Im Schatten des Hoffmann-Abgangs
Konsequenz und Langlebigkeit sind die herausragenden Merkmale aller Marketingbemühungen für und um die Reifenmarke Fulda. So fand im März dieses Jahres das jährliche Händlertreffen bereits zum 23. Mal statt, und seit nicht weniger als 20 Jahren gilt für Fulda das Motto „Schwarz. Breit. Stark.“ Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dieser erfolgreiche und eingängige Slogan in den nächsten 20 Jahren abgelöst werden könnte; es sei denn, die verantwortlichen Markenmanager fänden einen noch besseren zur Marke passenden Slogan. Das aber dürfte so einfach nicht werden.
Erstmalig fand die Veranstaltung am Sitz der Marke in Fulda statt, weil ein großer Hotelbau nunmehr Veranstaltungen dieser Art und Größe erlaubt. Der Ablauf der Veranstaltung war keine Überraschung, das Programm ebenso wenig. Wie immer schon zuvor, so ließen auch dieses Mal die Verantwortlichen das Vorjahr noch einmal Revue passieren und gaben anschließend ihren Ausblick für das laufende Jahr.
Hatte bisher Fulda-Geschäftsführer Bernd J. Hoffmann den ersten Part übernommen, so war es dieses Mal Aufgabe von Michael Kuhn, seit Anfang 2006 als Hoffmann-Nachfolger Chef der Reifenmarke Fulda, die Partner über den Verlauf des Vorjahres im Schnelldurchgang zu informieren und darauf einzustimmen, was im laufenden Jahr denn zu erwarten sei. Dass der scharfe Wettbewerbsdruck nachlassen könnte, daran glaubt kein Marktteilnehmer. Die in letzter Zeit ständig steigenden Rohstoffkosten belasten das Ergebnis und solche Kosten müssen „weitergereicht“ werden, also: Preiserhöhungen. Kuhn geht von einem stabilen, aber leicht rückläufigen Sommerreifenmarkt aus und hat hohe Erwartungen an die Winterreifensaison 2006/2007. Auch der Lkw-Reifenmarkt sollte, bewahrheitet sich die Prognose, die positiven Erwartungen rechtfertigen. Daraus und aus weiteren Argumenten zog Kuhn den Schluss, dass die Branche sich nicht ins Bockshorn jagen lassen solle, denn gesamtwirtschaftlich gehe es nach langer Zeit endlich wieder aufwärts, der Automobilsektor sehe einer stabilen Zukunft entgegen und der Reifenbranche gehe es sowieso weitaus besser als vielen verwandten oder auch fremden Branchen. Probleme, wo sie denn auftauchten, seien meist „hausgemacht“. Kuhn forderte die anwesenden Fulda-Partner auf, gemeinsam das noch üppig vorhandene Verbesserungspotenzial auch wirklich zu nutzen. Und selbst der im kommenden Jahr anstehenden Mehrwertsteuererhöhung werde es kaum gelingen, das Wachstum im Absatz von Winterreifen bremsen zu können.
