PricewaterhouseCoopers-Umfrage unter 120 Zulieferern
Automobilzulieferer rechnen mit wachsenden Chancen, aber auch wachsenden Schwierigkeiten, ergab eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Outsourcing bei den Automobilfirmen und die Wachstumsmärkte in Asien sorgen auf der einen Seite für positive Umsatzerwartungen. Auf der anderen Seite sehen sich die Zulieferer hohem Kostendruck ausgesetzt, der sich in Zukunft kaum verringert.
Die Unternehmen wollen die Herausforderung aktiv angehen: Über 86 Prozent der Befragten wollen neue Absatzregionen erschließen, rund 83 Prozent sehen eine Innovationsoffensive als Schlüssel zum Erfolg. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Innovationen: Erfolgspfad der deutschen Automobilindustrie”. PwC befragte 120 Zulieferer zu Entwicklungen, Tendenzen und Herausforderungen in der Automobilbranche. Die Studie unterstreiche die Bedeutung des richtigen Innovationsmanagements. „Nur die Zulieferer, denen es gelingt, das eigene Produktportfolio kontinuierlich und effizient weiterzuentwickeln, werden die besten Karten für die Zukunft haben“, erklärt Michael Borgmann, Automotive-Experte bei PwC.
Automobilzulieferer werden immer stärker in die Rolle des Innovationsführers gedrängt. Zwar haben jüngst Automobilhersteller Teile der Produktion und Entwicklung wieder in die Konzerne verlagert – zum Teil auf Grund von Überkapazitäten oder um Standortsicherungsverträgen nachzukommen, aber auch um Know-how und Qualität zu sichern. Trotzdem gehen die Automobilzulieferer davon aus, dass der Trend zum Outsourcing anhält. 45,1 Prozent der befragten Unternehmen rechnen damit, künftig noch mehr Entwicklungsarbeit für Hersteller aus dem Volumensegment zu übernehmen. Für den Premiumbereich gehen 34,2 Prozent von einer Steigerung aus. Dort spekulieren die Zulieferer allerdings auf vermehrte Produktionsaufträge (45,1 Prozent). Hintergrund: Viele Premiumhersteller lassen ganze Modellvarianten von Zulieferern bauen. Und die Vielfalt der Fahrzeugsegmente wächst beständig. 62 Prozent der Zulieferer rechnen mit einer weiteren Zunahme der Segmentvielfalt bei den Premiumherstellern, bei den Volumenherstellern sind es 43,2 Prozent.
Die Analysten von PwC AUTOFACTS gehen davon aus, dass deutsche Automobilhersteller noch mehr Aufgaben an Fremdfirmen vergeben müssen: „Der Zwang zur Verringerung der Fertigungstiefe hält an“, sagt Franz Wagner, Mitglied des Vorstands und Leiter des Bereichs Automotive bei PwC. „Deutsche Unternehmen haben eine zu hohe Kostenstruktur und wären bei weiterem Insourcing langfristig nicht wettbewerbsfähig.“ PwC AUTOFACTS rechnet mit einem Wachstum des Zulieferermarkts um 45 Prozent auf 600 Milliarden Euro jährlich, wenn die Wertschöpfung auf Seiten der Zulieferer innerhalb der nächsten zehn Jahre um zehn Prozent steigt und die Produktion der Automobilhersteller um 22 Prozent anzieht.
Wachstumshoffnung Asien
Über 70 Prozent der befragten Unternehmen gehen von einer positiven Entwicklung der weltweiten Automobilindustrie aus. Besonders die asiatischen Märkte werden als viel versprechend eingestuft. Im Vergleich zu 2004 rechnen die Analysten von PwC AUTOFACTS 2012 mit einer Mehrproduktion von rund zehn Millionen Fahrzeugen weltweit. Unterstellt man einen durchschnittlichen Absatzpreis von 12.000 Euro, könnte die Branche 120 Milliarden Euro zusätzlich erzielen.
Rund 90 Prozent der Unternehmen schätzen China als Wachstumstreiber ein. Franz Wagner präzisiert: „Wir erwarten, dass das Fertigungsvolumen in China bis 2012 um über 30 Prozent zunimmt.“ Neue Märkte wie China oder Indien stellen aber auch andere Ansprüche an Automobilzulieferer. Nur wenn die Unternehmen in der Lage sind, Lösungen anzubieten, die zur Produktion kostengünstiger Fahrzeuge beitragen, werden sie auch auf den asiatischen Massenmärkten mitmischen können.
Finanzinvestoren interessieren sich für Zulieferer
Kostenreduzierung ist das zentrale Thema für die Automobilzulieferer, nicht nur wenn es darum geht, auf den asiatischen Märkten Fuß zu fassen. Standen zunächst die Personalkosten auf dem Prüfstand, sind es jetzt die Materialkosten. Der Stahlpreis hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt, der Ölpreis bleibt wegen der hohen Nachfrage aus China voraussichtlich auf hohem Niveau. 65,8 Prozent der Zulieferer gehen davon aus, dass die Materialpreise auch in den kommenden Jahren weiter ansteigen werden.
