BRV-JHV: „Es hätte so ein schöner Tag werden können“
Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) hat auf dem Katamaran „MS RheinEnergie“ während einer Rheinfahrt seine 19. ordentliche Mitgliederversammlung durchgeführt, an Bord etwa 300 Teilnehmer, darunter knapp 200 stimmberechtigte Verbandsmitglieder. Im Gegensatz zu vorigen Jahreshauptversammlungen standen diesmal kaum inhaltliche Fragestellungen von Brisanz auf der Tagesordnung, sondern im Mittelpunkt stand die turnusgemäße Neuwahl des Verbandsvorstandes. Überschattet wurde die Veranstaltung vom wenige Tage zuvor bekannt gewordenen Verkauf der Betriebe des bisherigen Präsidenten Peter Seher an den Reifenhersteller Bridgestone bzw. dessen Handelskette First Stop. Seher wurde wohl von keinem Teilnehmer verübelt, dass er verkauft hat und damit aus dem Kreis der unabhängigen Reifenhändler ausgeschieden ist, sondern der Zeitpunkt des Verkaufes direkt im Vorfeld der Händlertagung stieß auf Unverständnis. Auf der JHV selbst erschien Seher nicht mehr, so dass seine Motive unbekannt blieben, etwaiger Groll aber wurde von den Reifenhändlern unterdrückt, stellvertretend für wahrscheinlich viele Kollegen sagte einer jedoch „Es hätte so ein schöner Tag werden können“ und meinte damit gewiss, dass das Arrangement der BRV-Geschäftsstelle mit dem Tagungsschiff allgemein viel Applaus fand und durch das hochsommerliche Wetter – gerade bei einer Schifffahrt ein wichtiger Aspekt – auch zu einem höchst angenehmen touristischen Event hätte werden können. Gewählt wurde natürlich trotz der „Personalie“ Seher dennoch: Das bisherige geschäftsführende Vorstandsmitglied Peter Hülzer (50) wurde zum Hauptgeschäftsführer ernannt, zum Vorsitzenden des Vorstandes gewählt und ist damit oberster Repräsentant des BRV. Zu seinem Stellvertreter wurde Lothar Kerscher (52), geschäftsführender Gesellschafter der Eska Reifendienst GmbH (München), gewählt. Beide erhielten wie auch alle acht (davon drei neue) gewählten Beisitzer des Vorstandes jeweils weit mehr als 90 Prozent der Stimmen. Alternativ-/Gegenkandidaten gab es keine.
Für die Wahl von Peter Hülzer war die Änderung der Satzung notwendig. Einen geeigneten Kandidaten aus den Reihen der Reifenhändler hatte man nicht gefunden. Dass Peter Seher nicht wieder kandidieren würde, hatte er bereits im Herbst 2004 angekündigt. Einen Präsidenten hat der BRV jetzt also nicht mehr, dafür einen Vorsitzenden, und zwar einen, der die Branche bestens kennt. Aber auch einen, der selbst kein Reifenhändler ist. Vorteil: Peter Hülzer hat keine Chance, seinen Betrieb zu veräußern, er hat keinen. Wobei daran erinnert sei, dass offensichtlich Präsidenten schon immer besonders gefährdet zu sein schienen, ihren Betrieb zu verkaufen (erinnert sei an Rolf Taube, Johann Meerbach und jetzt eben Peter Seher). Dass der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Lothar Kerscher diesbezüglich anfällig sein könnte, schließt er jedenfalls bezogen auf die nächsten Jahre im Gespräch mit dieser Fachzeitschrift aus.
Die quantitative Beteiligung an der Jahreshauptversammlung war ausgesprochen gut. Wenn von morgens 10.00 Uhr bis zum späten Nachmittag gerade mal eine einzige Wortmeldung erfolgt – der Innungsobermeister Bayern Michael Immler mahnte an, dass die Interessen des Handwerks im Vorstand des Verbandes nicht zu kurz kommen mögen –, muss allerdings enttäuschen. Die BRV-Geschäftsstelle führt dies auf die professionelle Vorbereitung der Veranstaltung zurück, bei der alle Eventualitäten schon im Vorfeld bedacht worden seien.
