Produktion in Osteuropa für deutsche Zulieferer wichtig
Die deutschen Automobilzulieferer sehen Deutschland als international konkurrenzfähigen Standort für die Automobilindustrie an. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young ergeben, bei der 180 deutsche Automobilzulieferer befragt wurden. Dabei zeigten sich 75 Prozent der Befragten überzeugt, dass Deutschlands Attraktivität im internationalen Vergleich hoch ist, und nur vier Prozent bewerten sie als gering. Nichtsdestotrotz übt die Region Osteuropa nach wie vor eine hohe Anziehungskraft auf so manches Unternehmen aus, und auch mit Produktionsstätten in Asien liebäugeln nicht wenige Zulieferer – vor allem wegen der dort niedrigeren Lohnkosten.
Nicht zuletzt deshalb werde der Druck auf den Standort Deutschland in den kommenden Jahren weiter anhalten, so ein weiteres Resultat der Umfrage. Demzufolge wird erwartet, dass neue Produktionsstätten zukünftig in erster Linie in China, Indien und Osteuropa aufgebaut werden und auch der Kostendruck nicht nachlässt. Osteuropa sehen die deutschen Zulieferer laut der Studie derzeit klar als den attraktivsten Standort weltweit: 91 Prozent der Unternehmen, die an der Befragung teilgenommen haben, sehen die osteuropäischen Länder als besonders attraktive Produktionsstandorte für die Automobilindustrie. An zweiter Stelle folgt China, während immerhin noch 58 Prozent Westeuropa für derzeit besonders attraktiv halten. Innerhalb Westeuropas nimmt Deutschland aus Sicht der Unternehmen eine besondere Stellung ein – 72 Prozent bezeichnen den Standort Deutschland als aktuell besonders attraktiv.
Die Mehrheit der deutschen Zulieferer (63 Prozent) ist mit eigenen Produktionsstätten im Ausland vertreten. Osteuropa ist die Region, in der deutsche Zulieferer am stärksten präsent sind: 47 Prozent aller Zulieferer produzieren in einem oder mehreren osteuropäischen Ländern. In Westeuropa sind 28 Prozent und in Asien 17 Prozent der Unternehmen mit eigenen Produktionsstätten vertreten. „Wachstum ist sowohl für Hersteller als auch für Zulieferer kaum in den gesättigten Märkten Westeuropas, Japans oder der USA zu erwarten, sondern vor allem in den sich dynamisch entwickelnden Märkten Chinas, Indiens und Osteuropas: Bis 2010 wird die Fahrzeugproduktion in China um 34 Prozent, in Indien um 77 Prozent und in Osteuropa um 23 Prozent wachsen. In Deutschland ist ein Wachstum von nur vier Prozent zu erwarten“, heißt es in der Studie.
Osteuropa bleibe mittelfristig der wichtigste ausländische Produktionsstandort der deutschen Zuliefererbranche, so das Beratungsunternehmen. Begründet wird dies unter anderem auch damit, dass 22 Prozent aller befragten Zulieferer Investitionen in Osteuropa planen, während dies bezogen auf Asien nur 15 Prozent vorhaben. Dabei stünden China und Indien in der Gunst der Unternehmen ganz oben: Den Auf- oder Ausbau einer Produktion in China oder Indien planen den Angaben zufolge acht bzw. sieben Prozent der Unternehmen. „Der Internationalisierungsdruck wird weiter anhalten, denn ein Zulieferer, der im Geschäft bleiben möchte, muss seinem Kunden folgen. Da die Automobilhersteller neue Produktionsstätten insbesondere in den Wachstumsmärkten wie China und Indien errichten, werden die deutschen Zulieferer vor allem in diesen Regionen neu investieren“, so Peter Fuß, Leiter des Bereichs Automotive bei Ernst & Young.
