Klare Strukturen geschaffen
„Es war eine Menge Arbeit“, blickt Rupert Kohaupt (51), bei der Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH (Hanau) für den Bereich Lkw-Reifen zuständig, zurück. Im Verlaufe dieses Jahres aber habe man sukzessive die angestrebten Strukturen geschaffen, wozu in erster Linie ja gehört, die richtigen Leute an den richtigen Plätzen zu positionieren. Mittlerweile ist das Bild vollständig, die Strukturen sind transparent und in sich logisch.
Was ja nicht immer unbedingt zu erwarten wäre, wenn man verschiedene Marken unter ein gemeinsames Dach bringt. Denn allzu oft müssen bei der Implementierung einer Mehrmarkenstrategie in den Köpfen Einzelner, die sich zuvor mit hohem Engagement nur einer, nämlich „ihrer“ Marke gewidmet haben, historisch gewachsene Besonderheiten und individuelle Eigenarten – die ja durchaus auch im Sinne eines Unternehmens positiv sein können – berücksichtigt werden. Dass das nicht immer einfach war und auch schon mal ein gehöriges Stück Überzeugungsarbeit gekostet hat, räumt auch Kohaupt ein. Aber nur so geht es: Jeder Einzelne muss überzeugt werden: Der vormalige „Fulda-Mann“ muss bereit sein, sich auf Goodyear einzulassen; der langjährige Kämpfer für die Marke Dunlop darf Fulda nicht mehr als Wettbewerber, sondern sinnvolle Alternative begreifen; und der vom Goodyear-Spirit beseelte Außendienstmitarbeiter hat zu realisieren, dass es nicht von Nach-, sondern von Vorteil sein kann, auch eine im deutschen Lkw-Reifenmarkt prima verankerte Marke Dunlop in seinem Portfolio zu haben. Und wenn es denn partout um den Preis gehen sollte, können alle drei auch noch auf die vierte Marke Sava verweisen. Dass all dies von den Kritikern des Mehrmarkenansatzes als „Bauchladen“ diffamiert wird, damit kann Rupert Kohaupt gut umgehen, schließlich ist er von der Struktur überzeugt.
Zumal es ja weniger eine Mehrmarkenstrategie eines Industrieunternehmens beim Vermarkter ist, also eines Reifenherstellers beim Reifenhandel: Die Goodyear-Dunlop-Lkw-Mannschaft, die Kohaupt geschaffen und weitgehend aus den vormaligen Außendiensten der Marken Goodyear, Dunlop und Fulda rekrutiert hat, ist sehr stark verbraucherorientiert und unterscheidet sich schon dadurch von Mehrmarkenstrategien anderer Unternehmen. Rupert Kohaupt überspitzt, um das Prinzip zu verdeutlichen: „Die Kunden meiner Mannschaft sind die Verbraucher, die Spediteure; die Kunden von Goodyear, Dunlop und Fulda sind die Reifenhändler.“
Diese Reifenfachhändler erreichen aufgrund ihrer lokalen Präsenz die etwa 50 Prozent des Marktes, die für einen Hersteller unerreichbar sind. Kleinere Handwerksbetriebe, Trucker mit ein, zwei Lkw, die überwiegend im Auftrage großer Logistikkonzerne auf Europas Straßen unterwegs sind, sind für Goodyear Dunlop, aber auch die maßgeblichen Wettbewerber kaum zu erschließen. „Wir brauchen den Reifenfachhandel, und wir sind uns dessen bewusst“, sagt Kohaupt. Ansonsten würde man etwa die Hälfte des Marktes ausblenden. Der Reifenhandel ist vor Ort und an den Fahrzeugen dran, die von der Industrie direkt gar nicht betreut werden können. Alle in Frage kommenden Nutzfahrzeuge des deutschen Marktes direkt erreichen zu wollen, wäre personell bzw. betriebswirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar.
