Goodyear-Standort wieder voll am Netz
Der Schock im Goodyear-Dunlop-Konzern nach dem Feuer im Werk Philippsburg am 10. März 2004 hat das Unternehmen nicht lange gelähmt. Bereits wenige Tage später lief die Produktion in dem Pkw-Reifenwerk schon wieder. Heute – nachdem rund 50 Millionen Euro investiert wurden – steht die Fabrik mit einer Kapazität von 6,3 Millionen wieder voll zur Verfügung. Daneben fungiert der Standort als das Logistik- und Distributionszentrum der Goodyear-Dunlop-Gruppe in der Mitte Europas. Im Rahmen einer umfassenden Informationsveranstaltung hat die Geschäftsleitung der deutschen Holdinggesellschaft des Konzerns Einblicke in die Leistungsfähigkeit des Standortes gegeben und noch einmal „ein Bekenntnis für den Standort“ abgegeben.
Gerd Grünenwald, Vorsitzender der Geschäftsführung der Goodyear Dunlop Tires Germany, stellte seine Rede aus Anlass der Informationsveranstaltung unter das Motto „Kooperative Wertschöpfung als erfolgreiches Modell zur Standortsicherung“, und fand damit nicht nur im anwesenden Innenminister Baden-Württembergs Heribert Rech einen aufmerksamen Zuhörer. Nicht nur nach einem Feuer wie vor zwei Jahren, bei dem weite Teile der Anlage zerstört wurden, steht die Frage nach der Zukunft eines Standortes wie Philippsburg im Raum. Dies sei in Zeiten, in denen „viele Unternehmen unserem Standort den Rücken kehren und massiver Arbeitsplatzabbau und Verlagerung von Produktionskapazität ins kostengünstige Ausland an der Tagesordnung sind“ ein „durchaus nicht selbstverständlicher Schritt. Bei den in Deutschland und somit in Philippsburg nachgefragten und produzierten Produkte handele es sich um „technologisch komplexe Premiumprodukte, „die wir in dieser Form im Ausland nicht ohne Weiteres produzieren können“. Investitionen in optimale Wertschöpfungsstrukturen, so Gerd Grünenwald weiter, könnten „zweifellos vorhandene Standortnachteile“ wie etwa die „extrem hohen Lohnkosten“ durchaus kompensieren und erlaube es dem Konzern, auch in Deutschland „im internationalen Vergleich zu wettbewerbsfähigen Konditionen zu produzieren“. Außerdem profitiere der Reifenhersteller von exzellent ausgebildeten Mitarbeitern, einer hervorragenden Infrastruktur sowie der „sehr guten Unterstützung seitens der Stadt und der Region“.
Täglich verlassen rund 200 Lkw die Ladestationen des Logistikzentrums der Goodyear-Dunlop-Gruppe in Philippsburg. Philippsburg ist die europäische Drehscheibe für den Lang- und Kurzstrecken-Transport von Pkw-Reifen und Rädern des Goodyear-Dunlop-Konzerns und gehört mit einer Lagerkapazität von rund 2,5 Millionen Reifen und einem jährlichen Warenausgang von 30 Millionen Reifen weltweit zu den größten Logistik- und Distributionszentren der Branche. Insgesamt werden von hier aus Warenströme in über 120 Länder der Erde koordiniert. Bedarfsermittlung, Warenbeschaffung, Produktion, Lagerung, Transport und Zahlungsverkehr werden hier aufeinander abgestimmt und koordiniert. Alle Prozesse greifen ineinander. Die Lieferung in das westeuropäische Ausland erfolgt in der Regel innerhalb von 24 Stunden.
In den letzten Jahren wurde Philippsburg weiter modernisiert und zu einem Zentrum rund um wichtige produktbezogene Dienstleistungen des Konzerns ausgebaut, so etwa zu einem zentralen Kundendienstzentrum im Pkw-Segment. Über dies werden jährlich weit über zwei Millionen Kundenanfragen beantwortet. Das Aufgabengebiet der Mitarbeiter reicht dabei von der Auskunft zur Produktverfügbarkeit über die Auftragsannahme und -bestätigung bis hin zur Beantwortung technischer Fragen. Vor kurzem wurde in Philippsburg zudem ein zentrales Reklamationsmanagementsystem installiert, mit dem die Verbesserung der Bearbeitungsdauer von Beanstandungen in einer Größenordnung von 30 Prozent möglich wurde.
Daneben wurde ein neues Vendor-Management-Inventory-Projekt ins Leben gerufen. Als erster Reifenhersteller in Deutschland bietet Goodyear Dunlop seinen Fachhandelskunden damit ein integriertes Vendor-Management-Inventory-Konzept (VMI) an. Dieses VMI-Konzept beinhaltet ein gemeinschaftlich mit den Kunden geplantes Bestandsmanagement sowie eine kundenorientierte automatische Nachschubsteuerung. Damit kann die Verfügbarkeit der vom Handelspartner gewünschten Waren im Hinblick auf Zeit- und Mengenplanung exakt auf dessen Bedürfnisse angepasst werden. Fachhändler profitieren durch das neue System von erheblichen Kostenvorteilen.
