Michelin drängt es ins Tuning-Universum
Dass ein Unternehmen wie Michelin Schlagworte wie „Innovation“ oder „Technologieführerschaft“ im eigenen Zusammenhang betont, ist eigentlich nicht notwendig. Dennoch ist man in Clermont-Ferrand derzeit der Meinung, sich künftig mehr um den Absatzkanal Tuner kümmern zu müssen. Im Rahmen eines so genannten Tuning Day stellte der Reifenhersteller namhaften deutschen und Schweizer Autoveredlern gerade diese Kernkompetenzen vor und präsentierte sich als kompetenter Partner einer stetig wachsenden Branche. Folglich gibt es seit 1. Mai in Karlsruhe für den hiesigen Markt einen eigenen Key Account „Tuner“, dessen Aufgabe – abseits der eh schon vorhandenen Produkte – es sein wird, „eine breite Marktpräsenz im Tuningbereich“ aufzubauen.
Bis vor sechs Jahren hatte Michelin den Key Account Tuner wenigstens technisch betreut, erläutert der neue Key Account Manager Markus Hassa, der bisher für den Absatzkanal Autohaus tätig war. Dies habe man in Karlsruhe am Sitz der deutschen Tochtergesellschaft des französischen Konzerns dann aber zurückgeschraubt, so Hassa weiter, und muss demnach die Abteilung gemeinsam mit Jean-Paul Dietenbeck (Technik) und einem weiteren Back-Office-Kollegen neu aufbauen. Das Potenzial des Tuningmarktes in Deutschland, aber auch in der Schweiz und Österreich (wird bei Michelin gemeinsam mit Deutschland betreut), stelle sich heute anders als vor sechs Jahren dar. So haben deutsche Automobiltuner im vergangenen Jahr insgesamt einen Umsatz von 4,5 Milliarden Euro erzielt. Dass es sich also beim Tuninggeschäft um einen ernst zu nehmenden Markt handelt, liegt auf der Hand. „Dies ist kein Massenmarkt, aber auch keine Nische mehr.“ Michelin will nun seinen Anteil an diesem Markt mit seinen HP- und UHP-Reifen reklamieren.
„Wir sind neu aufgestellt und wollen uns als Partner für die Zukunft vorstellen“, erklärt Markus Hassa den Hintergrund des Tuning Day auf dem Michelin-Testgelände im französischen Ladoux in der Nähe von Clermont-Ferrand, der Zentrale des Reifenkonzerns. Gefolgt waren der Einladung namhafte Größen der Tunerbranche wie etwa AC Schnitzer, TechArt, Gemballa oder Sportec aus der Schweiz. Im Gespräch zeigten sich Michelin-Vertreter durchaus überzeugt, dass der Reifenhersteller produktseitig keine nennenswerten Lücken im Portfolio hat, was Michelin eventuell einen Zugang zu diesem Markt verwehren könnte. Mit Produkten wie etwa dem Michelin Pilot Sport Cup, der auf dem Porsche GT3 exklusiv in der Erstausrüstung verbaut wird, oder den Reifen der Marke BF Goodrich sei man gut aufgestellt. Dies sehen auch die Endverbraucher so, meint der Key Account Manager, der seit zehn Jahren im Konzern ist. Auch der Bekanntheitsgrad der Marke Michelin ist wenigstens europaweit führend, wenn nicht sogar weltweit. Und auf Erfolge im Motorsport wie in der Formel 1, bei Langstreckenrennen, der Rallye-Weltmeisterschaft oder der Moto GP müsse man gar nicht erst hinwesen, um auf die technologische Kompetenz der eigenen F&E-Zentren wie der in Clermont-Ferrand bzw. Ladoux hinzuweisen.
Der Schwachpunkt wurde jetzt im Vertrieb dieser Produkte über den Absatzkanal Tuner entdeckt. Es handelt sich bei dieser Aufgabe also nicht um eine Produkt- sondern um eine Vermarktungsinitiative. Man wolle eine breitere Präsenz in den Marktsegmenten Leistungstuning und optisches Tuning erreichen und biete dafür Produkte der Marken Michelin und BF Goodrich – zugeordnet zu diesen beiden Marktsegmenten in derselben Reihenfolge. Ein Teil dieser Initiative werde auch dazu führen, dass Michelin bzw. BF Goodrich künftig auf der Tuning World Bodensee ausstellen und sich als Partner der Tuningbranche präsentieren werde.
Daneben gebe es aber noch weitere Baustellen, wie etwa das deutsche Fernsehen mit all seinen Tuningsendungen. Während man also in der Vergangenheit das Thema Tuning von der technischen Seite angegangen war, wendet man sich nun auch der aktiven Vermarktung der vorhandenen Produkte über den Absatzkanal Tuner zu. Der 37-jährige Key Accounter werde seinen Kunden „eine Gesamtlösung anbieten, die über Technik hinaus geht“, so Markus Hassa im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Dazu zählten also mehr als Produkte und Preise. Hassa nennt hier etwa Marketinghilfen, andere Dienstleistungen oder Tests auf dem Michelin-eigenen Testgelände in Ladoux in der Nähe von Clermont-Ferrand.
In dem Technologiezentrum im Herzen der französischen Region Auvergne ist nicht nur die Forschung & Entwicklung des Konzerns für den europäischen Markt mit ihren 3.200 Mitarbeitern untergebracht(weltweit 6.600), sondern auch 20 verschiedene Teststrecken, auf denen umfassende Reifen- und Fahrzeugtests stattfinden können. Seit zwei Jahren verfolgt man im Michelin-Konzern im Übrigen eine neue Politik der Öffentlichkeitsarbeit und lässt seither auch Zulieferer und Kunden – also auch Tuner – in Ladoux auf das Testgelände. Dies galt früher als undenkbar. Heute bietet Michelin Tunern das umfangreiche Know-how bei der Lösung von Problemstellungen in der Abstimmung Reifen-Fahrwerk-Fahrzeug an. Fast alles, das zum Bereich „Vehicle Performance“ gehört, könne von den Ingenieuren und Testern in Ladoux offeriert werden.
Für Markus Hassa bietet die Einrichtung in der Nähe der französischen Konzernzentrale die Gelegenheit, den zum Tuning Day angereisten deutschen und Schweizer Tunern die komplette Leistungsfähigkeit der Einrichtung sowie sich selbst und seine Key-Account-Abteilung vorzustellen. Auch wolle man künftig weitere Tuner zu ähnlichen Veranstaltungen einladen. „Der Tuner und der Endverbraucher soll über unseren Namen fallen“, umschreibt Hassa die Zielrichtung im Tuningmarkt. „Es soll etwas zu reden geben“, so der Key Account Manager über die eigenen Ansprüche in punkto Öffentlichkeitsarbeit. Während Medien, Kunden wie auch Endverbraucher bisher kaum das Wortpaar „Michelin – Tuning“ bilden konnten oder wollten, soll sich dies künftig ändern. Es gebe einige Maßnahmen, die demnächst umgesetzt werden sollen, verspricht er weiter. Man habe zwar nicht den Anspruch überall zu sein. Ein Konzept, wie Michelin in die Tiefen des Tuning-Universums verdringen kann, werde nun in den Details erstellt und dann umgesetzt.
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