H.-J. Schmidt übergibt an Tor Dahle
Nach 44 Jahren im Dienst der Continental AG übergab Heinz-Jürgen Schmidt den Stab jetzt auch offiziell an Tor Dahle. Heinz-Jürgen Schmidt (63) hat binnen 44 Jahren eine bemerkenswerte Karriere bei der Continental AG gemacht, die ihn als Europadirektor für das Pkw-Reifengeschäft bis ins Top-Management katapultierte.
Nach dem Abitur startete Schmidt bei der Conti, um schon bald danach seinen Wehrdienst abzuleisten. Weil die Finanzen beim Bundesgrenzschutz besser waren, verpflichtete er sich dort für die nächsten anderthalb Jahre, war gar zehn Monate Beamter oder doch zumindest in einem beamtenähnlichen Status, um schließlich wieder und dann endgültig die Tätigkeit für den Reifenhersteller aus Hannover aufzunehmen. Auf ein Studium legte er keinen Wert mehr, weil er sich mit 23/24 Jahren zu alt fühlte und stattdessen nun endlich Geld verdienen wollte.
Rückwirkend betrachtet könnte man Schmidt die Absolvierung einer gern so beschriebenen “Ochsentour” bescheinigen. Der “klassische Weg” sah so aus, dass man nach allgemeiner Ausbildung erst mal Stationen im Außendienst zu absolvieren hatte in diversen Niederlassungen, denn bereits damals war es so günstig wie heute, Kunden zu sehen, sich zu merken wie solche “ticken”, was sie wollen und was man ihnen wirklich zu bieten hat.
1967 folgte der erste Auslandsaufenthalt in Frankreich, dem Land, das ihn dann nicht mehr loslassen wollte. Continental hatte 1964 im französischen Lothringen in Sarreguemines (Saargemünd) eine Reifenfabrik gebaut, die sich trotz niedriger Löhne schnell wegen nicht ausreichender Größe als Sorgenkind entpuppte. “Einschnitte” waren erforderlich und so lernt man auch als junger Manager, dass solche Maßnahmen für die Betroffenen schwierig und schmerzhaft sind. Allerdings konnten zu dieser Zeit viele französische Arbeiter noch neue Jobs im nahen Deutschland finden.
Aus tiefster Provinz schaffte Schmidt es dann 1969 nach Paris. Zwar waren die Räumlichkeiten äußerst bescheiden, doch alles bewegte sich noch auf niedrigem und bescheidenem Niveau. Bei Continental in Paris lernte er seine Frau kennen, die alsbald gezwungen war, so harsch waren die Sitten, sich mit Bosch einen neuen Arbeitgeber zu suchen.
Und 1973 dann wieder zurück nach Saargemünd, beruflich aber ein wichtiger Schritt voran. Als kaufmännischer Werksleiter hatte er um den Turnaround einer Fabrik zu ringen, die zu wenig Produktion und zu hohe Fixkosten hatte. 30 Prozent der Leute mussten “abgebaut” werden, was in Schmidts Erinnerung bis heute als “äußerst unschön” haften geblieben ist. Doch alsbald wurde aus dem einstigen Sorgenkind so etwas wie ein Vorzeigewerk, selbstverständlich auch begünstigt durch einige externe Faktoren.
Als “eine wunderschöne Zeit und für unsere damaligen Verhältnisse sehr erfolgreiche Zeit zudem” gelten für ihn die Jahre von 1976 bis 1983, die er als Verkaufsdirektor in Paris tätig war. Im Zuge der Zusammenlegung mit Uniroyal führte Schmidt das multi brand Management für einige Länder außerhalb Deutschlands ein und landete nach einer Zwischenstation in Aachen 1996 schließlich wieder in Hannover.
Den großen Karrieresprung verdankt H.J. Schmidt der Neuausrichtung des Konzerns durch Einführung der Divisionalisierung. Die dem “Fabrikenmann” und Vorstandsmitglied Dr. Röker übertragene Verantwortung für das Nutzfahrzeugreifengeschäft musste bewältigt werden und H.J. Schmidt galt als der ideale Manager für diesen Posten. Damit war er das erste Mal als Europadirektor ziemlich weit oben angekommen. Der nächste Schritt erfolgte 1995, nachdem Konzernchef Hubertus von Grünberg nach einem Revirement im Vorstand die Führung der Pkw-Reifendivision übernahm und einen erfahrenen Vertreter an seiner Seite brauchte.
Schmidt übernahm die Verantwortung für das gesamte europäische Ersatzgeschäft dieser Division. Und Schmidts Bereich ist sodann im Laufe der Jahre Schritt für Schritt ausgedehnt worden, den Bereich Conti International gibt es nicht mehr, er ist integriert und inzwischen hat die Mannschaft um Schmidt das Sagen auch in Lateinamerika, Asien und China. Lediglich das Nafta-Gebiet steht nach wie vor unter anderer Verantwortung.
Rückwirkend -so ungefähr sieht es auch H.J. Schmidt selbst, hat er von einer neuen Unternehmensausrichtung profitiert. Unter Horst W. Urban habe die klassische Controller-Philosophie geherrscht, während Urban-Nachfolger weit stärker auf Unternehmertum in Verbindung mit starkem Controlling gesetzt habe. Damit einher ging die durch von Grünberg eingeleitete Divisionalisierung in Pkw- und Nutzfahrzeugreifen. Da von Grünberg teure Fabriken schloss und andere in Niedriglohnländern auf- und ausbaute, erwies sich diese Division recht bald als außerordentlich erfolgreich und hat ihren gegenüber den Konkurrenten inzwischen kleiner werdenden Vorsprung behaupten können; ein Grund dafür, dass Schmidts Pkw-Bereich nach wie vor als die Cash Cow des Konzerns angesehen werden kann.
Über größere Enttäuschungen und größere Erfolge wollte er, und das gilt es zu respektieren, nur im kleinen und vertraulichen Rahmen reden. So hinterlässt Heinz-Jürgen Schmidt ein -wie es so schön heißt – geordnetes Haus und hat sich inzwischen verabschiedet, wendet sich anderen Dingen zu und verzichtet sehr bewusst darauf, jetzt noch als Berater in irgendeiner Form weiterzumachen. Lebensinhalte hat er genug. Und er hat genug geleistet für den einen und einzigen Arbeitgeber seines Lebens.
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