Rupert Kohaupt führt die Mannschaft, die aktuell aus mehr als 60 Mitarbeitern besteht, die allesamt selbstredend bestens geschult sind, richtige Lkw-Reifenspezialisten eben, wie er selbst einer ist. Er hat alle Stufen durchlaufen, die man in diesem Metier durchlaufen kann. Er hat Lkw-Reifen entwickelt, er hat Lkw-Reifen verkauft, und er hat auch schon auf europäischer Ebene in Brüssel für den Konzern strategische Verantwortung getragen – und freut sich, als „Group Manager Sales & Marketing Truck Tires Germany“ wieder im Alltagsgeschäft angekommen zu sein. „Wenn in der Zeit, in der ich in Brüssel war, etwas zu kurz kam, dann der direkte Kontakt zum Kunden“, sagt er und gibt die Botschaft auch an sein Team weiter. „Der wichtigste Tag ist der Samstag“, wenn mehr Lkw als unter der Woche auf den Höfen stehen, „dann müssen wir bei den Verbrauchern vor Ort sein, ihnen zuhören und ihnen das verkaufen, was wir anzubieten haben, unser Know-how! Ich will, dass unsere Mannschaft in gewisser Weise in den Fuhrparks lebt.“ Es gilt, Bedarf zu ermitteln, vielleicht auch Nachfrage zu schaffen.
Das Kohaupt-Team „verkauft“ – selbstverständlich, spielt der Chef mit der Begrifflichkeit – nicht die Reifen, sondern „verkauft“ gewissermaßen Expertise, es wirkt „nur“ als Unterstützer für den jeweiligen lokalen Reifenhändler, ob aus der nahestehenden GDHS-Organisation, einer der sonstigen Kooperationen im Markt oder aus dem Kreis der „Stand-alone“-Reifenhändler. Peinlichst wird darauf geachtet, gar nicht erst in den Verdacht einer Direktbelieferung am Handel vorbei zu kommen. Wenn einer der Kohaupt-Mitarbeiter bei einem Spediteur auf dem Hof ist, dann hat dieser immer auch irgendwie die Bedürfnisse des lokalen Reifenhändlers im Kopf, idealerweise ist sogar der Kollege aus dem entsprechenden Betrieb mit vor Ort. Kohaupt: „Ohne den Fachhandel wären wir nichts.“ Und auf konkrete Nachfrage räumt er auch ein: „Die Händler der GDHS-Vertriebskonzepte sind unser Rückgrat“, aber benachteiligt werden soll schließlich keiner. Und er ist im Zweifelsfalle auch bereit zu akzeptieren, wenn ein Reifenhändler sagt, seine Mannen mögen sich bei dem Kunden Spediteur – bitte schön – rar machen, wenn es dafür gute Gründe geben sollte.
Die gut fünf Dutzend Mannen des in 2005/2006 aufgebauten Teams unterstützen die derzeit etwa 350 deutschen Truck-Force-Händler. Diese wiederum sind Teil eines – in der heutigen Zeit erforderlichen – paneuropäischen Netzes. Dieses Netzwerk wird immer enger geknüpft und besteht aktuell aus ca. 1.450 im Lkw-Reifengeschäft bestens verankerten Händlern in 32 Ländern.
So etwa bei zehn bis 20 Fahrzeugen pro Verbraucher – womit auch schon mal ein größerer Handwerksbetrieb gemeint sein kann – beginnt das Einsatzspektrum der „Goodyear Dunlop Germany“-Lkw-Reifenexperten und reicht hin bis zu Flotten mit drei-, ja europaweit gar vierstelligen Fahrzeugvolumina, wobei (siehe Kastentext) der Bereich der „großen Großkunden“ einen Sonderstatus hat und dem Verkaufsleiter Key Account Klaus Delatron anvertraut ist.
Gerade an dem Beispiel des Anfang des Jahres gewonnenen Großkunden GE/TIP kann Rupert Kohaupt den Wandel im Lkw-Reifengeschäft verdeutlichen, denn für die Bedürfnisse solch einer professionellen Megaflotte reichen die Konzepte der Vergangenheit bei den Reifenherstellern längst nicht mehr aus und Kohaupt windet sich ein wenig zu sagen, dass dort auch der Reifenfachhandel an seinen Grenzen ankommen könnte: „Ich möchte nämlich nicht, dass mir unterstellt wird, ich würde dem Handel das nicht zutrauen. Aber fest steht: Das Geschäft mit Lkw-Reifen wird immer komplizierter, verlangt nach immer mehr Know-how, Technikwissen, betriebswirtschaftlicher Kompetenz, für jede Achsposition muss im Sinne des Endverbrauchers optimal beraten werden.“ Seine Prognose für die Zukunft des Lkw-Geschäftes ist denn auch differenzierter: „Ich glaube, dass es in wenigen Jahren weniger Vermarkter von Lkw-Reifen geben wird als heute, aber die, die das Geschäft betreiben, werden hochqualifiziert sein und einen sehr professionellen Service anbieten.“ Qualität schlägt Quantität, und Vermarktungsqualität ist beim Produkt Lkw-Reifen nun einmal von noch größerer Bedeutung als beim Produkt Pkw-Reifen.