Im Gegenteil: Die Branche werde auch in diesem Jahr einen spürbaren weiteren Zugewinn an Stückzahlen erleben, dafür sorgten bereits die indirekte Winterreifenpflicht und der durch den lang anhaltenden Winter ausgelöste Trend für die kommende Saison. Die Verbraucher wollten nach wie vor Auto fahren, aber sie seien sicherheitsbewusster geworden und verlangten zunehmend nach anspruchsvollen Produkten. Damit sieht Kuhn die Marke Fulda mit ihrem nachgewiesen guten Preis-Leistungs-Verhältnis in einer exzellent guten Ausgangsposition. Dabei sieht Fulda sich selbst an der Spitze einer Gruppe mit Uniroyal, Firestone, Kleber und Vredestein, wenn es um Kompetenz geht und die Produkte selbst werden, gemessen an Testergebnissen, als „wettbewerbsfähig“ beschrieben. Besondere Hoffnungen werden auf den Carat Exelero gesetzt. Dabei will Kuhn die Partner mittels innovativer Kommunikationswege unterstützen. Steigerung der Markenbekanntheit und des Markenimages sind dem Absatz genauso dienlich wie die intensivierte Pressearbeit, mit der Verbraucher beispielsweise über die notwendigen Preiserhöhungen in Kenntnis gesetzt würden. Und wie früher schon, so wurde auch dieses Mal wieder die „Preishygiene“ beschrieben, mit der ein Zusammenhang von Leistung und Rabatt beschrieben wird wie ein unkompliziertes, klares und nachvollziehbares Rabattsystem mit minimalem Kontrollaufwand.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, wenn auch noch all die anderen Vorträge von Kuhns Kollegen im Einzelnen beschrieben würden. Denn Marketingleiter Helge Joost sprach selbst von „Informationsfluten“ und einem „Information Overload“. Da ist was dran. Im Bemühen, die Partner rundum bestens zu informieren, dürften schlicht und ergreifend zu viele Informationen vorgetragen worden sein, dürften die Partner, in ihrer Aufnahmebereitschaft auch überfordert worden sein, sodass für Vorstellungen dieser Art dringend gelten sollte: Weniger ist mehr!
So sehr sich die nun im Amt befindlichen Manager auch um „business as usual“ bemühten, so war das beherrschende Thema jedenfalls der Weggang des langjährigen Fulda-Chefs Bernd J. Hoffmann, der es nach 20 Jahren im Dienste der Goodyear vorgezogen hatte, seine Tätigkeit zu beenden, obwohl ihm der Konzern neue Aufgaben im europäischen Bereich zu übertragen bereit war. In einer sehr emotionalen und dennoch sachlichen Rede verabschiedete sich Hoffmann vor und von seinen Fulda-Kunden und ließ trotzdem die Gründe seines Abgangs genauso im Dunkeln wie Angaben über sein zukünftiges Wirken. Da schossen die Spekulationen denn nur so durch den Saal. Doch Hoffmann wird, sofern er den Terminplan einhalten kann, jetzt nicht vor Ende April in die Öffentlichkeit, während es zunächst hieß, gleich Anfang April wolle man die Katze aus dem Sack lassen. Jedenfalls wird Hoffmann, das war seine klare Aussage, nicht bei einem Reifenhersteller seine Karriere fortsetzen, sondern er strebt mit Partnern zu neuen Ufern im Reifenhandelsbereich, sodass er sich mit vielen Reifenhändlern in Kürze wieder treffen wird.
Wo auf klare Kommunikation, aus welchen Gründen auch immer, verzichtet wird, schlagen die Wogen der Spekulation hoch. Hoffmann sei über das Maybach-Projekt gestolpert, das in letzter Konsequenz zu teuer gewesen sei. An diesem Gerücht dürfte nicht viel sein. Andere wiederum behaupten, der Absatz der Reifenmarke Fulda sei bereits im Jahr 2004 eingebrochen, was Hoffmann auf das Auslaufen des Extremo zurückgeführt hat, während der versprochene Exelero noch nicht verfügbar gewesen sei. Das ist nahe an der Wahrheit. Wer unter Verfügbarkeitsproblemen leidet, erleidet Absatzeinbrüche, handelt es sich um große Verfügbarkeitsprobleme, so sind die Auswirkungen katastrophal. Doch auch im folgenden Jahr 2005 habe es die Mannschaft um Hoffmann nicht verstanden, verlorenen Boden aufholen zu können, obwohl es Reifen in ausreichender Zahl gab. Doch auch das kann es nicht gewesen sein. Wer einen Absatzeinbruch erlitten hat, weil er einfach nicht liefern konnte, hat auch für das kommende Jahr noch Kunden verloren, die nicht so einfach wieder für Fulda zu begeistern sind.
