Kritik am Meisterzwang für den Reifenservice
Zum 1. Januar 2004 ist die Novelle des Handwerksrechts in Kraft getreten, mit der die Meisterpflicht in 53 von 94 Handwerksberufen abgeschafft wurde. Geblieben ist der „Meisterzwang“ für die so bezeichneten „gefahrgeneigten“ Handwerksberufe. Dazu zählt unter anderem der Beruf des Mechanikers für Reifen- und Vulkanisationstechnik, was laut einem Bericht in der Tageszeitung Die Welt auch durch ein vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten festgestellt worden sei. Dies bedeutet, dass beispielsweise Tankstellen oder Reifenhändler, die keinen entsprechenden Meisterbrief vorweisen können, Reifen nicht mehr montieren dürfen. Dem Blatt zufolge ist nun Kritik an diesem Sachverhalt laut geworden.
„Nach groben Schätzungen wären damit circa 10.000 Betrieben eine wichtige Einnahmequelle entzogen“, zitiert die Zeitung die erst kürzlich geübte Kritik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) an dem Meisterzwang für die Reifenmontage. Das anhaltende Tankstellensterben dürfte sich damit beschleunigen, befürchtet das Blatt. Zum 1. Juli dieses Jahres habe es nur noch 15.111 Stationen gegeben – 213 weniger als vor einem Jahr. Dies habe auch die Politik auf den Plan gerufen, heißt es weiter in der Meldung. „Diese Rechtsauffassung könnte für viele kleine Betriebe existenzgefährdend sein“, kommt FDP-Partei und -Fraktionsvize Rainer Brüderle zu Wort. Kein Mensch habe dafür Verständnis, wenn jetzt nur noch wenige Meister in Deutschland Reifen wechseln dürften. Schließlich habe fast jeder Autofahrer schon einmal selbst einen Reifen gewechselt. „Im Sinne der Verbraucher und vieler Betriebe kann man die Ordnungsämter nur auffordern, dieses merkwürdige Gutachten zu ignorieren“, meint Brüderle.
Das vom bayerischen Wirtschaftsministerium erstellte Gutachten komme hingegen zu dem Schluss, Reifenmontage sei „keine einfache Tätigkeit“, sondern müsse Meistern vorbehalten werden. Angesichts der Auswirkungen unsachgemäßer Ausführung auf die Fahrsicherheit des Kraftfahrzeuges und damit auf entstehende Risiken für Leben und Gesundheit des Fahrers, der Insassen und einer Vielzahl von anderen Verkehrsteilnehmern sei die Montage von Reifen eine in hohem Maße „gefahrgeneigte Tätigkeit“. Eine Auffassung, die Brüderle offensichtlich nicht teilt. „Solche abwegigen Auslegungen der Handwerksordnung schaden auch dem Handwerk selbst“, ist er laut der Tageszeitung überzeugt. Bayerische Spitzenbeamte seien offensichtlich beruflich nicht ausgelastet – anders sei das Zustandekommen dieses Gutachtens nicht zu erklären.
Nichtsdestotrotz müssen nach BRV-Informationen Unternehmen, die einen Reifenservice mitsamt Montage und allem was dazugehört anbieten wollen, seit dem 1. Januar 2004 eigentlich einen Meister beschäftigen. Die Einschränkung „eigentlich“ rührt daher, dass der Gesetzgeber einerseits für Betriebe, die vor dem 1. Januar 2004 bereits existiert haben, eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2007 vorgesehen hat. Andererseits gelten spezielle Ausnahmeregelungen. Die notwendige Eintragung in die Handwerksrolle kann nämlich auch dann erfolgen, wenn aufgrund des Alters (ab 47 Jahre) und bei Nachweis der Kenntnisse sowie langjähriger Tätigkeit (20 Jahre) im Reifenservice für den Inhaber oder beschäftigten Betriebsleiter eine Ausnahmebewilligung wegen Unzumutbarkeit der Meisterprüfung vorliegt oder ein Mitarbeiter/Betriebsleiter über die so genannte „Altgesellenregelung“ einen Antrag auf Ausübungsberechtigung bei der Handwerkskammer gestellt und bewilligt bekommen hat.
Eine Ausbildung im Vulkaniseur-/Reifenmechanikerhandwerk dürfen solche Betriebe allerdings nicht anbieten. Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter/Betriebsleiter über einen Ingenieur-, Techniker- oder Industriemeisterabschluss verfügt und aufgrund dessen als Betriebsleiter Anspruch auf die Eintragung in die Handwerksrolle besitzt, was im Falle eines Falles von der zuständigen Handwerkskammer entschieden wird. Wenn diese Möglichkeiten nicht vorhanden sind, muss ein entsprechend ausgebildeter neuer Betriebsleiter eingestellt werden – dies betrifft auch Filialbetriebe.
„Unter Berücksichtigung aller einschlägigen Gesetze – des Gewebe-, Zivil- und Unfallversicherungsrechtes – ist daraus eine permanente Präsenz des Meisters in der Werkstatt (Filiale) so jedoch nicht abzuleiten“, machte BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler schon im Rahmen des Stahlgruber Round Table Reifentechnik vor einem Jahr deutlich. Zumindest dann nicht, wenn abgesichert sei, dass „gefährliche Arbeiten“ tatsächlich nur vom Meister abgenommen werden und er „durch zumindest teilweise – aber regelmäßige – Anwesenheit Einfluss auf den Betriebsablauf nimmt, den ihm obliegenden Überwachungs- und Anleitungsaufgaben nachkommt und er bei Abwesenheit zumindest immer telefonisch erreichbar“ sei.
Unter diesen Umständen sei auch die Betreuung von zum Beispiel zwei Filialen in unmittelbarer Nähe (bis zu ca. zehn Kilometer Entfernung) durch einen Meister vorstellbar. Allerdings müsse dies dann aber durch „moderne Arbeitszeit- und -ortmodelle und entsprechende Ablauforganisationen“ dokumentiert und vertraglich vereinbart sein und letztlich auch so nachweisbar eingehalten werden. Die eleganteste Lösung ist dabei natürlich zweifelsohne der Meistertitel im Vulkaniseur-/Reifenmechanikerhandwerk oder in einem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk (fahrzeugtechnischem Gewerk). Allerdings berechtigt der Meisterbrief in einem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk (fahrzeugtechnischem Gewerk) nicht zur Ausbildung im Vulkaniseur-/Reifenmechanikerhandwerk – hierzu wäre eine spezielle Ausübungsberechtigung nötig, während die ein Vulkaniseur-/Reifenmechanikermeister natürlich nicht extra benötigt.
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