Der Blick durch die Reihen und in die Teilnehmerliste belegt dreierlei: Erstens war der Anteil der aus Ostdeutschland stammenden Reifenhändler signifikant höher als je zuvor. Zweitens waren auffällig viele Reifenhändler mit eher kleineren Betrieben gekommen. Und drittens fehlten die meisten der Reifenfachhändler, deren Wort in der Branche besonderes Gewicht hat: Ehemalige Präsidenten wie Vorstandsmitglieder blieben der Jahreshauptversammlung fern bzw. bevorzugten es, eine nette Incentivereise anzutreten. Würde man sie fragen – ob einen Michael Nabholz, Harald Emigholz, Gerhard Ludwig, Klaus Helm, Rolf Ehrhardt oder Eberhard Reiff -, so würden sie selbstverständlich das hohe Lied des Verbandes singen. Dennoch würde der letzte Zweifel nicht beseitigt, ob sich die Ex-Ehrenamtsträger nicht innerlich längst von „ihrem“ BRV verabschiedet haben.
Als weitere „Personalien“ standen die Beisitzer-Wahlen an, es gab so viele Kandidaten wie Beisitzerposten zu vergeben waren: Da der bisherige Vize-Präsident Michael Blümel nach 15 Jahren Verbandstätigkeit nicht mehr kandidierte, machte er den Weg auch frei für einen Generationenwechsel. Es wurden gewählt in alphabetischer Reihenfolge und nur mit marginal abweichenden Stimmenzahlen: Nikolaus M. Ehrler (46, Wiederwahl, Inhaber von Reifen-Ehrler aus Leonberg bei Stuttgart), Claudia Gressel-Holthaus (42, Wiederwahl, Geschäftsführung der Reifen Gressel GmbH & Co. KG aus Würzburg) , Werner Johann (60, Wiederwahl, Geschäftsführer der W. Johann GmbH in Langenfeld), Joachim Kleppe (52, Wiederwahl, Gesellschafter-Geschäftsführer der Bornemann Fahrzeugtechnik und Bereifung in Braunschweig), Norbert Lange (38, Neuwahl in Abwesenheit, geschäftsführender Gesellschafter der Südring Autoservice Lange GmbH), Roland Richter (38, Neuwahl, Inhaber von Reifen Richter in Wernigerode), Paul Rösler (63, Wiederwahl, Seniorchef der Rösler-Gruppe in Dormund) und Michael Schnickmann (37, Neuwahl, Geschäftsführer der Reifen Wagner I.S. Auto Service GmbH & Co. KG in Landshut.
Ferner wurde über den Zustand der Branche berichtet, wobei darauf hinzuweisen ist, dass Peter Hülzer „die Negativberichterstattung leid“ sei, einen gestrengen Seitenhieb gab es dabei für die Fachzeitschrift aus Stade, also die NEUE REIFENZEITUNG, die er namentlich allerdings nicht nannte. Dafür nahm er den Chefredakteur der anderen Fachzeitschrift „Gummibereifung“ Karlheinz Mutz allerdings ausdrücklich von der Kritik aus.
Die BRV-/MMS-Studie „AutoService im Reifenfachhandel“ wurde ausführlich präsentiert, Gastreferent Matthias Schranner sprach zum Thema „Verhandeln im Grenzbereich – Was Geiselnahmen und Geschäftsgespräche gemeinsam haben“, die Endfassung des BRV-Pilotprojektes „Planzeiten/Arbeitszeitwerte im Reifenservice“ (durchgeführt bei der Firma Eska in München) und ein so genanntes Pflichtenheft des Reifenhandels, das abgeleitet ist aus der bereits bekannten BRV-/BBE-Zukunftsstudie „Quo vadis, Reifenfachhandel?“. Die Nachfrage unter „Verschiedenes“, ob dem Reifenfachhandel noch etwas unter den Nägeln brennt, brachte kein Resultat. Abends sahen sich die meisten Teilnehmer wieder: beim Besuch des Queen-Musicals „We will rock you“ im Musical-Dome Köln.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!