Investitionen in technische Infrastruktur
Goodyear Dunlop hat in den vergangenen Jahren rund 50 Millionen Euro in den Ausbau des Logistikstandortes Philippsburg investiert. Ein wichtiger aktueller Investitionsschwerpunkt war dabei der weitere Ausbau der technischen Infrastruktur. Seit Anfang des Jahres verfügt der Konzern über eine hoch leistungsfähige Systemlösung, die eine vollständige Integration der taktisch-planerischen und operativen Logistikprozesse ermögliche. „Supply Chain Management ist wie ein Schweizer Uhrwerk, da muss ein Rad ins andere greifen“, so Jürgen Herb, Supply Chain Manager bei Goodyear Dunlop. „Für unsere komplexen Logistikprozesse haben wir daher ein leistungsfähiges und flexibles System im Einsatz, mit dem wir unser komplettes Transportmanagement rund um die Uhr vollautomatisch steuern können.“ Die Kundenaufträge werden nun in einem Transportplanungssystem gesammelt, optimiert und dann zur Kommissionierung an ein Lagerlogistik-System weitergeleitet. Alle dort getroffenen Entscheidungen werden dann automatisch an das Transportplanungssystem zurückgegeben: Entschließt sich ein Disponent, Ware von einem Lkw auf den anderen umzuladen, erhält das Planungssystem umgehend eine Rückmeldung über die zusätzlich verfügbare Ladekapazität. Dadurch ist es möglich, eine Vielzahl von Prozessen straffer zu organisieren. Im Ergebnis werde dadurch eine deutlich schnellere Kommissionierung sowie eine sichtbare Verringerung der Fracht- und Transportkosten erreicht.
Fachhändler profitierten durch das neue VMI-System von erheblichen Vorteilen. Nach Abschluss einer insgesamt zweijährigen Pilotphase, an der zunächst ca. 60 Händler der dem Goodyear-Dunlop-Konzern angeschlossenen GDHS-Gruppe beteiligt waren, konnten die teilnehmenden Partner ihre durchschnittlichen Verkäufe um rund 25 Prozent steigern und gleichzeitig ihre Lagerbestände um rund 50 Prozent senken. Teure Lagerhaltungskosten reduzierten sich so deutlich, so der Hersteller. Heute greife bereits ein Drittel der GDHS-Partner auf das Konzept der automatischen Nachschubsteuerung zurück. Aufgrund der positiven Erfahrungen plant Goodyear Dunlop nun den landesweiten Roll-out: Bis zum Jahresende sollen rund 300 Fachhandelsbetriebe angeschlossen sein.
„Mit VMI konnten wir gleich mehrere Probleme mit einem Schlag lösen“, so Bernhard Blümle, Mitglied der Geschäftsführung und Direktor Logistik & Supply Chain, anlässlich der Informationsveranstaltung in Philippsburg. „Planung und Disposition sind jetzt zwischen Industrie und Handel viel besser verzahnt. Zudem haben wir mit Blick auf die POS-Daten, Lagerhaltung, Bedarfsplanung und Kostenstrukturen deutlich an Planungssicherheit gewonnen. Wir verfügen nun über eine noch klarer definierte Prozesskette, was das Zusammenspiel der tatsächlichen Bedarfssituation und optimalen Bestellmengen angeht und konnten zusätzliche Sicherheitsbestände weiter abbauen.“ Der Handel selbst profitiere gleich dreifach von VMI: Hohe Planungssicherheit, die Reduzierung der Bestandhaltungs- und Kapitalkosten sowie die effiziente Auftragsabwicklung haben dem VMI-Konzept viele Verbündete beschert.
Das VMI-Konzept beruht auf einem einfachen Prinzip: Goodyear Dunlop verschafft sich täglich einen Überblick über das Bestandsniveau des Fachhandelspartners, indem selbstständig die dazu nötigen Informationen abgefragt werden. Mithilfe dieser Daten plant die Goodyear-Dunlop-Logistik dann den Zeitpunkt des optimalen Liefertermins sowie die optimale Auffüllmenge. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler sei dabei unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg.
Mit Investitionen von rund 100 Millionen Euro in Logistik und Produktion hat die Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH in den vergangenen Jahren ihr Engagement in Philippsburg ausgeweitet. Der Reifenhersteller betreibt am badischen Standort eines von insgesamt sechs deutschen Werken (inkl. Wittlich, Hanau, Fulda, Riesa und Fürstenwalde) sowie ein großes Logistik- und Distributionszentrum, das die Drehscheibe für den Lang- und Kurzstreckentransport von Reifen und Rädern der Goodyear-Dunlop-Gruppe in Europa ist. Der Konzern beschäftigt in Philippsburg rund 1.100 Mitarbeiter (Produktion und Logistik) und gehört damit zu den maßgeblichen Arbeitgebern der Region. Das Philippsburger Werk wurde vor zwei Jahren bei einem Brand schwer beschädigt und ist mittlerweile wieder zu voller Produktionskapazität ausgebaut worden. Die Fabrik verfügt heute über modernste Produktionstechnologie und fertigt überwiegend Hochleistungsreifen für Pkw, Transporter sowie für leichte Lkw. Die Produktionskapazität liegt bei einer Tagesmenge von durchschnittlich 18.000 Reifen; es wird an 350 Tagen im Jahr im Dreischichtbetrieb gefertigt.
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