Die Zulieferer können in den seltensten Fällen die gestiegenen Kosten auch an die Hersteller weiterreichen. Im Gegenteil, die Zulieferer werden eher mit sinkenden Absatzpreisen konfrontiert. Daher wollen 61,7 Prozent versuchen, weniger für Material auszugeben. Das größte Einsparpotenzial wird allerdings beim Personal gesehen: 89 Prozent der Zulieferer sind bestrebt, die Personalkosten zu senken, drei Viertel (75,2 Prozent) erwägen eine Produktion in Billiglohnländern. Die steigenden Produktions- und Entwicklungsaufgaben führen auch zu einem steigenden Finanzierungsbedarf. Basel II-Regelungen lassen befürchten, dass für die Zulieferer künftig zudem die Finanzierungskosten steigen, wenn es ihnen nicht gelingt, den Eigenkapitalanteil zu erhöhen. PwC beobachtet ein steigendes Interesse von Finanzinvestoren an der Zulieferindustrie. Vorteil für die Zulieferer: Der Eigenkapitalanteil steigt. Und, anders als bei strategischen oder industriellen Investoren, Private-Equity-Unternehmen haben nicht notwendigerweise das Interesse, direkten Einfluss auf die operative Unternehmenstätigkeit zu nehmen. Nachteil: Finanzinvestoren sind an kurzfristigen Renditesteigerungen interessiert, da sie gewöhnlich nach fünf bis sechs Jahren aus einem Investment wieder aussteigen.
Innovationen – Wege aus dem Dilemma
Die deutsche Zulieferindustrie vertraut auf ihre Innovationsfähigkeit, um die Zukunft zu sichern. 82,8 Prozent erachten Innovationen als Schlüssel zum Bestehen der derzeitigen Herausforderungen in der Branche. Gleichzeitig müssen sie Innovationen so kostengünstig wie möglich entwickeln. Ein konsequentes Innovationsmanagement ist daher unabdingbar. Einerseits müssen die Innovationsprozesse zielgerichtet ablaufen und die knappen Ressourcen den aussichtsreichsten Projekten zugeordnet werden. Andererseits sollten sich Innovationen stark am Kunden orientieren. Da die Zulieferer durch Outsourcing immer mehr Entwicklungsaufgaben übernehmen, hat sich auch das Kundenbild gewandelt. Waren früher die Herstellervorgaben die Richtschnur, sind es immer häufiger die Endkundenwünsche.
Um die knappen Budgets für Forschung und Entwicklung möglichst effizient einzusetzen, müssen Innovationsprozesse zielgerichtet durchgeführt werden. PwC hebt fünf Lösungspfade hervor, die Automobilzulieferern dabei helfen sollen, Erfolg versprechende Lösungen für die Themen ihrer Kunden zu finden:
1. Intelligente Reduktion:
Weniger ist mehr, diese Devise gilt für diesen Innovationspfad. Weglassen von Funktionen oder Elementen ohne die wesentlichen Funktionen zu berühren kann zu Kostensenkung, Gewichtsersparnis oder höherer Bedienerfreundlichkeit führen.
2. Form- und funktionsorientierte Kombination:
Die Verbindung bestehender Technologie oder Werkstoffe führt zu einem leistungsfähigeren oder praktischeren Produkt. Form- und funktionsorientierte Kombination zielt darauf, bei gleichen Kosten ein verbessertes Leistungsspektrum zu bieten.
3. Bedürfnisorientierte Erweiterung:
Die Ergänzung eines Produktes um neue Merkmale spielt vor allem in der Fahrzeugkonzeption eine Rolle. In höheren Fahrzeugklassen werden zusätzliche Funktionen angeboten, zur Einparkhilfe die Rückfahrkamera, zur Stereoanlage der Surroundsound. Damit der Kunde auch bereit ist, für diese Erweiterungen zu zahlen, müssen sie möglichst nah an seinen Bedürfnissen entwickelt werden.
4. Komfortsteigernde Trennung:
Getrennt regelbare Klimaanlagen für Fahrer und Beifahrer, aber auch getrennt einstellbare Rücksitze sind Beispiele der Trennung von Bauteilen oder Funktionen, um einen Zusatznutzen zu erzielen. Ansätze, die den Komfort steigern sind besonders viel versprechend.
5. Regelungsorientierte Flexibilisierung:
Bei der Flexibilisierung steht die Interaktion mit der Umwelt im Vordergrund. Dabei wird vornehmlich auf Sicherheitsaspekte abgehoben. Mit vielen Sicherheitsinnovationen geht aber auch eine Entmündigung des Fahrers einher – und es ist fraglich, ob Kunden dafür zusätzlich zahlen wollen. Eine Flexibilisierung, die sich vor allem an geltenden und zukünftigen gesetzlichen Regelungen orientiert, erscheint PwC sinnvoller.
Innovationspolitik der kleinen Schritte
Große Entwicklungssprünge sind nicht zwangsläufig die beste Wahl. Sie sind langwierig in der Entwicklung, teuer in der Umsetzung und werden oftmals weder vom Kunden noch vom Gesetzgeber honoriert. Ferdinand Porsche entwickelte schon Ende des 19. Jahrhunderts einen Hybridmotor. Und das Direktschaltgetriebe schlummerte jahrelang in Entwicklerschubladen, weil kein Kunde eine Notwendigkeit dafür sah. Zulieferer sollten deshalb ihre Innovationsziele nicht zu hoch hängen. Während kurzfristig eher Prozessinnovationen belohnt werden, führen langfristig eher Produktinnovationen zu einer erfolgreichen Marktpositionierung.
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