Ausscheiden wird auch so mancher treue Vermarkter von Reifen der Marken Goodyear, Dunlop oder Fulda aus dem Lkw-Business. Das mag einem persönlich leid tun, aber in Zukunft gilt: „Ein bisschen Lkw nebenbei“ geht nicht, sondern „ganz oder gar nicht“ wird die Alternative lauten. Und wer im Lkw-Geschäft dabei bleiben will, der muss bereit sein zu investieren, der muss höchst professionell agieren und Kundennutzen vor persönliche (Marken-)Sympathien stellen. Rundum Goodyear-Neureifen mag beispielsweise kurzfristig ein schöner Erfolg sein, aber vielleicht ist der Kunde mit Runderneuerten auf dem Trailer betriebswirtschaftlich besser bedient und dankt es irgendwann mit Zufriedenheit.
Beim Stichwort „Runderneuerung“ kann Rupert Kohaupt ein leichtes Stöhnen nicht unterdrücken. „Darum haben wir uns in der Vergangenheit viel zu wenig gekümmert, da sind wir inzwischen zwar schon besser geworden, aber mit einem immer noch einstelligen Marktanteil im deutschen Ersatzmarkt für Lkw- und Bus-Reifen, in dem die Goodyear-Dunlop-Gruppe mit einem Neureifenanteil von zwischen 25 (in der deutschen Erstausrüstung, d. Red.) und 30 Prozent (im deutschen Ersatzmarkt, d. Red.) immerhin Marktführer ist, noch völlig unterrepräsentiert.“ Man habe sich recht gut der ersten 250.000 Kilometer Laufleistung angenommen, aber die restlichen 750.000 Kilometer, die die Karkasse zu leisten imstande ist, vernachlässigt, erklärt der erfahrene „Lkw-Mann“ selbstkritisch.
Ein starkes Angebot,
ein starkes Team
Es reicht längst nicht mehr aus, nur gute Produkte im Sinne von Neureifen zu haben, obwohl die Entwicklungsdynamik, die vom F+E-Zentrum Colmar-Berg in Luxemburg ausgeht, natürlich gut tut. „Nicht mehr wir laufen dem Wettbewerb hinterher“, erzählt ein verdienter Konzern-Fahrensmann auf Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG, „sondern die anderen schielen voller Neid auf manche innovative Größe und manchen höchst leistungsfähigen Reifentyp, von dem wir vor einigen Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt haben.“
Wer im Lkw-Reifengeschäft heutiger Tage wettbewerbsfähig sein will, der benötigt über qualitativ untadelige Neureifen hinaus flankierend auch ebenso wettbewerbsfähige Runderneuerte und ausgereifte Produkte im Sinne zahlreicher Services rund um den Reifen, für den sind „Kilometerkosten“ alltägliche Parameter, der hat Mobile Fitting perfektioniert. Next Tread, Truck Force, FleetOnlineSolutions, ServiceLine24 sind solche Bausteine, solche Leistungspakete, die Goodyear Dunlop unter dem Begriff „Fleet First“ zusammengefasst hat und firmenübergreifend als „Fleet Management“ verstanden werden, die permanent optimiert werden müssen und mit denen man sich im Wettbewerb, dem Rupert Kohaupt durchaus respektvoll Anerkennung zollt, messen muss. Wobei jedes der genannten Module zwar sehr wertvoll ist, aber jeder Händler, der mit Goodyear Dunlop zusammenarbeitet, hat die Freiheit, auch auf den einen oder anderen Baustein zu verzichten. Es ist halt ein „Angebot“ an den Handel, bei dem die Verpflichtung für das Industrieunternehmen besteht, es so umfassend wie irgendmöglich zu gestalten.