Vermutlich sind die Dinge etwas komplexer. Die Geschäftsführer des Goodyear-Dunlop-Konzerns in Fulda, Hanau und Köln sind längst keine Geschäftsführer mehr im klassischen Sinne, sondern sie sind formal Geschäftsführer einer Vertriebsgesellschaft, tatsächlich aber „nur“ noch Verkaufsdirektoren oder Markenverantwortliche. Das will keiner der Herren so lesen und es ist dennoch so. Hoffmann, der von Mitarbeitern als „leidenschaftlicher Liebhaber der Marke Fulda“ bezeichnet wird und den Satz „Marken muss man leben“ wieder und wieder aussprach, könnte vor dem Hintergrund dessen, was der Konzern letztlich will, zu einem Art „Auslaufmodell“ geworden sein. Der Erfolg der Marke Fulda gründete sich nach Hoffmanns Überzeugung darauf, dass die Entscheidungen für die Marke vor Ort getroffen wurden und nicht in Brüssel oder Hanau. Dass der Absatz einbrach, kann man ihm – wenn überhaupt – nur teilweise ankreiden. Dass damit auch gleichzeitig ein Verfall der EBIT-Marge einherging, wundert nicht. Aber auch an diesem Punkt muss erwähnt werden, dass Fulda dennoch weiter sehr profitabel geblieben war und wenigstens in die Nähe einer zweistelligen EBIT-Marge gekommen war. Das ist ja auch so schlecht nicht.
Am nahe liegendsten erscheint diese Variante: Wenn der Konzern seine bisherige Markenpolitik ändern will, und dafür spricht einiges, dann muss er sich fragen, mit welchen Leuten er das tun möchte. Bernd J. Hoffmann war seit Monaten bereits unter Druck und Trommelfeuer geraten und besonders nachteilig dürfte gewesen sein, dass verlorener Boden nicht zurück erkämpft werden konnte. Während Konzernbetrachter dies unter anderem als weiteren notwendigen Schritt zur „Eingliederung“ der Marke Fulda werteten, dachte Hoffmann genau umgekehrt. Als klar ersichtlich war, dass der „leidenschaftliche Liebhaber der Marke“ aus seiner Sicht negative Veränderungen nicht aufhalten konnte, warf er selbst das Handtuch. Damit war das „Fulda-Reich“ geknackt.
Seither wird gefachsimpelt, ob das alles richtig oder falsch sei, intelligent oder dumm. Sinnlos. Die Entscheidungen sind gefallen. Wenn „Bernie“ heute etwas anderes macht und nach 20 Jahren nicht mehr in den Diensten des Goodyear-Konzerns steht, so war es seine ureigene Entscheidung. Einen Art „Königsmörder“ hat es nicht gegeben.
Dennoch kommen und halten sich Spekulationen nicht von ungefähr. Momentan fehlt es an klaren Aussagen, an klaren Richtungsvorgaben bzw. an der Möglichkeit, diese Richtungsvorgaben erkennen zu können. Und das ist nicht ohne Brisanz. Hoffmann war in Fulda jahrelang ein Führer, dem die Leute folgten, der ihnen die Gewissheit gab, etwas Besonderes im Goodyear-Konzern zu sein, was die Menschen wiederum antrieb, bei Bedarf auch so genannte Extrameilen zu marschieren. Hinter vorgehaltener Hand machte sich in Fulda sehr viel Frust und Unsicherheit breit. Nicht wenige scheinen auf dem Sprung zu sein, meistens sind es dann die, die man halten sollte und halten möchte, weil sie befürchten, die Reifenmarke Fulda werde kurzfristig in das Marken-Portfolio der M-Plus-Organisation überführt und damit auf eine Ebene mit Sava, Debica und Pneumant sinken. Ob dies der Fall sein wird, kann außenstehend aber nicht beurteilt werden.
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