Trotz der geplanten Auslandsinvestitionen wollen laut den Umfrageergebnissen aber drei Viertel der Unternehmen ihre Produktion am Standort Deutschland in den kommenden Jahren mindestens konstant halten – 22 Prozent planen sogar eine Ausweitung der Fertigung in Deutschland. Andererseits gehen 24 Prozent davon aus, dass sie die Produktion in Deutschland zurückfahren werden. „Für den Automobilstandort Deutschland geht es darum, das derzeitige sehr hohe Niveau bei Produktion und Beschäftigung zu halten. Neuinvestitionen in Deutschland wird es nur in geringem Umfang geben“, sagt Fuß, wobei Deutschland insbesondere hinsichtlich solcher Kriterien wie Qualität von Forschung und Entwicklung punkten könne. Schließlich bezeichneten 92 Prozent diesen speziellen Punkt als wesentlichsten Vorteil des Standorts Deutschland, als weitere wurden die Qualifikation der Mitarbeiter (84 Prozent) und die Infrastruktur in Deutschland (80 Prozent) genannt.
„Nachdem jahrelang vor allem die hohen Kosten in Deutschland gesehen wurden, geraten nun verstärkt die Vorteile des Standorts Deutschland ins Blickfeld der Unternehmen, insbesondere die gute Infrastruktur und die gute Ausbildung der Mitarbeiter“, stellt Fuß angesichts dessen fest, weiß gleichzeitig jedoch von den Faktoren zu berichten, die als Standortnachteile Deutschlands gesehen werden. Als der mit Abstand bedeutendste Nachteil aus Sicht der Unternehmen wurden die hohen Arbeitskosten genannt – Lohnnebenkosten und Lohnkosten (Löhne & Gehälter) sind nach Meinung von 93 Prozent bzw. 66 Prozent der Unternehmen besonders gravierende Standortnachteile. „Bei den Arbeitskosten wird Deutschland auf absehbare Zeit nicht mit Osteuropa konkurrieren können – Deutschland wird nie ein Low-Cost-Standort sein. Aber Deutschland kann das ‚Powerhouse’ der Automobilindustrie bleiben, indem neue Technologien vorangetrieben werden und die heimischen Unternehmen in puncto Qualität und Innovation führend bleiben“, ist Fuß überzeugt.
Um die Bedeutung Deutschlands als attraktiver Automobilstandort langfristig zu sichern, müsste insbesondere die Qualität von Bildung und Ausbildung weiter gesteigert werden, so Fuß. Nur dann könne die Innovationskraft, welche die wichtigste Säule eines Premiumstandorts darstelle, erhalten bleiben. „Deutschland ist ein Premiumstandort. Dank der Innovationskraft der hier angesiedelten Unternehmen ist der Standort Deutschland nach wie vor absolut wettbewerbsfähig. Aber diese Innovationskraft ist nicht in Stein gemeißelt. Sie steht und fällt mit der Ausbildung und Motivation der Menschen“, ergänzt er. Inzwischen arbeite jeder neunte Beschäftigte der Automobilindustrie im Bereich Forschung und Entwicklung. Mehr als 16 Milliarden Euro jährlich wendet die deutsche Automobilindustrie seinen Worten zufolge für Forschung und Entwicklung auf, und mehr als 3.600 Patente pro Jahr mache sie zum Patentweltmeister.
Relativ wenige Unternehmen (23 Prozent) sehen darüber hinaus in einer mangelnden Flexibilität des Faktors Arbeit ein Problem des Standorts Deutschland. „Tatsächlich hat sich am Standort Deutschland in den vergangenen Jahren gerade im Bereich der Flexibilisierung des Faktors Arbeit – Flexibilisierung bei den Arbeitsprozessen, Arbeitszeiten und Entgelten – sehr viel getan“, sagt Fuß. Bei fast allen Herstellern sowie bei sehr vielen Zulieferern seien erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um in diesen Bereichen zu modernen und innovativen Lösungen zu kommen. Ein solches Plus an Flexibilität könne den bestehenden Lohnkostennachteil des Standorts Deutschland durchaus bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, ist Fuß überzeugt. „Der Trend zu mehr Flexibilität in der Fertigung wie auch bei den Arbeitszeiten und den Entgelten wird in den kommenden Jahren noch an Bedeutung zunehmen“, fügt er dem hinzu.
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