„Wir haben quantitativ die zweitstärkste Mannschaft draußen im Markt“, wo man qualitativ stehe, das entscheide letztendlich der Markt. Dass das von ihm geführte Team über jede Menge Erfahrung verfügt, wird bei Nennung so manchen Namens belegt: Verkaufsleiter Replacement für den Norden der Republik ist Hans-Burkhard Brandt, für den Süden Bernd Maier, die führen wiederum je drei regionale Verkaufsleiter, die für jeweils etwa zehn Außendienstmitarbeiter verantwortlich sind. „Ohne klare Hierarchiestufen geht es nicht“, sagt Kohaupt. Transparenz ist aber auch gefragt bei der Belohnung für erfolgreiche Arbeit in Form von Boni und Aufstiegschancen. Wer allerdings bei ihm punkten will, weil er beispielsweise einen Verbraucher von Fulda zur (im Allgemeinen teureren) Marke Goodyear „herübergezogen“ habe, der müsse sich auf ein sehr ernsthaftes Gespräch einstellen, hätte er doch die Philosophie des Marktführers im deutschen Lkw-Reifenersatzgeschäft nicht verstanden.
Die markenübergreifende Struktur der „Truck Tires Germany“ erscheint sinnvoll, statt drei, gibt es nur noch einen Ansprechpartner. Konsequenzen: Die Betreuungsgebiete werden kleiner, die Taktzeiten zwischen den Besuchen können verkürzt werden, die Präsenz im Markt wird stärker, die Mannschaft arbeitet aktiver und effektiver. Im Interesse aller im Konzern: Wenn alle Räder so greifen, wie Kohaupt sich das vorstellt, dann können die Logistik, die Erstausrüstung, ja selbst die Produktionssteuerung in den Fabriken vom optimierten Informationsfluss profitieren.
Gewiss: Der Anteil der Marke Goodyear – unter denen der von der Kohaupt-Mannschaft vertriebenen ohnehin schon am stärksten – soll im Markt weiter wachsen, aber eben nicht zu Lasten von Dunlop oder Fulda, sondern zu Lasten der Marken, mit denen sich Kohaupt auf Augenhöhe sieht – und damit kann er dann nur Bridgestone, Continental und Michelin meinen. Große Lkw-Reifen der Marken Goodyear, Dunlop, Fulda und Sava stammen aus den hochmodernen Lkw-Reifenfabriken des Konzerns in Europa, überwiegend aus Colmar-Berg (Luxemburg) und dem deutschen Wittlich, in geringeren Volumina auch aus Debica (Polen) und der Türkei. Eine eher marginale Ausnahme gibt es: Manches Mal ordert ein Reifenhändler einen Container mit Lkw-Reifen der Marke Falken, die kommen dann aus dem fernen Japan.
Goodyear ist die Premiummarke, anerkannt von vielen Erstausrüstungskunden, aber auch im Ersatzgeschäft. Doch das – so Kohaupt, der seine berufliche Karriere ja in Hanau begann – gilt doch gleichermaßen auch für Dunlop. Und selbst Fulda, preislich ein wenig unter den anderen beiden positioniert, hat doch gerade bei Trailern und vor allem im Bereich 17,5 Zoll solch eine starke Verankerung im Markt (im Ersatzgeschäft wie auch in der Erstausrüstung), dass es töricht wäre, diese zu gefährden. Gerade die Marke Fulda hat eine durchaus wichtige Funktion, soll sie doch – neben ihrer Aufgabe, Zweitmarken anderer Konzerne Paroli zu bieten – auch als Schutzwall gegen angreifende Importmarken dienen. Und Sava? Die Marke aus Slowenien – mit einer Schlüsselstellung bei der Produktion in Kranj im Goodyear-Dunlop-Konzern bei 17,5-Zoll-Reifen – ist gewissermaßen ein Anerkennen der Realitäten des Marktes, die Sava-Produktpalette ist vollständig und kommt dann ins Spiel, wenn der Verbraucher unter Wirtschaftlichkeit einen noch günstigeren Preis versteht. Was einem Mann wie Rupert Kohaupt, der Technik und Verkauf gleichermaßen verkörpert, gegen den Strich geht: „Da haben wir es nicht geschafft, einen Kunden davon zu überzeugen, geschweige denn zu beweisen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis mit einer Goodyear-, Dunlop- oder Fulda-Bereifung viel besser gewesen wäre.“ Der Reifenhändler vor Ort hat dann vielleicht eine zweite Chance: Und wenn der es dann doch noch schafft, den Verbraucher zu überzeugen, dann wäre Kohaupt gewiss nicht unglücklich.
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