Droht Preiskampf nun im Aftersales-Segment?
Im Aftersales-Bereich erwirtschaften Automobilhersteller bis zu 50 Prozent ihres Gesamtgewinns, bei Vertragswerkstätten sind dies sogar bis zu 90 Prozent. Sollten sie keine relevanten Gegenmaßnahmen einleiten, droht ihnen in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein Rückgang zwischen 30 und 50 Prozent dieser Profitquelle. Von den heute bestehenden rund 22.000 Vertragswerkstätten müssten bis 2015 gegebenenfalls fast die Hälfte schließen. Die Folgen der Liberalisierung des Servicegeschäfts durch die geänderte GVO verschärfen die angespannte Situation der Automobilindustrie erheblich. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung der internationalen Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton, die am 27. Juli in Frankfurt vorgestellt wurde.
Im hart umkämpften, von Rabattschlachten gekennzeichneten Automobilgeschäft erzielen Hersteller im klassischen Neuwagenvertrieb demnach kaum noch Gewinne – zumindest im Volumensegment. Profite entstehen – so das Beratungsunternehmen – primär in Bereichen wie Financial Services und Aftersales. Aggressive Marktdurchdringung von Serviceketten, unabhängigen Werkstätten sowie Vertragswerkstätten führten zu intensivem Preiskampf und daraus folgendem Margendruck. „Diese Prozesse beschleunigen die bereits zu beobachtende Strukturbereinigung der Vertriebslandschaft stark“, erklärt Peter Soliman, Partner und Leiter Automotive für den deutschsprachigen Raum bei Booz Allen Hamilton.
Aktuell existieren in Deutschland je rund 22.000 Vertragswerkstätten und ungebundene Werkstätten. Nach Untersuchung der Berater geht die Anzahl dieser Player in den nächsten zehn Jahren um maximal bis zu 45 Prozent zurück. Vor allem die Zahl der Vertragswerkstätten werde sinken, wie es heißt. Selbst unter den momentan stark expandierenden Serviceketten komme es mittelfristig zu einer europaweiten Konsolidierung auf wenige große Anbieter, so Booz Allen-Berater Michael Schwarz, Principal in der Automotive Practice. Die Beteiligung von Private Equity Firmen in diesem Segment liefere hierfür ein klares Indiz. Der jüngst erfolgte Einstieg von KKR bei ATU wird als prominentes Beispiel genannt.
So etwas alarmiert natürlich die Hersteller, die bereits heute wie etwa Renault beginnen neue Strategien umzusetzen, um sich mittels All-Makes-Teileangeboten einen stärkeren Part am Teile-/Servicegeschäft zu sichern. Als besonders attraktiv bewertet Booz Allen Hamilton dabei vor allem das so genannte Segment II der Fahrzeuge (Alter: fünf bis sieben Jahre). Neben der erfolgreichen Verteidigung ihres Kerngeschäfts (Fahrzeuge bis zu fünf Jahre) arbeiten die Hersteller nach Aussagen der Berater an weiteren Strategien, um die Erosion ihrer Aftersales-Erträge einzudämmen. Dazu wird das Ausschöpfen von Potenzialen durch eine exzellente Teilelogistik gezählt. Ziel müsse es sein, damit die Händlerloyalität aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sollten unterschiedliche Vertriebskanäle durch die intelligente Kombination der Elemente „Teilesortiment“, „Belieferungsgeschwindigkeit/-frequenz“, „technische Unterstützung“ und letztendlich „Preis“ gezielt versorgt werden.
Gestärkt werde müsse darüber hinaus allerdings auch die Endkundenloyalität, vor allem in Anbetracht der expandierenden Serviceketten. Die Hersteller müssten sich vom „Teileverteiler“ zu Kompetenzträgern in den Bereichen Pricing, Kampagnenmanagement, Werbung sowie Branding entwickeln. Außerdem sollten sie sich – so die Berater von Booz Allen Hamilton – um eine aktive Steuerung des Gebrauchtfahrzeuggeschäfts bemühen. „Derzeit konzentrieren sich Hersteller noch auf die Wiedervermarktung von Managementfahrzeugen sowie Rückläufern aus Leasing und Vermietung. Das Gebrauchtwagengeschäft bildet aber auch eine ideale Plattform für erhöhte Teile-/Servicepenetration: Über Garantien, Finanzierung und Serviceverträge für Gebrauchtwagen können Hersteller die Halter älterer Fahrzeuge stärker an sich und ihre konzerneigenen Kanäle binden“, sagt das Unternehmen.
„Eine Trennung von Spreu und Weizen deutet sich im Kampf der drei großen Kräfte im Markt – Leasinggesellschaften und Versicherungen, Fast Fit-Ketten sowie Hersteller – an. Am Ende wird dieses zu niedrigeren Preisen führen. Endkunden gehen dabei voraussichtlich als lachende Gewinner aus dieser Marktbewegung hervor“, lautet das abschließende Fazit der Management- und Technologieberatung.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!