Hamburg, nachdem er in den drei Jahren davor die Speedy/Pit-Stop-Kette auf 90 Outlets in Deutschland ausgebaut hatte.
1990 war er dann von kanadischen Freunden an Bridgestone empfohlen worden. Der 1940 in München geborene Manager war in den frühen 50er Jahren nach den Wirren des Krieges mit Mutter und Schwester nach Kanada ausgewandert und bekam seinen kanadischen Pass bereits 1958. Unterhauser diente beim Militär als Fallschirmjäger und er ist bis heute ziemlich stolz darauf, durch eine harte und ihn für sein ganzes Leben prägende Phase gegangen zu sein.
Seine Aufgabe in Deutschland sollte darin bestehen, für den Reifenhersteller eine Reifenhandelskette aufzubauen, die der damalige Geschäftsführer Freitag bereits aus der Taufe gehoben hatte. Doch daraus konnte nichts werden. Unterhauser stellte nach wochenlanger Analyse fest, dass die Läden zu teuer gekauft waren und in dieser Form wenig bis keine Aussicht auf Erfolg bestand, diese zu einem Erfolg führen zu können.
Doch das war nicht die einzig sich zeigende Baustelle für den Bridgestone-Konzern in Deutschland. Die deutsche Vertriebsgesellschaft wollte sich für die Zukunft rüsten und hatte unter dem Namen Dyna Store ein riesiges Warenlager in Hamburg gebaut, das vollautomatisch laufen sollte, aber dessen Probleme einfach nicht zu lösen waren. Das kostete erst Geschäftsführer Freitag und kurz darauf weitere drei promovierte Geschäftsführer der noch relativ kleinen Vertriebsgesellschaft den Job. Günter Unterhauser sollte es nun richten. Doch Dyna Store war nicht zu retten. Im Zuge der Zusammenlegung von Bridgestone und Firestone wurde die Deutschlandzentrale 1995 nach Bad Homburg verlegt und das Hamburger Lager fand einen neuen Käufer.
In der Rückschau lassen sich Unterhausers Erfolge sehen: Von 700.000 verkauften Reifen (1990) gelang bis 2005 eine Verzehnfachung auf sieben Millionen; davon entfielen zwei Millionen auf die zugekaufte Firestone. Wie effizient alles ablief, zeigt sich an der Mitarbeiterentwicklung, die von 150 Leuten (1990) auf gerade mal 250 Menschen anstieg, die für einen Umsatz allein im Ersatzgeschäft von zuletzt 650 Millionen Euro unter Unterhausers Führung sorgten. Bis auf das Umzugsjahr 1995, in dem alle möglichen zusätzlichen Abschreibungen und die SAP-Einführung fielen, gelang es ihm immer, der Zentrale einen Gewinn melden zu können.
Günter Unterhauser hat von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht wenig gefordert. Wer mithalten konnte und wollte, war bestens aufgehoben, wer nicht wollte, tat gut daran, von sich aus für einen Ortswechsel zu sorgen. Wettbewerber sagen ihm oder Bridgestone nach, relativ aggressiv zu sein. Mag stimmen, wenn man dabei aber Erfolge erzielt und Gewinne erwirtschaftet, ist dagegen nichts zu sagen.
Freunde und Weggefährten, die ihn beschreiben sollen, sind sich ziemlich einig: Man wusste bei ihm stets, woran man war. Im Guten, allerdings auch dann, wenn es weniger gut lief. Günter Unterhauser hat für sich nie in Anspruch genommen, der große Theoretiker zu sein. Im Gegenteil, jedwedes längeres Gerede langweilte ihn ziemlich schnell. Er hatte immer ein Ziel, wollte immer etwas bewegen, zu einem Abschluss kommen. Am nächsten kommt man ihm wohl bei der Klassifizierung von kurz-, mittel- und langfristigem Denken. Für den um Erfolge ringenden Verkäufer ist kurzfristig bis zum ersten Frühstück, mittelfristig bis zum Mittag und langfristig bis zum Abendessen. Alles andere sind Entschuldigungen für Misserfolge. Windelweiche Erklärungen akzeptierte er genauso wenig wie faule Kompromisse.
Günter Unterhauser hat sich enorm im Job weiter entwickelt. So ungeduldig er mit Mitarbeitern, sofern nötig, sein konnte, so geduldig war er, wenn nötig, im Umgang mit Kunden. Er legte Wert auf sparsamen Umgang mit Ressourcen, vor allem finanziellen Ressourcen, dann aber war er doch bereit, zu offiziellen Events seine Kunden, von denen und mit denen er lebte, auch zu verwöhnen. Gemeinsam mit seiner Frau Pierrette war er ein hervorragender Gastgeber.
Wie wohl kaum ein anderer Manager hat er den Formel-1-Sport mit unübertrefflicher Konsequenz zur Vertiefung der Geschäftsbeziehung genutzt. Mit Dutzenden bedeutender Reifenhändler und zum Teil auch mit deren Großkunden wurden die Sorgen des Alltagslebens an den Rennstrecken dieser Welt in Europa und auch in Übersee für kurze Zeit vergessen und danach stand dann doch wieder das Geschäft, meist besser als je zuvor, im Vordergrund.
Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass der Mann mit dem Schnauzbart der Mann war, der der Firma Bridgestone in Deutschland ein Gesicht gab.
Sehr geholfen hat ihm seine große Handelserfahrung. Er spürte, wenn ein Händler unter Druck geraten war, wenn dieser Hilfe brauchte und Hilfe verdiente. Aber er realisierte auch so schnell wie kaum ein anderer, wenn Händler ihm etwas vormachen wollten. Mit leichter Ironie ließ er sich dann zu Aussagen dergestalt verleiten, die Herren würden demnächst noch selbst merken, bereits „pleite“ zu sein.
Günter Unterhausers Leben ist stark geprägt durch Tempo. Trödeln ist seine Sache nicht und Träume darf man sich nur hin und wieder und nur sehr kurz erlauben. Ein Fallschirmspringer weiß zu gut, dass die Reißleine zu einem spätesten Zeitpunkt gezogen werden muss. Danach kommt nun nicht einmal mehr ein böses Erwachen.
Wer so voll „im Saft“ geblieben ist, kann schwerlich von jetzt auf gleich ein Ende finden. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, was unter der neuen Bezeichnung „adviser to the CEO“ zu verstehen sein wird. Mit Sicherheit wird er europaweit noch ein Wörtchen bei der weiteren Entwicklung der Handelskette First Stop mitreden, die über Franchisepartner und über eigene Läden spürbar wachsen soll. Da ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die in absehbarer Zeit kaum gestoppt werden wird.
Und die Bandag-Akquisition? Wird er darin auch noch weiter involviert sein? Zu früh, um dies schon jetzt sagen zu können!
Allerdings ist es unter diesen Umständen auch noch viel zu früh, um einem Mann wie Günter F. Unterhauser bereits jetzt bye-bye zu sagen.
Die Aufgaben des Senior Vice President hat Europa-CEO Urano an sich gezogen, so war es auch schon unter Urano-Vorgänger Arakawa.
Richtig ist wohl, dass Günter Unterhauser vom kommenden Jahr an mehr Freizeit genießen kann als bisher. Den kanadischen Pass hat und hält er auch wie seine Wohnsitze Bad Homburg und Toronto sowie den Familientreffpunkt in Fort Lauderdale.
Günter Unterhauser ist – noch – kein Mann für den Ruhestand. Er ist viel zu unruhig, viel zu schnell, viel zu fit, um sich in Ruhe zurücklehnen und den guten alten Zeiten nachhängen zu können. Der Mann hat noch was vor!
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